Berlins höchster Wohnturm in der Steglitzer Schloßstraße steckt in Schwierigkeiten, denn der Bau kommt nicht über das Bauskelett hinaus. Es fehlt an Baugenehmigungen und einer verlässlichen Projektplanung. Zudem treten etliche Käufer von ihren Verträgen zurück.

Zentraler Einkaufsboulevard im Herzen von Stegitz: Die Schloßstraße, an deren südlichem Ende das Wohnungsprojekt „Überlin“ realisiert wird – und längst ins Stocken geraten ist. / © Foto: depositphotos.com

© Fotos: depositphotos.com / Björn Leffler
Text: Stephanie Engler

 

Der luxuriöse, 120 Meter hohe Wohnturm „Überlin“ soll eigentlich bis Ende 2024 ca. 330 Wohnungen und verschiedene Läden im Sockelgebäude beherbergen. Doch fehlende Baugenehmigungen, Rücktritte von Kaufverträgen über Eigentumswohnungen und gerichtliche Schlichtungen lassen dieses Ende in weite Ferne rücken. 

Mit der ursprünglichen Planung hätte der neue Wohnturm wohl ein Wahrzeichen des Bezirks Steglitz-Zehlendorf werden können. Über ein Drittel der Eigentumswohnungen sind längst verkauft. Doch nun sind rund 30 Käufer von ihren Verträgen wieder zurückgetreten – und das aus einem triftigen Grund: Die vertraglich zugesicherten Kfz–Stellplätze in der Tiefgarage sollen nun anderen, noch unklaren Plänen zum Opfer fallen.

Weniger Tiefgaragenstellplätze: Käufer springen ab

Die Käufer sollen dem Vernehmen nach auf ihren Platz verzichten.  Der verantwortlichen Adler Group zufolge haben diesem Vorschlag „80 Prozent der Kaufenden zugestimmt.Die neuen Pläne für die Tiefgarage seien laut Michael Karnetzki (SPD), Baustadtrat für Stadtentwicklung in Steglitz-Zehlendorf, jedoch noch gar nicht genehmigt.

Zudem ist die Neugestaltung des Gebäudesockels, welcher zukünftig Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen beinhalten soll, weiterhin ungeklärt. Auch hier fehle es an Genehmigungen. Karnetzki äußerte sich dazu wie folgt: „Es gibt weiterhin noch keine Baugenehmigungen für die einzelnen Teile des Sockels. Hier gibt es zwar für einen Bauteil einen Bauantrag, der aber nach wie vor noch nicht genehmigt werden kann, weil hier noch Unterlagen nachzureichen sind.

Baugenehmigungen fehlen an jeder Ecke – Fertigstellung bis Ende 2024?

Der Entwickler Consus Real Estate, der mittlerweile zur Adler Group gehört, erklärte auf der letzten Aktionärsversammlung, dass er am geplanten Bauende festhalte. Die Verantwortlichen des Bezirks betrachten diesen Plan jedoch mit Skepsis. 

Für den Bezirksstadtrat ist es wenig wahrscheinlich, „dass mit einer Fertigstellung bis Ende 2024 gerechnet werden kann„. Besonders da nun wohl eine weitere mehrere, mehrere Monate andauernde Bauverzögerung aufgrund zusätzlicher Auflagen des Prüfstatikers eingetreten sei. Zurzeit würden laut Adler Groupspezielle Stahlbauarbeiten zum Substanzerhalt beziehungsweise zur Aufnahme der Fassadenkonstruktion“ durchgeführt werden.  

Projekt „Überlin“: Verkauf des Sockels wird angestrebt

Wie wir bereits im März 2022 berichteten und wie auf der letzten Aktionärsversammlung bestätigt wurde, plant Consus Real Estate den Verkauf des Sockelgebäudes. Dieses Vorhaben könnte mitverantwortlich für viele Unsicherheiten des Projekts sein, auch wenn die Adler Group beteuert, dass der Verkauf „keinen Einfluss auf die Planung oder den Fortschritt des Projektes“ haben würde.

Laut Michael Kunert, Aktionärsschützer der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, ist „das ganze Projekt ein Desaster und trägt zur prekären Lage der Gesellschaft bei„. Die Consus-Aktie sei Kunert nach „ein reines Zockerpapier„.

Das Land Berlin steht nun ohne weitere Druckmittel da – was nun?

Das Problem für Berlin liegt nun darin, dass der Senat keine Sanktionen mehr verhängen kann, um den Bau voranzutreiben. Denn die Strafzahlung über das Nichteinhalten der Fertigstellungsfrist zu Ende 2021 über eine Million Euro hat die Firma dem Land schon gezahlt. 

Somit hat Consus Real Estate nur noch wenig zu befürchten, sollte der Bau nicht zügig weitergehen: „Ein Rücktritt (des Turms des Steglitzer Kreisels; Anm. d. Red.) an das Land Berlin ist ausgeschlossen, aber die GbR ist weiterhin zur Fertigstellung der Baumaßnahmen verpflichtet„, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen auf Anfrage zum Projekt.

Klagen von Käufern gehen ein  – „BIM“ prüft weiteres Vorgehen

Ohne Sanktionen kann das Land diese Verpflichtung jedoch kaum durchdrücken. Wie die Firma nun zur baldigen Fertigstellung gebracht werden soll, bleibt daher weiterhin unklar. Das landeseigene Berliner Immobilienmanagement (BIM) prüfe daher „die weitere Vorgehensweise„. 

Das Landgericht Berlin prüft derzeit, ob ein Abriss der Tiefgarage – wie von der Adler Group geplant – überhaupt rechtens ist. Sollte dies nicht der Fall sein, würde sich ein weiteres Problem auftun, da viele Käufer ihre Stellplätze bereits abgetreten haben. Es ist nicht ganz leicht, das Projekt „Überlin“ weiterhin zumindest halbwegs optimistisch zu betrachten. Für den Bezirk Steglitz-Zehlendorf und die Stadt Berlin könnte das Bauvorhaben in einem Desaster enden. Zu wünschen ist dies wirklich niemandem.

 

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Quellen: Adler Group, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, RBB, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Architektur Urbanistik Berlin, Deal Magazin, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

 

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