Im Schillerkiez entsteht ein außergewöhnliches Bauprojekt für wohnungslose Menschen: eine „Tee- und Wärmestube Plus“ ist im Bezirk Neukölln geplant. Sie soll Menschen in Not 16 Wohnungen, soziale Unterstützung und ein vorübergehendes Zuhause bieten.
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Text: Stephanie Engler
Ein Bauvorhaben der Tee- und Wärmestube Plus im Schillerkiez an der Kreuzung Allerstraße und Schillerpromenade soll eine neue Perspektive auf soziale Hilfsangebote in Berlin bieten, vor allem im Bezirk Neukölln. Die vierstöckige Anlage soll sowohl Wohnraum als auch eine großflächige Wärmestube umfassen, die eine Erweiterung der derzeitigen Einrichtung in der Weisestraße darstellt.
De Vachroi, Armutsbeauftragter der Evangelischen Kirche, Initiator und treibende Kraft hinter dem Projekt, beschreibt die Bedeutung dieser neuen Einrichtung gegenüber der Berliner Morgenpost als sein „Herzensprojekt“, das bereits 2019 erstmals im Sozialausschuss diskutiert wurde, jedoch durch die Corona-Pandemie verzögert wurde. Der Evangelische Kirchenkreis bestätigte mittlerweile öffentlich, dass der Bau voraussichtlich im Jahr 2025 beginnen werde.
Erweiterung und Wohnraum: Tee- und Wärmestube Plus als neues Konzept
Die Tee- und Wärmestube Plus soll die bisherige, zu kleine Einrichtung ersetzen. Bisher nutzen jährlich etwa 15.000 Menschen die Wärmestube in der Weisestraße – ein Besucherstrom, dem die Räumlichkeiten mit nur 130 Quadratmetern kaum standhalten. Der neue Standort wird mit doppelt so viel Platz ausgestattet sein und eine nachhaltige Lösung für die steigende Nachfrage bieten. Neben dem erweiterten Raumangebot bringt das „Plus“ im Namen eine besondere Neuerung mit sich: Es entstehen 16 vollständig ausgestattete Wohnungen, die wohnungslosen Menschen als vorübergehender Wohnraum dienen sollen.
Die Appartements im neuen Gebäude sollen acht Frauen und acht Männern Unterkunft bieten. Zwei Stockwerke sind ausschließlich Frauen vorbehalten, um einen sicheren Rückzugsort zu gewährleisten. Die Bewohner erhalten individuelle Unterstützung durch Sozialarbeitende, die ihnen dabei helfen, sich langfristig auf ein Leben in eigenen Räumlichkeiten vorzubereiten.
Die Wohnungen sollen auch mit eigenen Briefkästen und Schlüsseln ausgestattet werden, was den Bewohnern ein Stück Eigenständigkeit ermöglicht. Zudem können sie ihre Haustiere mitbringen, ein Umstand, den viele soziale Einrichtungen üblicherweise nicht bieten. De Vachroi betont, dass die Bewohner selbst entscheiden können, wie lange sie bleiben, und niemand ohne Grund das Appartement verlassen muss.
Neukölln: Angebote für die Gemeinschaft und individuelle Entscheidungsfreiheit
Im Erdgeschoss des neuen Hauses wird die Tee- und Wärmestube untergebracht sein, die als Anlaufstelle für Menschen in Not dient. Neben einer Nahrungsmittelausgabe und der Möglichkeit, selbst zu kochen, stehen auch Duschen und eine Kleiderkammer zur Verfügung. Die Bewohner der Appartements sind nicht verpflichtet, die Wärmestube zu besuchen, sondern haben die Freiheit, selbst über ihre Teilnahme zu entscheiden. Laut de Vachroi orientiert sich das Konzept an ähnlichen Projekten in den Niederlanden, die bereits erfolgreich auf Freiwilligkeit setzen.
Für das Projekt sind Kosten in Höhe von rund fünf Millionen Euro veranschlagt. Der Großteil der Mittel wird vom Evangelischen Kirchenkreis getragen, doch auch öffentliche Fördermittel sollen beantragt werden. Der Evangelische Kirchenkreis hofft zudem auf Lottomittel, die durch den Berliner Senat in Aussicht gestellt wurden. Diese Unterstützung wäre laut dem Superintendenten Christian Nottmeier eine wichtige Ergänzung zur kirchlichen Finanzierung und würde dabei helfen, den Menschen ein neues Zuhause und Stabilität zu bieten.
Perspektiven für die Zukunft in Berlin-Neukölln: Ein Projekt mit Modellcharakter
Die Tee- und Wärmestube Plus wird bereits jetzt schon als Leuchtturmprojekt in der Berliner Sozialpolitik angesehen. Frühere Bürgermeister*innen wie Franziska Giffey und der amtierende Bürgermeister Kai Wegner schätzen das Modell als eine wichtige Ergänzung des sozialen Engagements der Hauptstadt.
De Vachroi ist überzeugt, dass dieses Pilotprojekt den Menschen „eine Stimme gibt“ und dabei hilft, sie aus der Anonymität der Straße in eine betreute Gemeinschaft zu bringen. Bis zur Fertigstellung des neuen Gebäudes bleibt der bisherige Standort in der Weisestraße aber weiterhin geöffnet, sodass eine nahtlose Übergabe möglich wird.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Tee- und Wärmestube Plus, Berliner Morgenpost, Bezirksamt Neukölln, Architektur Urbanistik Berlin, Evangelischer Kirchenkreis