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Jede Zeit baut ihre Stadt.

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 7: Das Projekt “Werkbundstadt”

Vor wenigen Jahren schien die Verwirklichung der Pläne des „Deutschen Werkbund Berlin e.V.“ in Berlin-Charlottenburg einen neuen Weg in der städtebaulichen Entwicklung aufzuzeigen. Die Realisierung des ambitionierten Projekts “WerkBundStadt” schien zum Greifen nah, gebaut wurde das Vorhaben jedoch am Ende nicht.

Spannende Vision: Auf der Charlottenburger Mierendorffinsel sollte das städtebauliche Pilotprojekt “WerkBundStadt” realisiert werden. Es kam jedoch anders. / © Visualisierung: WerkBundStadt

Text: Michael Klotz
© Visualisierungen: WerkBundStadt

 

Die Werkbundsiedlungen des 20. Jahrhunderts gelten bis heute als wegweisende Beispiele des Neuen Bauens, als Experimentierfelder der Architekten, auf denen neue Konzepte ausprobiert und neue Wege beschritten werden konnten.

Naheliegend also, dass der Werkbund seit längerem versucht, an diese Tradition anzuschließen. Ein Versuch Anfang der 2000er Jahre in München zum 100-jährigen Jubiläum eine neue Werkbundsiedlung zu errichten, scheiterte am Widerstand des Stadtrats, der das städtebauliche Konzept des japanischen Architekten Kazunari Sakamoto ablehnte.

Anders in der Hauptstadt, wo für mehrere Jahre scheinbar alle Weichen auf Erfolg des Projekts des Deutschen Werkbund Berlin gestellt waren: Hier sollte in Anlehnung an die großen Siedlungen des letzten Jahrhunderts etwas völlig Neues entstehen, eine Stadt in der Stadt – aus der Parzelle entwickelt, “sozial vielfältig, gemischt genutzt, dicht und urban”, namentlich die „WerkbundStadt“. Auch an politischer Unterstützung mangelte es nicht.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf unterstütze die Pläne auf dem Gelände eines ehemaligen Tanklagers in direkter Nachbarschaft zum Kraftwerk Charlottenburg maßgeblich. Vorausgegangen waren dem Projekt langwierige Streitigkeiten zwischen Grundstückseigentümer Michael Lange und Bezirk, der die Pläne des Projektentwicklers vor Ort immer wieder abgelehnt hatte.

Projekt “Werkbundstadt”: Paul Kahlfeldt hatte die Idee 2014 in die Welt gesetzt

Nachdem 2014 die Idee um den damaligen Vorsitzenden des Deutschen Werkbunds Berlin, Paul Kahlfeldt, in die Welt gesetzt worden war, ging es im Herbst 2015 zunächst um die Grundlagen für den Entwurfsprozess.

Auf vier Klausuren wurden von den Architekten sowie den Experten aus weiteren für das Projekt relevanten Disziplinen die “gestalterischen, bautechnischen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und politischen Leitlinien des konkreten Bauens und Wohnens erarbeitet.” Einzig schon im Vorfeld klar war, dass am Ende eine dichte und funktionsgemischte Stadt gebaut werden sollte.

Anschließen wurde im November 2015 der städtebauliche Rahmenplan entwickelt, der im Folgenden mit den behördlichen und politischen Vertretern des Bezirkes diskutiert und abgestimmt wurde. Darauf aufbauend entwickelten seit März 2016 die beteiligten 33 Architekturbüros jeweils drei Entwürfe für die verschiedenen Gebäude.

Kollektiver Ansatz: 33 Architekten entwarfen in Teams die künftigen Gebäude

Auch dieser Ansatz ließ das Bauprojekt aus der Masse der baulichen Tätigkeiten über Berlins Grenzen hinaus herausstechen: Anders als sonst üblich sollten die Architekten hier nicht gegeneinander antreten, um am Ende eine Jury zu überzeugen, sondern kollektiv und kleinteilig zusammenarbeiten.

Auf einer weiteren Tagung im Sommer 2016 in Amsterdam wählten  dann die Eigentümer und die Architekten zusammen die Vorentwürfe aus.

Das Projekt schien gut voranzukommen, die „WerkbundStadt“ löste auch außerhalb von Fachkreisen ein mediales Echo aus. Allein Der Tagesspiegel sowie die Berliner Morgenpost berichteten mehrfach über die aktuellen Entwicklungen. Der Bezirk zeigte sich geradezu begeistert von der Idee und sicherte im Herbst 2017 “basierend auf dem Konzept der WerkbundStadt” das begehrte Bebauungsplanverfahren VII-3-2 zu.

Große Aufwertung des Grundstücks durch innovatives Konzept der Architekten

Des Weiteren wurde zwischen Bezirk, Deutschem Werkbund Berlin und der Projektmanagementgesellschaft der Eigentümer eine sogenannte „Zielvereinbarung“ abgeschlossen, in der, wie sich später als folgenschwerer Fehler herausstellen sollte – rechtlich unverbindlich – allgemeine Ziele und Regeln der Zusammenarbeit verabredet wurden.

Belastbare Vereinbarungen zur Verwendung des “potentiellen Wertzuwachses” für die Qualitätssicherung fanden sich darin nicht. Denn tatsächlich ging mit der Entwicklung des Konzepts der „WerkbundStadt“ eine beachtliche Aufwertung des brachliegenden Geländes einher. Der ausgewiesene Wert im amtlichen Bodenrichtwertatlas hatte sich in den vier Jahren seit dem ersten Bekanntmachen des Vorhabens von 200 Euro pro Quadratmeter auf circa 2.000 Euro pro Quadratmeter fast verzehnfacht.

Bodenrechtliches Instrumentarium zur Sicherung der Durchführung des Projekts

Noch im Juli 2017, also vor Vergabe des Bebauungsplanverfahren VII-3-2, hatte Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger verkündet, man werde “das umfassende bodenrechtliche Instrumentarium einsetzen“, sollte es zu “keinen erfolgversprechenden, verbindlichen Vereinbarungen mit und zwischen den Beteiligten” kommen. Dazu kam es allerdings nicht und so verkaufte der Grundstückseigentümer das Gelände Anfang 2018 an zwei bayerische Immobilienentwicklungsgesellschaften.

Die Bezirkspolitik hatte sich währenddessen nicht nur durch Abschluss eines städtebaulichen Vertrags weiter an die Eigentümer gebunden, sondern sich im Februar 2018 zusätzlich dem Senat gegenüber im Rahmen des „Bündnisses für Wohnungsneubau“ verpflichtet, im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf bis 2021 Planungsrecht für circa 2.000 Wohnungen zu schaffen.

Etwas mehr als die Hälfte davon war dabei auf dem Areal der „WerkbundStadt“ vorgesehen, ohne diese konkreten Pläne an die Konzepte und Qualitätsansprüche der Werkbündler zu knüpfen. Letztendlich haben so nicht nur die spekulativen Grundstücksverkäufe, sondern auch der Bezirk selbst dazu beigetragen, die Möglichkeiten für eine “modellhafte Stadtentwicklung” einzuschränken.

Kündigung der Zusammenarbeit durch neue Eigentümer besiegelte Ende des Projekts

Im Laufe des Jahres 2018 scheiterten die Versuche des Werkbundes Berlin, die in der „Zielvereinbarung“ festgehaltene Weiterentwicklung der Planung durch die beteiligten Architekten bei den Eigentümern durchzusetzen. Im Herbst 2018 kündigten die neuen Eigentümer dann die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Werkbund Berlin auf.

Durch die fehlende rechtliche Verbindlichkeit der Vereinbarungen mussten die Entwicklungsgesellschaften kaum Konsequenzen fürchten. Die „WerkbundStadt“ reiht sich dadurch jedoch in die lange Serie der Berliner Luftschlösser ein: eine Reihe von nie verwirklichten städtebaulichen Bauvorhaben in der Hauptstadt.

Nach dem Scheitern des Projekts soll nach Plänen der Entwickler auf dem Grundstück nun das Bauvorhaben „Am Spreebord“ entstehen, ein urbanes Quartier mit Wohnungen, Büros, Gewerbeeinheiten sowie einer Kita. Statt 1.100 Wohnungen rechnen die Grundstückseigentümer nun mit einer Anzahl von 550 bis 600 Wohnungen. Wenn denn alles so klappt, wie geplant.

 

Weitere Bilder zum Projekt seht Ihr hier:

© Visualisierung: WerkBundStadt

© Visualisierung: WerkBundStadt

 

Quellen: Bauwelt, Der Tagesspiegel, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, DB Bauzeitung, Deutscher Werkbund, Baunetz

Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier sehen:

Serie: Berlins Luftschlösser, Teil 1: Die „Olympiahalle 2000“ in Mitte

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 2: Der Neubau der Gedächtniskirche

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 3: Hochhaus am Marx-Engels-Platz

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 4: Ein Riesenrad am Bahnhof Zoo

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 5: Die U-Bahn-Linie 10

Eine Übersicht unserer Artikelreihen findet Ihr hier

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