Der Streit um eine einfache Durchfahrtsperre in der Tucholskystraße in Berlin-Mitte entwickelte sich zum juristischen Grundsatzfall. Das nun gefällte Urteil stärkt den Radverkehr – und stellt andere Bezirke vor neue Planungsfragen. Die Frage bleibt: Wie viel Regulierung braucht der Straßenverkehr – und wann wird sie zur politischen Auseinandersetzung?

Die Tucholskystraße wurde zur Fahrradstraße – doch nicht alle sind damit einverstanden. Ein juristischer Streit wurde nun zu Gunsten des Bezirks Mitte entschieden. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Autofahrerinnen und Autofahrer, Radfahrende, Fußgänger aber auch Nutzer von E-Bikes und Elektrorollern trafen am Kreuzungsbereich Tucholskystraße / Auguststraße in Berlin-Mitte aufeinander, häufig kam es zu gefährlichen Situationen und Verkehrsunfällen. Diese Situation wollte das Bezirksamt Mitte deutlich entschärfen.
Dafür wurde die Tucholskystraße in eine Fahrradstraße umgebaut, nach dem Vorbild der Linienstraße, die die Tucholskystraße auf diesem Abschnitt auch kreuzt. Auch dort haben Fahrräder seit einigen Jahren bereits Vorfahrt. Ende 2023 wurde das Projekt fertiggestellt.
Eine Bürgerinitiative ging gegen die Poller in der Tucholskystraße juristisch vor
Kritiker werfen dem Bezirksamt allerdings ideologisch motivierte Stadtplanung vor und bemängeln fehlende Beteiligung. Die Initiative „KiezblockFree“, bestehend aus Anwohnern und Gewerbetreibenden, lehnt die Durchfahrtsperre ab und ging juristisch dagegen vor. Im Juli 2023 erklärte das Verwaltungsgericht Berlin die Maßnahme in einem Eilverfahren für rechtswidrig, da keine akute Gefahrenlage vorliege und stadtplanerische Erwägungen allein nicht ausreichten.
Trotz des Urteils blieben die Poller zunächst bestehen. Im September folgte ein gegenläufiger Entscheid des Oberverwaltungsgerichts, das keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit sah. Nun sollte im Hauptverfahren geklärt werden, ob es sich tatsächlich um eine Maßnahme zur Verkehrssicherheit handelt – oder ob politische Ziele im Vordergrund stehen, wie es die Kläger vermuten. Am gestrigen Montag fällte das Berliner Verwaltungsgericht eine Entscheidung.
Poller-Streit in Berlin-Mitte: Verwaltungsgericht entschied am Montag zu Gunsten des Bezirks Mitte
Hauptargument der Initiative: Ein Unfallschwerpunkt lässt sich statistisch nicht nachweisen. Zwar kam es nach Einführung der Fahrradstraße zu einer Zunahme von Unfällen, diese betrafen jedoch überwiegend den Radverkehr selbst. Eine Entscheidung über den Rechtsstreit sollte das Berliner Verwaltungsgericht am gestrigen Montag fällen – und entschied zu Gunsten des Bezirks Mitte.
Das bedeutet: die elf im Januar 2024 aufgestellten Poller dürfen an Ort und Stelle bleiben. Die Klage der Anwohner und Gewerbetreibenden blieb letztlich erfolglos. Das Gericht bewertete die Maßnahme als rechtmäßig. Richterin Heike Grigoleit erklärte, dass angesichts des zu erwartenden Fehlverhaltens von Verkehrsteilnehmern eine einfache Gefahrenlage vorliege.
Gerichtsurteil: Diagonalsperre an der Tucholskystraße ist gerechtfertigt
In diesem Kontext sei auch ein gravierender Eingriff wie die Diagonalsperre an der Ecke zur Auguststraße gerechtfertigt. Die Argumentation des Bezirks, dass eine Fahrradstraße ohne physische Durchfahrtssperre ihre Wirkung verfehle, überzeugte das Gericht. Erfahrungen zeigten, so die Verwaltung, dass Verkehrsschilder allein häufig ignoriert würden.
Zudem erkannte das Gericht eine mangelnde Regelbefolgung als gegeben an. Angesichts einer wachsenden Zahl von Radfahrenden müsse deren Sicherheit vor rechtswidrigem Kfz-Verkehr gewährleistet werden, so die Begründung des Bezirks. Das Gericht teilte diese Einschätzung – auch wenn, wie die Vorsitzende Richterin anmerkte, viele Fragen in dem Verfahren juristisches Neuland berührten.
Poller-Streit: Urteil im Fall Tucholskystraße mit Signalwirkung für ganz Berlin?
Das Urteil könnte über den konkreten Fall in Berlin-Mitte hinaus Signalwirkung entfalten. Es stärkt nicht nur die Position des Bezirks Mitte, sondern auch künftige Maßnahmen zugunsten des Radverkehrs in anderen Berliner Kiezen. Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte eine konsequente Umsetzung von Fahrradstraßen mit baulichen Eingriffen als legitim bewerten, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert.
Gerade für dicht bebaute Innenstadtbereiche, in denen verschiedene Verkehrsteilnehmer auf engem Raum konkurrieren, ist das ein deutliches Signal. Die rechtliche Anerkennung fehlender Regelbefolgung als Gefahrenlage könnte daher auch in anderen Bezirken zu einem weiteren Umdenken in der Planung führen. Für den Radverkehr bedeutet das Urteil eine spürbare Stärkung – und für vergleichbare Konflikte eine klare Orientierung.
Quellen: Bezirksamt Mitte, Der Tagesspiegel, Initiative KiezblockFree
Traurig und aus meiner Sicht diskriminierend für Ältere, Kranke oder Familien die nur bedingt auf ein Fahrrad als Verkehrsmittel zugreifen können. Berlin wird eine Altersdiskriminierende Stadt für privilegierte, junge, ideologisch getriebene Personen die sich voll und ganz auf ihren Egozentrismus fokussieren können.
Sehr erfreulich, dass dem Egoismus bestimmter Autoideologen hier mal Grenzen aufgezeigt werden. Insbesondere für Familien eine wunderbare Verbesserung ihrer Lebensqualität, wenn das Umfeld nicht vom Recht des stärkeren Blechs dominiert wird.
Da es die „Wirkung verfehle“…
Willkommen in Berlin, ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt. Zudem stellen wir jetzt ?alles? unter Generalverdacht. Top. Diese Stadt geht vor die Hunde. Leute ziehen auf‘s Land weil Sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Und diese Großstadt (Metropole), versucht eine Fahrradstadt zu sein, was sie nicht sein kann. Macht mal weiter so. Tolle wachsende Pendler unfreundliche Stadt! Da arbeitet man besonders motiviert.