Wenn in Berlin Hochhausprojekte geplant werden, wird häufig vom Hochhausleitbild gesprochen, dem das Projekt zu entsprechen hat. Wir haben uns einmal angesehen, was in diesem 2020 verabschiedeten Leitbild eigentlich drinsteht und wo Hochhäuser in Berlin überhaupt gebaut werden dürfen – und wo eben nicht.

Im Park am Gleisdreieck soll in diesem Jahr der Baustart für das Hochhausprojekt „Urbane Mitte“ erfolgen. Sieben bis zu 90 Meter hohe Gebäude sollen entstehen. / © Visualisierung: finest images / O&O Baukunst

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© Visualisierung „Urbane Mitte“: finest images / O&O Baukunst
Text: Björn Leffler

 

Wenn in Berlin Hochhäuser gebaut werden sollen, gilt dies traditionell als schwieriges Unterfangen, da Berlin aufgrund seines sehr weichen Baugrunds nicht als ideale Fläche für den Bau großer Hochhäuser gilt und gemeinhin als „flache Stadt“ bezeichnet wird.

Nichtsdestotrotz wurden in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder auch große Gebäude realisiert, was unter anderem eines der bekanntesten Gebäude der Stadt unter Beweis stellt: Der Berliner Fernsehturm.

Hochhausprojekte in Berlin sind eine technische Herausforderung

Aber auch Wohn- und Geschäftshäuser wurden – bis zum Mauerfall vor allem in der City West, anschließend auch im Ostteil der Stadt – in Berlin erfolgreich realisiert. Dennoch: das Bauen von Hochhäusern bleibt eine Herausforderung für die Ingenieure, was unter anderem der Streit um den Bau des Hines-Hochhauses am Alexanderplatz oder die kürzlich eingetretene Tunnelabsenkung der Linie U2 zeigt.

Verantwortlich hierfür ist das ebenfalls am Alexanderplatz geplante Hochhausprojekt der Covivio-Gruppe. Derzeit ruht das Projekt aufgrund der festgestellten Schäden am U-Bahntunnel, die Analyse der aufgetretenen Schäden steht noch aus. Wann das Projekt fortgesetzt werden kann, ist noch fraglich.

Hochhaus oder Traufhöhe? Das ewige Berliner Dilemma

Vorbehalte gegen Hochhausbauten in Berlin gibt es allerdings nicht nur aufgrund des schwierigen Baugrunds, sondern weil die Traufhöhe des Baubestands in Berlin eine der wichtigsten, maßgeblichen Vorgaben für Neu- und Umbauprojekte darstellt. Jedes Gebäude, welches über diese Traufhöhe hinaus gehen soll, muss dies explizit begründen.

Vor allem in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Gründerzeit-Häusern, wie etwa in Prenzlauer Berg oder der Spandauer Vorstadt in Mitte, sind Hochhausprojekte nur äußerst schwer durchzusetzen. Um ein einheitliches, berlinweit gültiges Hochhausprojekt hat der Berliner Senat daher viele Jahre gerungen.

Um ein allgemein gültiges Hochhauskonzept wurde lange gerungen

Denn die Konflikte, welche zwischen Investoren, Bezirken und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen immer wieder aufflammten, bedurften einer einheitlichen Regelung für Hochhausprojekte, auf die sich die Senatsverwaltung mittlerweile häufig bezieht, zuletzt etwa beim geplanten Hochhausprojekt auf dem Karstadt-Aral am Kurfürstendamm.

Das dafür zugrunde liegende Hochhausleitbild wurde noch von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und ihrer Senatsbaudirektorin, Regula Lüscher, erarbeitet und vom Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2020 ratifiziert.

Klar definierte Kriterien für den Bau von Hochhäusern in Berlin

Deren Nachfolger – Andreas Geisel als Senator für Stadtentwicklung und Petra Kahlfeldt als Senatsbaudirektorin Berlins – haben mit dem Hochhausleitbild ein Instrument zur Verfügung, mit dem sie geplante Hochhausprojekte wie beispielsweise der vorgeschlagene Bau von Windkrafttürmen in Prenzlauer Berg anhand festgelegter Kriterien überprüfen und bewerten können.

Das Hochhausleitbild tritt im Übrigen nur dann in Kraft, wenn der vorgesehene Neubau die gebietsprägenden Bestandshöhen um mehr als 50 Prozent überragt und somit erhebliche Auswirkungen auf das Ortsbild und die umgebende Stadtstruktur hat.

Leitbild des Senats: Hohe Anforderungen für den Bau neuer Hochhäuser

Wenn die Umgebung des Neubauprojekts bereits als Hochhausquartier bewertet wird oder bereits vor dem Inkrafttreten des Leitbildes eine rechtskräftige Baugenehmigung für das Vorhaben vorlag, greift das Leitbild hingegen nicht.

Grundsätzlich stellt der Berliner Senat an den Bau von Hochhäusern hohe Anforderungen. So müssen Fragen des Denkmalschutzes behandelt und naturschutzrechtliche Schutzgebiete berücksichtigt werden. Ein Umstand, der derzeit unter anderem das Bauvorhaben „Pankower Tor“ zeitlich zu verzögern droht.

Keine Hochhäuser in dicht besiedelten Wohngebieten und ländlichen Quartieren

Zudem dürfen Hochhäuser nicht in dicht besiedelten Wohngegenden errichtet werden, um den Grundcharakter des Wohnviertels nicht zu zerstören. Auch in ländlich geprägten Quartieren sind Hochhausprojekte nach Wünschen des Senats nicht vorgesehen.

Dazu passt, dass der Senat bzw. die Senatsverwaltung Hochhausprojekte gern dort realisieren möchte, wo es einen sogenannten „Zentrumsbezug“ gibt – wie etwa am Alexanderplatz als Zentrum der östlichen Innenstadt, am Zoologischen Garten sowie dem Kurfürstendamm als Zentrum der City West oder in Stadtteilzentren.

Hochhausprojekte als „Beitrag für lebendige, urbane Nachbarschaft“

Doch auch inhaltlich gibt es entsprechende Kriterien. So heißt es im Leitbild: „Hochhausvorhaben über 60 m müssen einen Beitrag für lebendige, urbane Nachbarschaften durch Schaffung einer dem Standort angemessenen funktionalen Mischung leisten.

So werden zwei grundsätzliche Nutzungskategorien unterschieden: Wohnen und Gewerbe. Im Idealfall sollen zukünftige Hochhäuser eine Mischnutzung beinhalten, die sich zwischen diesen beiden Hauptnutzungskategorien bewegen. Das Ziel sind vor allem kurze Wege und die effiziente Ausnutzung von Flächen. Zudem soll vermieden werden, dass sich innerhalb einzelner Gebäude autarke, abgekapselte Communities bilden.

„Berliner Mischung“ soll sich auch in Hochhausprojekten wiederfinden

So wird stets die sogenannte „Berliner Mischung“ aus Wohnen, Arbeiten, Handel, Freizeit und Bildungseinrichtungen als ideales Nutzungsmuster eines Neubaus angesehen – was im Übrigen nicht nur für Hochhäuser gilt, sondern grundsätzliches Leitbild für Quartiersentwicklungen in der Hauptstadt ist.

Teil des Hochhaus-Leitbildes ist auch ein exemplarischer Planungsvorgang, der die jeweiligen Projektphasen anschaulich visualisiert. Interessierte können das Leitbild unkompliziert hier herunterladen. Das Dokument steht in unterschiedlichen Detaillierungsstufen zur Verfügung.

 

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Bekanntes Hochhausprojekt in Berlin-Charlottenburg: Die Realisierung der Projekte Zoofenster und Upper West haben zu einer völligen Neudefinition der Skyline rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche geführt. / © Foto: depositphotos.com

Verabschiedet im Februar 2020: Berlins offizielles Hochhausleitbild

 

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