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Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 3: Hochhaus am Marx-Engels-Platz

Der ikonische Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz gehört unwiderruflich zur Skyline des modernen Berlin und darf als eine der gelungensten und beliebtesten Errungenschaften sozialistischer Stadtplanung angesehen werden. Dass die ursprünglichen Ideen für das damalige Zentrum Ost-Berlins völlig anders aussahen, wissen heute nur noch wenige.

Entwurf für den Marx-Engels-Platz von Hans Kosel, 1958

Text: Björn Leffler

 

Nach der spätestens 1949 endgültig auch politisch manifestierten Teilung Deutschlands (Gründung von BRD und DDR) in vier Besatzungszonen machten sich die Siegermächte daran, den Wiederaufbau des zerstörten Deutschen Reiches voranzutreiben.

In der neu entstandenen DDR sollte vor allem sozialistisch geplant und gebaut werden. Und das galt insbesondere für die Hauptstadt des jungen Landes, für Berlin. Zumindest für den Ostteil der Stadt, der von den Alliierten als “Ost-Berlin” bezeichnet wurde. In der DDR selbst war, nach mehrfach wechselnden Begriffen, spätestens seit Beginn der 70er Jahre der offizielle Titel der Hauptstadt noch immer “Berlin”.

Für den Wiederaufbau wurde erst einmal Platz geschaffen

Natürlich sollte das östliche Zentrum der einstigen Reichshauptstadt, vom Krieg schwer beschädigt, nach sozialistischen Maßstäben neu errichtet werden. Hierfür wurde bis in die 60er Jahre hinein entsprechend Platz geschaffen. Das Berliner Stadtschloss, opulente Repräsentanz der Hohenzollern, wurde genauso wie Schinkels Bauakademie und große Teile der noch existierenden, historischen Altstadt, abgetragen.

Nur wenige historische Gebäude überstanden den Prozess der Gelände-Freimachung, unter anderem das Rote Rathaus. Die in den 60er und 70er Jahren geschaffene Stadtstruktur – die raumgreifende Grunerstraße auf der Südseite sowie die Freifläche samt versetztem Neptunbrunnen und Rosenbeeten auf der Nordwestseite des Rathauses – wird derzeit vollkommen neu konzipiert.

Neuplanung des einstigen, sozialistischen Stadtzentrums läuft auf Hochtouren

Die Grunerstraße wird verschwenkt, um den nach historischem Straßenmuster vorgesehen Wiederaufbau des Molkenmarkts zu ermöglichen. Die Freifläche vor dem Rathaus, das sogenannte “Rathausforum”, soll in den kommenden Jahren als Landschaftspark neu gestaltet werden. Der Neptunbrunnen jedoch soll bleiben, wo er ist.

Unveränderlich jedoch ist und bleibt, ungeachtet von allen Planungen rund um Berlins historisches Gründungszentrum, das größte Gebäude am Platz, der Fernsehturm. Der zwischen 1965 und 1967 errichtete Turm, mit 368 Metern damals das höchste Gebäude beider Stadthälften, war allerdings ursprünglich gar nicht vorgesehen.

Ein zentrales Gebäude für das Zentrum Ost-Berlins sollte geplant werden

Ein großes, zentrales Gebäude für das zukünftige Zentrum Ost-Berlins sollte errichtet werden. Das war schon viele Jahre vor dem Bau des Turms klar. Bereits 1950 wurde das Ziel ausgegeben, im Zentrum der Hauptstadt ein Hochhaus nach Moskauer Vorbild zu errichten.

Walter Ulbricht sagte am dem 3. Parteitag am 22. Juli 1950 dazu: “Das Zentrum der Stadt soll sein charakteristisches Bild erhalten durch monumentale Gebäude und eine architektonische Komposition, die der Bedeutung der Hauptstadt Deutschlands gerecht wird.

Ulbricht forderte “monumentale Gebäude” für das neue Stadtzentrum

Ganz im Stil des sozialistischem Klassizismus, des sogenannten “Zuckerbäckerstils”, wie er auch in der damals noch Stalinallee genannten Magistrale ab 1951 umgesetzt wurde (heute: Karl-Marx-Allee) sollte auch ein zentrales Hochhaus im Zentrum Berlins entstehen.

Dort, wo sich heute das Marx-Engels-Forum befindet, gegenüber vom wiederaufgebauten Stadtschloss, sollte das Hochhaus nach ersten Überlegungen errichtet werden. Geplanter Name des Ortes: “Marx-Engels-Platz”. Um dem Gebäude die entsprechende Wirkung zu verleihen, wurde das im Krieg zerstörte Stadtschloss wie bereits eingangs erwähnt gesprengt und abgetragen.

Ideen für ein zentrales Hochhaus gab es viele

Ideen für das Gebäude gab es einige: Ein erster Entwurf, eingereicht 1950 von Richard Paulick, damals tätig für die Bauakademie, sah ein 120 Meter hohes Turmhaus vor. Ein anderer Entwurf kam von Hanns Hopp im darauffolgenden Jahr: Ein 150 Meter hohes Gebäude, mit dem einstigen Schlossplatz durch eine Brücke verbunden.

1953 gab es dann einen dritten Entwurf für das Gebäude, eingereicht von Edmund Collein. Dieser Entwurf erinnerte eher an einen gotischen Kirchturm. Ergänzt werden sollte das Gebäude durch ein 25 Meter hohes Denkmal für die beiden Urväter des Kommunismus, Marx und Engels.

Keiner der eingereichten Entwürfe wurde umgesetzt

Umgesetzt wurde indes keiner der Entwürfe, im Gegenteil. Die Planungen für das Zentrum der Hauptstadt der DDR zogen sich hin, und so kam es, dass es 1958 einen weiteren Vorschlag gab, vom Kollektiv Hanns Hopp, Hans Mertens, Wolfgang König und Gerhard Kosel. Auch hier sollte Ost-Berlins Zentrum von einem streng klassizistischen Hochhaus dominiert werden. Teil des Projekts sollte auch ein Museum über Kampf und Sieg des Sozialismus werden.

Im selben Jahr wurde aber auch ein offizieller “Ideenwettbewerb zur sozialistischen Umgestaltung des Stadtzentrums der DDR” ausgelobt. Immerhin, das zentrale Gebäude gehörte auch hier zu den Vorgaben für die teilnehmenden Stadtplaner*innen.

In den neuen Entwürfen fehlte das Hochhaus plötzlich

In den eingereichten Entwürfen jedoch dominierten nunmehr keine hohen Gebäude, sondern andere architektonische Objekte das Zentrum. Obelisken, Stahlnadeln oder auch ein Fernsehturm galten offenbar als zeitgemäße Elemente für das moderne, sozialistische Stadtzentrum, welches die Hauptstadt der DDR bekommen sollte.

Als im April 1961 der “Beschluss zur sozialistischen Umgestaltung des Zentrums der Hauptstadt der DDR, Berlin” erging, fehlte das ursprünglich geplante, zentrale Ensemble eines Marx-Engles-Platzes sogar gänzlich. Worauf diese überraschende Wende zurückzuführen ist, ist aus heutiger Sicht schwer zu rekonstruieren.

Im letztlich realisierten Konzept fehlte der Marx-Engels-Platz gänzlich

Möglich ist, dass eine gestalterische Unsicherheit durch die gesellschaftlichen Umwälzungen in der Post-stalinistischen Sowjetunion hervorgerufen wurde und dem monumentalen Baustil abgeschworen wurde. Sicher belegen lässt sich dies aber nicht.

Gebaut wurde im Zentrum ab Anfang der 60er Jahre dann tatsächlich, aber nicht monumental, sondern modern. Das zeigen der futuristisch anmutende Fernsehturm, das 1967 fertiggestellte, sachliche Außenministerium am Schinkelplatz oder der Palast der Republik, der erst 1976 eröffnet wurde.

Das Marx-Engels-Forum entstand erst 1986 – deutlich kleiner als ursprünglich geplant

Marx und Engels bekamen letztlich doch noch ihr eigenes Forum, allerdings deutlich kleiner als es in den 50er Jahren noch geplant worden war. 1986 setzte der Bildhauer Ludwig Engelhardt eine Bronze-Skultptur auf die gegenüberliegende Spreeseite. Deutlich kleiner und zurückgezogener, als urpsrünglich von Baumeistern wie Kosel, Hopp oder Collein geplant.

So zurückhaltend es letztlich umgesetzt wurde, so sensibel und kompliziert wird der Umgang mit dem Platz und der Bronze-Plastik im Zuge der Neuplanung des “Rathausforums” sein. Denn das Marx-Engels-Forum ist Teil des neu zu gestaltenden Geländes zwischen Fernsehturm und Humboldt Forum.

Keine leichte Aufgabe für die Planungsbüros und Architekten, die sich mit diesem historisch bedeutsamen Areal auseinanderzusetzen haben. Wie schwierig es sein kann, zeigt allein die bewegte Geschichte seit der Neuplanung ab 1950. Wir werden den Prozess mit Spannung weiterverfolgen.

 

Entwurf von Hanns Hopp, 1951

 

Das Thema entstammt dem spannenden Buch “Luftschlösser – Berlins unvollendete Bauten” von Andreas Hoffmann. In diesem Werk sind weitere, nicht vollendete Projekte aufgeführt.

Das mittlerweile vergriffene Buch könnt Ihr hier noch gebraucht erwerben.

Weitere Rezensionen, Medienbesprechungen und Filme findet Ihr auf unserer “Medien”-Seite.
Teil 1 der Reihe: Die “Olympiahalle 2000” in Mitte

Teil 2 der Reihe: Abriss und Neubau der Gedächtniskirche

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