Die Stralauer Halbinsel zwischen Spree und Rummelsburger Bucht blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, die vom Fischerdorf über Industriestandort bis hin zum urbanen Wohnquartier reicht. Heute vereint der Ort Vergangenheit und Gegenwart in direkter Nachbarschaft und steht exemplarisch für den Wandel Berlins seit der Wende.

Heute prägen moderne Wohnbauten mit großzügigen Balkonen das Bild der Stralauer Halbinsel. Zwischen Architektur und Wasser entstehen dabei Kontraste, zahlreiche Bootsstege und Hausboote erinnern an einen geschichtsträchtigen Ort. /© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Stralau, eine Ortslage im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, liegt eingebettet zwischen der Spree und dem Rummelsburger See. Einst als Fischerdorf bekannt, war das Gebiet in der Nachkriegszeit durch Zerstörung und den Niedergang der Industrie stark gezeichnet. Heute jedoch präsentiert sich die Stralauer Halbinsel als gefragtes Wohnquartier und beliebtes Ausflugsziel.

Entlang des Uferwegs reihen sich moderne Neubauten an teils denkmalgeschützte Altbauten, die harmonisch in großzügige Grünflächen eingebettet sind. Die Mischung aus historischer Bausubstanz, architektonisch anspruchsvollen Wohnhäusern und landschaftlicher Einbettung macht die Halbinsel zu einem besonderen Ort im Berliner Stadtbild.

Vom slawischen Siedlungsort zum Berliner Ausflugsziel: Stralaus Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert

Einst war Stralau für den traditionsreichen „Stralauer Fischzug“ bekannt, ein Fest mit langer Geschichte, das bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Heute erinnern Info-Stelen und Gedenktafeln an diese Tradition, ebenso wie an die reiche Industriekultur der Halbinsel. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Die Geschichte der Stralauer Halbinsel reicht bis in frühgeschichtliche Zeiten zurück. Archäologische Funde belegen slawische Siedlungen, erste Urkunden stammen aus dem 13. Jahrhundert. Ab dem 14. Jahrhundert gehörten Dorf und See den Städten Berlin und Cölln. Stralau blieb über Jahrhunderte ein eigenständiges Fischerdorf mit festen Rechten und enger Bindung an die Berliner Verwaltung, bis zur Eingemeindung nach Groß-Berlin im Jahr 1920.

Im 19. Jahrhundert wurde Stralau zu einem beliebten Ausflugsziel. Der „Stralauer Fischzug“ zog Tausende Besucherinnen und Besucher an. Die Chaussee und der Bahnhof Stralau-Rummelsburg (heute Ostkreuz) erleichterten die Anreise aus der Stadt.

Industrie, Enteignung und Umnutzung: Die vielschichtige Geschichte der Stralauer Großbetriebe

Der markante Flaschenturm der ehemaligen Engelhardt-Brauerei ist ein denkmalgeschütztes Industriegebäude am Ufer der Rummelsburger Bucht. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Mit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte sich das Bild Stralaus grundlegend. Großbetriebe wie die Teppichfabrik Protzen siedelten sich an. Auch chemische Industrie war präsent, etwa mit der Anilinfabrik, die später in die IG Farben eingegliedert wurde. Der Standort profitierte von der Nähe zu Spree, Bucht und Bahnlinie.

Doch die Geschichte dieser Industrieanlagen ist auch geprägt von Enteignung und Zerstörung. So wurde die Engelhardt-Brauerei 1933 im Zuge der Arisierung enteignet, die Glashütte nach der Wende geschlossen. Heute stehen einige Gebäude unter Denkmalschutz, andere wurden in Wohnraum umgewandelt, wie der Flaschenturm der Brauerei oder das Ensemble der Glashütte.

Verlorene Ausflugsidylle: Stralaus Wandel im Schatten von Krieg, Lager und Justiznutzung

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Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die Halbinsel ihre Bedeutung als Ausflugsort. Viele Betriebe lagen in Trümmern, die Infrastruktur war beschädigt. Erste Wiederaufbaupläne aus den 1950er- und 1960er-Jahren, eine Mischung aus Parklandschaft, Wohnbauten und gewerblichen Einrichtungen, blieben größtenteils unrealisiert.

Zudem befanden sich auf dem Gelände staatliche Einrichtungen wie das „Durchgangslager für asoziale Jugendliche“, dessen Geschichte heute durch eine Gedenkstelle dokumentiert wird. Auch prominente Gefangene wie Erich Honecker wurden im einstigen Arbeitshaus Rummelsburg untergebracht, das ab 1999 zum Justizstandort umgebaut wurde.

Städtebaulicher Neuanfang nach 1990: Wohnen, Grün und Geschichte im Einklang

Ein ehemaliges Industriegebäude, das aufwendig saniert und in Wohnraum umgewandelt wurde. Markante Balkonelemente und großflächige Fensterfronten setzen moderne Akzente. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Nach 1990 setzte ein tiefgreifender Wandel ein. Die Industrie zog sich zurück, zahlreiche Flächen lagen brach. Die landeseigene Entwicklungsträgergesellschaft Rummelsburger Bucht (ERB) entwarf gemeinsam mit Architekten wie Theo Brenner und Karl Thomanek ein städtebauliches Konzept, das historische Gebäude, Grünflächen und neue Wohnquartiere verbinden sollte.

Auf der Halbinsel Stralau wie auch auf der Lichtenberger Seite der Bucht wurden Tausende neue Wohnungen errichtet. Altbauten wie das Friedrichs-Waisenhaus wurden in die Planung einbezogen. Bis 2006 sollten rund 5.000 Wohnungen entstehen, gefördert, privat finanziert oder als Eigentum. Ziel war eine soziale Durchmischung. Parks, Kitas, Schulen und ein Uferwanderweg ergänzten das Konzept.

Lebenswerter Ort mit Geschichte: Heute ein gefragtes Wohnquartier mit hoher Lebensqualität

Die Stralauer Halbinsel hat sich vom ehemaligen Fischerdorf zu einem gefragten Wohnquartier mit hoher Lebensqualität entwickelt. Heute prägen Siedlungs- und Villenbebauung in guter Lage sowie viel Grün das Bild. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Heute leben auf der Stralauer Halbinsel über 4.700 Menschen. Die Bebauung ist geprägt von Wohnungen in mittlerer bis guter Lage, teils als Siedlungsbau, teils als Villen mit parkähnlichen Gärten. Der Anteil an Familien mit Kindern ist überdurchschnittlich, die soziale Lage stabil. Auch die Umweltbelastung ist gering, ein Indikator für die Lebensqualität des Standorts.

Trotz massiver baulicher Verdichtung bleibt die Geschichte sichtbar. Gedenkorte erinnern an das Durchgangslager, an Karl Marx’ Aufenthalt 1837 oder an die Arbeiter der Glashütte. Ein Spaziergang über die Halbinsel gleicht einem Gang durch ein Freiluftmuseum.

Ein Ort im Wandel: Was bleibt, was kommt auf der Stralauer Halbinsel?

Die Mieten der heutigen Siedlungs- und Villenbebauung liegen deutlich über dem Durchschnitt, zahlreiche Mietwohnungen wurden in Eigentum umgewandelt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

Die Stralauer Halbinsel ist ein Beispiel für gelungene städtebauliche Transformation, aber auch für Spannungsfelder zwischen Erinnerungskultur, Denkmalschutz und Nachverdichtung. Viele historische Zeugnisse stehen unter Schutz, einige wurden umgenutzt. Der ursprünglich dörfliche Charakter weicht zunehmend urbaner Verdichtung.

Wie der Ort sich weiterentwickelt, zwischen Wohnraumdruck, Erhalt alter Substanz und neuen Mobilitätskonzepten, bleibt abzuwarten. Dennoch bleibt Stralau ein besonderer Ort in der Berliner Stadtlandschaft, verwoben mit Geschichte und Zukunft.

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Quellen: Berlin Geschichte, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Stadtrand Nachrichten, Geschichte Berlins