In Berlin-Mitte trifft Verkehrspolitik auf Widerstand: Die seit Ende 2023 bestehende Fahrradstraße an der Tucholskystraße sorgt für juristischen Zündstoff. Anwohner klagen gegen die aufgestellten Poller – das Verwaltungsgericht entscheidet am heutigen Montag über den Streitfall im Berliner Zentrum.

Die Tucholskystraße wurde zur Fahrradstraße – doch nicht alle sind damit einverstanden. Ein juristischer Streit spitzt sich zu und stellt die Berliner Verkehrswende infrage. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Am Kreuzungsbereich Tucholskystraße / Auguststraße in Berlin-Mitte ist schon traditionell ein enorm hohes Verkehrsaufkommen anzutreffen, da der Bereich zu den populärsten Quartieren der Hauptstadt gehört und sowohl von Touristen als auch Berlinerinnen und Berlinern stark frequentiert wird.
Vor allem an besagter Kreuzung, zwischen der nördlich darüber liegenden Torstraße und der südlich darunter verlaufenden Oranienburger Straße, kam es demzufolge häufig zu Konfliktsituationen der dortigen Verkehrsteilnehmer.
Tucholskystraße, Ecke Auguststraße: Viele Konflikte der Verkehrsteilnehmer
Autofahrerinnen und Autofahrer, Radfahrende, Fußgänger aber auch Nutzer von E-Bikes und Elektrorollern trafen hier aufeinander, häufig kam es zu gefährlichen Situationen und Verkehrsunfällen. Diese Situation wollte das Bezirksamt Mitte deutlich entschärfen.
Dafür wurde die Tucholskystraße in eine Fahrradstraße umgebaut, nach dem Vorbild der Linienstraße, die die Tucholskystraße auf diesem Abschnitt auch kreuzt. Auch dort haben Fahrräder seit einigen Jahren bereits Vorfahrt. Ende 2023 wurde das Projekt fertiggestellt.
Berlin-Mitte: Anlieger und Lieferfahrzeuge können die Straße auch weiterhin nutzen
Allerdings haben Anlieger und Lieferfahrzeuge auch weiterhin das Recht, die Straße zu nutzen. In der Linienstraße verkehren aber auch heute noch regelmäßig private Pkws, die die Straße als Durchgangsstraße nutzen.
Dennoch ist die Linienstraße für Radfahrende eine deutlich bessere Option als die parallel verlaufende Torstraße, die bislang über keine Radwege verfügt und für Fahrradfahrer zu den gefährlichsten Straßen Berlins zählt. Doch Anwohnerinnen und Anwohner wollen nun gerichtlich gegen den Status Quo vorgehen, wie Der Tagesspiegel berichtet.
Eine Bürgerinitiative geht gegen die Poller in der Tucholskystraße juristisch vor
Kritiker werfen dem Bezirksamt allerdings ideologisch motivierte Stadtplanung vor und bemängeln fehlende Beteiligung. Die Initiative „KiezblockFree“, bestehend aus Anwohnern und Gewerbetreibenden, lehnt die Durchfahrtsperre ab und ging juristisch dagegen vor. Im Juli 2023 erklärte das Verwaltungsgericht Berlin die Maßnahme in einem Eilverfahren für rechtswidrig, da keine akute Gefahrenlage vorliege und stadtplanerische Erwägungen allein nicht ausreichten.
Trotz des Urteils blieben die Poller zunächst bestehen. Im September folgte ein gegenläufiger Entscheid des Oberverwaltungsgerichts, das keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit sah. Nun soll im Hauptverfahren geklärt werden, ob es sich tatsächlich um eine Maßnahme zur Verkehrssicherheit handelt – oder ob politische Ziele im Vordergrund stehen, wie es die Kläger vermuten.
Poller-Streit in Berlin-Mitte: Verwaltungsgericht entscheidet am Montag
Hauptargument der Initiative: Ein Unfallschwerpunkt lässt sich statistisch nicht nachweisen. Zwar kam es nach Einführung der Fahrradstraße zu einer Zunahme von Unfällen, diese betrafen jedoch überwiegend den Radverkehr selbst.
Eine Entscheidung über den Rechtsstreit soll das Berliner Verwaltungsgericht am heutigen Montag fällen, doch damit wird der Streit aller Voraussicht nach noch nicht beendet sein. Beide Seiten haben, je nach Ausgang, die Möglichkeit, in Revision zu gehen. Dennoch wird es spannend zu beobachten sein, wie die Entscheidung ausfallen wird.
Quellen: Bezirksamt Mitte, Der Tagesspiegel, Initiative KiezblockFree
Danke für den Artikel, aber wäre es nicht sinnvoller den abends nach der Entscheidung zu veröffentlichen?
Wenn Sicherheit und Lebensqualität zum Politikum stilisiert werden, ist diese Stilisierung politisch und sollte auch vom entsprechenden Verwaltungsgericht so erkannt werden. Wenn nicht, ist das ein Schritt in die falsche Richtung und ein Gefallen für private, betuchte, elitäre Lauf – und Radfahrverweigernde Autonotoriker:innen. Dies ist meine analytische Befürchtung.