Der Bezirk Spandau stellt sich gegen den Ausbau des Straßenbahnnetzes. Statt der ursprünglich geplanten Tramverbindung setzt man auf U-Bahn- und S-Bahn-Projekte. Für Tausende neue Wohnungen in der Wasserstadt Hakenfelde drohen damit weiter schlechte ÖPNV-Anbindungen.

Die geplante Verlängerung der U7 soll bis zu sieben neue Stationen umfassen und den Flughafen BER als neue Endhaltestelle anbinden. Die Baukosten werden auf rund 890 Millionen Euro geschätzt, eine Umsetzung ist frühestens bis 2035 realistisch – abhängig von politischen Entscheidungen auf Bundesebene. / © Foto: Wikimedia Commons, Ingolf from Berlin , Deutschland, CC BY-SA 2.0 (mit KI bearbeitet)

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Der Spandauer Bezirksstadtrat Thorsten Schatz (CDU) hat allen Plänen für neue Straßenbahnlinien im Bezirk eine deutliche Absage erteilt. Der Ausbau sei finanziell wie praktisch nicht umsetzbar, erklärte er gegenüber der Berliner Morgenpost. Besonders kritisierte er, dass die geplante Trasse von der Paulsternstraße über Gartenfeld und Hakenfelde bis zum Rathaus Spandau überwiegend auf bereits hochbelasteten Straßen verlaufen würde – ein separates Gleisbett sei dort kaum möglich.

Die Haltung sei in Gesprächen mit mehreren Verkehrssenatorinnen seit Amtsantritt deutlich kommuniziert worden. Stattdessen setzt Schatz auf den Ausbau bestehender U-Bahn- und S-Bahn-Verbindungen, insbesondere die Verlängerung der U7 nach Staaken und eine unterirdische Fortführung der Siemensbahn bis Hakenfelde, wie die Berliner Morgenpost berichtet.

Wachsende Quartiere ohne Anschluss: Neue Wohnprojekte drohen in der Verkehrslücke zu landen

Die Entscheidung kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: In Spandau entstehen aktuell mehrere Großprojekte mit Tausenden neuen Wohnungen – exakt entlang des nun verworfenen Tram-Korridors. Darunter das Neubauprojekt der landeseigenen WBM in der Spandauer Wasserstadt: In der Rauchstraße sollen bis 2026 insgesamt 349 Wohnungen entstehen, davon ein Großteil gefördert und barrierefrei. Zusätzlich entstehen eine Stadtteilbibliothek, eine Kita und Gewerbeflächen.

Ohne direkte Straßenbahnanbindung bleibt das Quartier auf Busverbindungen angewiesen. Schon jetzt kritisieren Bezirkspolitiker wie Daniel Buchholz (SPD) und CDU-Politiker Frank Bewig, dass der ÖPNV-Ausbau nicht mit dem Wohnungsbau Schritt hält. Die fehlende Anbindung gefährde die Akzeptanz der neuen Wohnquartiere.

Auswirkungen über den Bezirk hinaus: Auch Urban Tech Republic und Schumacher-Quartier betroffen

Die Entscheidung des Bezirks beeinflusst nicht nur Spandauer Projekte. Auch übergeordnete Planungen wie die Verknüpfung der Straßenbahn mit der zukünftigen Urban Tech Republic auf dem Areal des Flughafens Tegel geraten ins Stocken. Der Anschluss sollte ursprünglich über Spandau erfolgen. Dort könnten erste Wohnungen des Schumacher-Quartiers ab 2028 bezugsfertig sein, doch auch hier fehlen verbindliche ÖPNV-Perspektiven.

Die schon ausgeschriebene Machbarkeitsstudie zur Spandauer Straßenbahn muss nun neu bewertet werden. Eine Umsetzung scheint aktuell wenig wahrscheinlich.

Langfristige Lösungen lassen auf sich warten: U7 und Siemensbahn kommen frühestens ab 2026

Die Verlängerung der U7 von Rathaus Spandau nach Staaken gilt im Bezirk als realistischer Ersatz. Die BVG und der Senat hatten bereits in der Vergangenheit den Ausbau geprüft. Auch die Siemensbahn-Reaktivierung wird von Bezirk und Land unterstützt. Doch beide Projekte sind langfristig angelegt: Für die Siemensbahn wird ein Baubeginn laut Berliner Morgenpost frühestens 2026 erwartet, eine U7-Verlängerung könnte frühestens in den 2030er-Jahren in Betrieb gehen.

Für die Bewohnerinnen und Bewohner der neuen Quartiere bedeutet das: Noch jahrelang sind sie auf das bestehende Bussystem angewiesen. In der Wasserstadt Hakenfelde könnten damit rund 25.000 Quadratmeter Mietfläche ohne direkte Bahnverbindung entstehen.

Quellen: Berliner Morgenpost, WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH, Gemeinde Schönefeld, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, BVG

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10 Kommentare

  1. Carlo 26. Juni 2025 at 09:56 - Reply

    Informativer Artikel. Doch Ihre Schlussfolgerung impliziert, dass Tramprojekte in den nächsten Jahren fertig werden würden. Das halte ich für unrealistisch, ist doch keine der besagten Neubaustrecken in der konkreten Planung. Geduld ist in beiden Fällen vonnöten, die neu entstehenden Quartiere haben offenbar alle überrascht, wer hätte vor 5 Jahren ahnen können, dass wir da SPNV-Anbindung brauchen ;)?

  2. Calle 26. Juni 2025 at 19:24 - Reply

    Ich möchte auch zu bedenken geben, dass eine Straßenbahn niemals die Kapazitäten bietet wie die U- & S-Bahnen.
    Abgesehen davon bieten ebendiese auch eine direkte Anbindung an zentrale, innerstädtische Ziele.
    Busse und Straßenbahnen dürften ohne ein, von Straßenverkehr unabhängiges Pendant ganz schnell an ihre Belastungsgrenzen stoßen, so wie es ja bereits jetzt vielerorts erkennbar ist.
    Gut wäre eine ganzheitliche Neustrukturierung, bei der sich die Verkehrsmittel gegenseitig ergänzen.
    Bei schlauer Verkehrsplanung lassen sich Wohngebiete auch grundsätzlich sehr gut mit Schnellbahnsystemen Anbinden und den Bus für die Feinverteilung in Ergänzung, so wie es bereits jetzt vielerorts praktiziert wird.

    Ganz nebenbei: man könnte auch die U2 Gen Spandau verlängern, dies dürfte ihr ein neues deutlich höheres Potential und Fahrgastaufkommen im Außenbereich bescheren. Geführt viel Wilhelmstadt und Bhf Spandau, dann wären auch endlich die leeren Gleiströger einer Benutzung zugeführt. ;-)

  3. hvhasel 26. Juni 2025 at 20:40 - Reply

    Es ist etwas ärgerlich, dass ein einzelner Bezirksstadtrat, der gar nicht die Kompetenz hierfür hat, zu solchen Schlagzeilen führt wie „Spandau lehnt die Straßenbahn ab“.

    Es mag vielleicht sogar die Mehrheit der CDU und anderer Parteien in Spandau sein. Aber selbst das ist nur eine politische Zeitaufnahme.

    Denn die Frage, wie Verkehrsprobleme im Norden Spandaus durch eine U-Bahn im Süden des Bezirks gelöst wird, ist immer noch unbeantwortet. Letztere wird dazu noch erst in vielen Jahren, wenn überhaupt, fertiggestellt.

    Kurzsichtige Verkehrspolitik hat Berlin echt zu Genüge.

  4. Andreas G. GRÖGER 26. Juni 2025 at 21:16 - Reply

    Ich sehe, daß die Bauplanung in der Wasserstadt keine Trasse für eine S-Bahn vorgehalten hat und alles in der infrage kommenden Streckenführung zugebaut wurde! Man hat seitens der Baubehörden offensichtlich kein ernsthaftes Interesse an einer S-Bahnverlängerung nach HAKENFELDE! Zudem plant man seitens der S-Bahnplaner nur bis zum S-Bhf. GARTENFELD bis 2029. Von Verlängerung keine Spur! Außerdem halte die geplante unterirdische Führung unter dem Spandauer See für Unsinn, weil das erstens zu teuer ist und zweitens BERLIN nicht in der Lage ist derartige Tunnel zu bauen im Gegensatz zum Femarnbeltunnel oder dem Kanaltunnel, man denke an der BER usw. Eine Brücke halte ich für eher sinnvoll.

    • Baumbart 26. Juni 2025 at 22:17 - Reply

      Also nicht Spandau lehnt hier ab, sondern ein Stadtrat der CDU. Da nächstes Jahr erneut gewählt wird, dürfte sich Thorsten Schatz eher ein Eigentor geschossen zu haben.

    • Baumbart 26. Juni 2025 at 22:18 - Reply

      Sorry, mein Fehler. Bitte die Antworten löschen wenn es geht. LG

  5. Baumbart 26. Juni 2025 at 22:14 - Reply

    Also nicht Spandau lehnt hier ab, sondern ein Stadtrat der CDU. Da nächstes Jahr erneut gewählt wird, dürfte sich Thorsten Schatz eher ein Eigentor geschossen zu haben.

    • Christopher 26. Juni 2025 at 23:26 - Reply

      Die ganzen Straßenbahngleise die noch da waren z.b. Streitstraße wurden abgerissen. Ob diese noch Fuktionstüchtig waren weiß ich nicht. Aber am Altstädter Ring den ausufernden PKW zu reduzieren und mehr auf Straßenbahn und Busse zu setzen ist doch sehr gut. Also die U7 zu verlängern ist doch schon so oft im Gespräch dass ich nicht mehr daran glaube.

  6. Matthias 26. Juni 2025 at 23:43 - Reply

    Diese Schlagzeile bestätigt alle meine Vorurteile über die Autohölle Spandau, deren CDU Vertreter mental noch im alten autogerechten Westberlin zu hängen scheinen und daher keine Vorstellung von den Vorteilen einer Feinerschliessung durch die Straßenbahn haben. Gott sei Dank lebe ich in Potsdam!

  7. Christian 27. Juni 2025 at 08:21 - Reply

    In Berlin kann man sich einfach nicht vorstellen, dass ein guter ÖPNV die Zahl der PKW reduziert. Ein Blick nach Kopenhagen, Göteborg, Gent, Paris oder Amsterdam könnte da helfen.

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