Seit 17 Jahren läuft das Bebauungsverfahren für das Stuhlrohrquartier in Bergedorf. Zwischen Stuhlrohrstraße und Sander sollten 1.000 Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen, doch bisher stand die Baustelle lange still. Nun hat die Stadt Hamburg ein Vorkaufsrecht erlassen, um das geplante Wohnviertel voranzutreiben.
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In Hamburg-Bergedorf soll auf dem ehemaligen Stuhlrohrareal ein neues Wohnquartier mit etwa 1.000 Wohnungen, zwei Kindertagesstätten und mehr als 15.000 Quadratmetern Gewerbefläche entstehen. Das 5,3 Hektar große Grundstück westlich des Schleusengrabens, zwischen Stuhlrohrstraße und Sander, gehört der BUWOG, einem Tochterunternehmen des österreichischen Immobilienkonzerns Vonovia. Trotz bestehender Entwicklungspläne liegt die Baustelle brach, und Fortschritte bei der Umsetzung fehlen.
Nun greift der Senat ein und erlässt für das sogenannte „Stuhlrohrquartier“ eine Vorkaufsrechtsverordnung. Damit kann die Stadt im Falle eines Verkaufs der Grundstücke diese bevorzugt erwerben, um so die Umsetzung des städtebaulichen Konzepts sicherzustellen. Stadtsenatorin Karin Pein (SPD) begründete die Entscheidung damit, dass man es sich nicht leisten könne, dass Flächen für die Stadtentwicklung langfristig brachliegen, wenn man den Neubau fördern und Wohnen in Hamburg für alle bezahlbar machen wolle.
Bebauungsplan Bergedorf 105: Langwieriges Planungsverfahren für Gewerbe- und Mischgebiet
Im Dezember 2008 wurde das Planverfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans „Bergedorf 105“ eingeleitet. Ziel war es, die Grundlagen für eine standortgerechte Nutzung als Gewerbe- und Mischgebiet zu schaffen. Zudem sollten die direkt am Schleusengraben gelegenen Flächen als Teil einer grünen Wegeverbindung vom Bergedorfer Zentrum in die Vier- und Marschlande entwickelt werden. Zwischen 2008 und 2010 wurden mehrere Vorstudien zur Flächenentwicklung durchgeführt, jedoch nicht weiterverfolgt.
Kritikerinnen und Kritiker befürchten seit Jahren, dass von den städtischen Plänen für eine dichtere Bebauung abgewichen werden könnte. Ein Symbol für das langwierige Ringen im Hintergrund ist das verlassene Industrieareal der Bergedorfer Stuhlrohrfabrik, das mittlerweile auch die dazugekauften Flächen des Sanitär-Großhandels Peter Jensen sowie der Hamburger Stadtentwässerung umfasst. Das Bebauungsplanverfahren dauert nun bereits 17 Jahre an.
Bürgerbegehren „Bergedorf stellt alles in den Schatten“ stoppt Hochhauspläne
Die Planungen für das Stuhlrohrquartier sind in der Bergedorfer Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Im Oktober 2017 gründete sich die Bürgerinitiative „Bergedorf stellt alles in den Schatten – für ein lebenswertes Stuhlrohrquartier“, um sich für eine reduzierte Gebäudehöhe und geringere Bebauungsdichte einzusetzen. 2018 stoppte die Bürgerinitiative per Bürgerbegehren die Pläne für 20-stöckige Wohntürme und bremste damit die ambitionierten Vorhaben der BUWOG erheblich aus.
Ab Januar 2018 verhandelte die Initiative mit den Bezirksfraktionen von SPD, CDU, Die Grünen und Die Linke, was im Juni 2018 in einer Vereinbarung mit verbindlichen Eckpunkten zur Quartiersentwicklung mündete. So sollen die denkmalgeschützten Stuhlrohrhallen dauerhaft erhalten bleiben.
Siegerentwurf für das Stuhlrohrquartier in Bergedorf: Blockrandbebauung und gemeinschaftliche Wohnhöfe
Auf dieser Grundlage wurde ein städtebaulich-freiraumplanerisches Verfahren in Form einer Mehrfachbeauftragung durchgeführt. Dabei setzten sich die Entwürfe der raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH sowie der GHP Landschaftsarchitekten durch.
Ihr Konzept sieht vier Baufelder in Blockrandbebauung mit gemeinschaftlichen Wohnhöfen und einer verkehrsberuhigten Quartiersmitte vor. Halböffentliche Platzflächen, sogenannte „Trittsteine“, sollen Begegnungsorte innerhalb des Quartiers schaffen. Die Gebäude erhalten eine kleinteilige Fassadengliederung mit Gründächern sowie einem Wechsel zwischen Klinker- und Putzfassaden.
Fun-Arena „Allerfornia Hall“ der TSG Bergedorf als Zwischennutzungsprojekt
Im Dezember 2024 eröffnete die TSG Bergedorf in einer der leerstehenden Hallen auf dem Areal die temporäre Skate- und Funarena „Allerfornia Hall“. Die 900 Quadratmeter große Halle kann so bis zu ihrem endgültigen Abriss sinnvoll zwischengenutzt werden. Wann der Abriss tatsächlich erfolgt, ist jedoch noch ungewiss.
Inwieweit das neu erlassene Vorkaufsrecht der Stadt Hamburg die Situation voranbringt, bleibt abzuwarten.
Quellen: Hamburger Abendblatt, hamburg.de, Radio Hamburg