Der Wiederaufbau der Siemensbahn in Berlin-Spandau startet 2026 und soll bis 2029 abgeschlossen sein – doch die DEGES könnte mit dem zeitgleich geplanten Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke den Zeitplan gefährden.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Wolfgang Leffler
Der unter Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz im Juni 2024 erfolgte Startschuss zum Quartier “Siemensstadt Square“ erfordert nun auch die Forcierung der Bauarbeiten zur Reaktivierung der im Jahr 1980 nach einem Eisenbahnerstreik stillgelegten historischen Siemensbahn.
Hier sollen ab 2029 wieder die S-Bahnzüge zwischen den Bahnhöfen Jungfernheide und Gartenstadt in Spandau verkehren. Damit der Zeitplan eingehalten werden kann, müssen noch in diesem Jahr die nächsten Aktivitäten gestartet werden.
Spandau: Deutsche Bahn setzt Zeichen für den Wiederaufbau der Siemensbahn
Die Deutsche Bahn hat die Ausschreibung für die Planungsleistungen zur Wiederinbetriebnahme der stillgelegten S-Bahn-Strecke zwischen Jungfernheide und der Gartenstadt in Spandau veröffentlicht, wie Der Tagesspiegel berichtet. Die 4,5 Kilometer lange Strecke soll nach jahrzehntelangem Stillstand wieder in Betrieb genommen werden.
Parallel dazu wird allerdings ein zusätzliches Problem sichtbar: Die Autobahngesellschaft DEGES, die den Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke plant, gefährdet den Zeitplan der Bahn, da der Wiederaufbau der Siemensbahn im Brückenbauprojekt der DEGES bisher nicht berücksichtigt wurde.
Reaktivierung der Siemensbahn: Siemens-Campus profitiert vom S-Bahn-Projekt
Das Land Berlin investiert in das Projekt, um nicht nur die Anbindung des geplanten Siemens-Campus „Siemensstadt Square“ zu verbessern, sondern auch eine städtebauliche Modernisierung des Spandauer Ortsteils voranzutreiben.
In „Siemensstadt Square“ sollen bis 2035 rund 20.000 neue Arbeitsplätze und 7.000 Wohnungen entstehen. Die wiederaufgebaute S-Bahnlinie soll zudem eine Direktverbindung zum Hauptbahnhof schaffen.
Startschuss und geplanter Bauzeitraum: Ab August 2026 soll es losgehen
Der Baustart für die Siemensbahn ist für den 14. August 2026 angesetzt, mit einer geplanten Fertigstellung im Dezember 2029 – konkret am 20. Dezember, passend zum 100. Jahrestag der ursprünglichen Streckeneröffnung. Erwartet werden bis zu 40.000 Fahrgäste täglich.
Die Ausschreibungsunterlagen der Deutschen Bahn bieten Einblicke in die geplanten Bauarbeiten. Dazu gehören die Sanierung des Stahlviadukts in Spandau, der Bau einer neuen Spreebrücke sowie eine neue Stromversorgung für die Strecke.
Siemensbahn: Umfangreiche Bauarbeiten entlang der Strecke erforderlich, Kosten von 880 Mio. Euro
Zusätzliche Bauprojekte beinhalten ein drittes Gleis und einen zusätzlichen Bahnsteig für die Bahnhöfe Jungfernheide und Westhafen, die am Nordring angebunden sind. Die geplanten Kosten des Projekts werden auf mindestens 880 Millionen Euro geschätzt.
Während der Bauzeit ist mit Sperrungen und Einschränkungen auf dem Nordring zu rechnen. Um den Baufortschritt zu beschleunigen, sieht die Ausschreibung Bonuszahlungen für die ausführenden Firmen vor.
Bahnprojekt in Spandau: Planfeststellungsverfahren und rechtliche Herausforderungen
Für den Neubau der Spreebrücke ist ein Planfeststellungsverfahren erforderlich, das ein Risiko für den Bauzeitplan darstellt. Die Altstrecke ist hiervon nicht betroffen, da sie nie entwidmet wurde und somit keine zusätzliche Genehmigung benötigt.
Zusätzlich zur neuen Abstellanlage in der Nähe der geplanten Endstation Gartenfeld, die aus Lärmschutzgründen eingehäust wird, sind entlang der Strecke weitere Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen. Auf der Insel Gartenfeld sollen in den kommenden Jahren auf dem einstmals industriell genutzten Areal rund 3.700 Wohnungen mit einer Wohnfläche von etwa 370.000 Quadratmetern entstehen.
Keine Verlängerung der Strecke in die Wasserstadt
Eine Verlängerung der Siemensbahn in die Wasserstadt Spandau, wie vom Stadtbezirk angeregt, wird aus Kostengründen nicht umgesetzt. Für eine solche Erweiterung wäre ein zusätzlicher Tunnel erforderlich gewesen, was einen Abriss der bestehenden Strecke am Endpunkt Gartenfeld bedeutet hätte.
Die Deutsche Bahn informiert in den Ausschreibungsunterlagen über Konflikte mit DEGES im Zusammenhang mit der A100-Brücke, die über die Siemensbahn westlich der Station Jungfernheide führen soll. DEGES plant Abgrabungen am Bahndamm der Siemensbahn nach 2026, um dort Stützen für die Brücke zu errichten. Die Bahn sieht sich nach eigener Aussage gezwungen, juristisch gegen das DEGES-Planfeststellungsverfahren vorzugehen, da der Wiederaufbau der Siemensbahn nicht berücksichtigt wurde.
Ab 1927 wurde die historische Siemensbahn-Strecke errichtet
Die Firma Siemens und Halske realisierte zwischen 1927 und 1929 in Eigenregie diese Hochbahnstrecke als Teil der Berliner S-Bahn, die von Jungfernheide über knapp fünf Kilometer nach Spandau-Gartenstadt verlief, um ihre Werke in der Berliner Siemensstadt an das Berliner S-Bahnnetz anzuschließen.
Diese Bahnstrecke ist teilweise als Stahlviadukt und Dammanlage angelegt. Die Züge fuhren elektrisch, da sich die große Elektrisierungswelle der Berliner Stadt-, Ring- und Vorstadtbahnen gerade in der vollen Realisierungsphase befand.
In den Anfangsjahren verkehrten die Züge bis nach Neukölln oder Papestraße
In den Anfangsjahren verkehrten die Züge bis nach Neukölln oder Papestraße, wodurch auch die Passagierzahlen deutlich zunahmen, wohl auch deshalb, weil die Strecke größtenteils von den Beschäftigten der Siemens-Werke genutzt wurde.
Von den zirka neunzigtausend Mitarbeitern, die Siemens zur damaligen Zeit insgesamt beschäftigte, nutzten rund siebzehntausend Menschen die Siemensbahn, die im 5-Minuten-Takt zwischen ihren Wohn- und Arbeitsorten pendelte.
Zweiter Weltkrieg: Wendepunkt für die Siemensbahn
Der Zweite Weltkrieg und die damit einhergehenden Zerstörungen läuteten einen Wendepunkt für die Siemensbahn ein. Aufgrund der Beschädigungen konnte ab September 1945 der Betrieb teilweise nur noch provisorisch eingleisig aufrechterhalten werden, denn das zweite Gleis wurde als Reparationsleistung abgebaut und an die damalige Sowjetunion geliefert. Erst ab Dezember 1956 konnte der komplette zweigleisige Betrieb, auch nach dem Neubau der Spreebrücke, wieder aufgenommen werden.
Die früheren Passagierzahlen wurden nach dem Krieg nicht mehr erreicht
Aber die früheren Passagierzahlen wurden nicht mehr erreicht, da der Siemens-Konzern auch vor dem Hintergrund der permanenten unsicheren politischen und wirtschaftlichen Situation in West-Berlin schon Ende 1949 entschieden hatte, den Hauptsitz nach München zu verlagern.
Fortan war die Siemensbahn eine der am wenigsten frequentierten Strecke im gesamten Berliner S-Bahn-Netz, woraufhin dann die Züge bis zum Bahnhof Jungfernheide zurückgezogen wurden und auch nur noch Fahrzeuge älterer Baureihen zum Einsatz kamen. Diese fuhren dann im 20-Minuten-Takt mit im Schnitt dreißig bis vierzig Fahrgästen.
Die Linie U7 war ab 1980 eine moderne Alternative zur Siemensbahn
Nach dem Eisenbahnerstreik und den im Oktober 1980 eröffneten Bahnhöfen Siemens- und Rohrdamm der U-Bahnstrecke 7 verfügte die Siemensstadt über moderne Alternativen zu den vorherigen S-Bahnhöfen Wernerwerk und Siemensstadt.
Ein glücklicher Umstand für die nun anlaufende Wiederbelebung der Bahnstrecke war sicher ein nie eingeleitetes förmliches Stilllegungsverfahren nach § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Dazu kam, dass im August 1995 der Streckenteil zwischen der Bezirksgrenze Spandau und dem Bahnhof Gartenfeld unter Denkmalschutz gestellt wurde und ein Abriss damit ausgeschlossen war.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Siemens AG, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, Deutsche Bahn Netz AG, Deutsche Bahn AG, VBB, Der Tagesspiegel
Jetzt könnte man auch die angefangenen U-Bahn-Röhre von der Jungefernheide nach Tegel weitertreiben. Wäre so ein ähnlichs Projekt für ähnliche Standorte nach deren Umnutzung