Der Nettelbeckplatz im Berliner Stadtteil Wedding soll künftig den Namen der Schwarzen Berlinerin Martha Ndumbe tragen, die 1945 im Konzentrationslager Ravensbrück starb. Die geplante Umbenennung ist Teil einer stadtweiten Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten im öffentlichen Raum.
Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat im Januar 2025 beschlossen, den Nettelbeckplatz im Berliner Stadtteil Wedding in „Martha-Ndumbe-Platz“ umzubenennen. Die feierliche Einweihung war ursprünglich für das Frühjahr vorgesehen. Neben einer offiziellen Benennung soll auch eine Informationstafel aufgestellt werden, die Leben und Bedeutung der neuen Namensgeberin würdigt. Damit reagiert der Bezirk auf die langjährige Kritik an der bisherigen Platzbenennung nach Joachim Nettelbeck, der als Obersteuermann am transatlantischen Versklavungshandel beteiligt war.
Inzwischen ist jedoch klar, dass sich die Umsetzung verzögert. Laut Bezirksamt ließen sich die angestrebten Zeitpläne nicht realisieren, da die Verwaltungsabläufe komplexer waren als zunächst angenommen, so t-online. Die Umbenennung solle nun nach der parlamentarischen Sommerpause im September erfolgen. Da keine Personen offiziell mit dem Nettelbeckplatz als Postadresse gemeldet sind, gelten Einwände durch Anwohnende als unwahrscheinlich. Formale Hindernisse stehen der Umbenennung daher kaum noch entgegen.
Martha Ndumbe: Ein Leben zwischen rassistischer Ausgrenzung, patriarchaler Gewalt und NS-Verfolgung
Martha Ndumbe wurde 1902 in Berlin geboren. Ihr Vater, Jacob Ndumbe, stammte aus Douala in Kamerun und war 1896 im Rahmen der ersten Deutschen Kolonialausstellung nach Berlin gebracht worden – einer Veranstaltung, bei der Menschen aus kolonisierten Gebieten zur Schau gestellt wurden. Ihre Mutter, Dorothea Grunwaldt, kam aus Hamburg.
Martha wuchs unter prekären Bedingungen auf. Ihr Vater verstarb früh in einer psychiatrischen Einrichtung, und auch ihre eigene Tochter überlebte das Säuglingsalter nicht. Aufgrund des strukturellen Rassismus in der deutschen Gesellschaft hatte Martha kaum Zugang zu Bildung oder regulärer Erwerbsarbeit. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, war sie gezwungen, in der Prostitution zu arbeiten. Immer wieder wurde sie wegen Bagatelldelikten inhaftiert.
Erinnerungspolitik im öffentlichen Raum: Vom kolonialen Erbe zur Sichtbarkeit marginalisierter Geschichte
Mit der Umbenennung des Platzes soll nicht nur eine Frau geehrt werden, die Opfer rassistischer und patriarchaler Gewalt wurde – sie steht auch für viele weitere, marginalisierte Biografien, die in der deutschen Erinnerungskultur lange unsichtbar blieben. Der neue Name ist Teil einer breiteren Bewegung, den öffentlichen Raum zu dekolonisieren.
Der bisherige Namensgeber, Joachim Nettelbeck, war als Offizier auf einem niederländischen Sklavenschiff tätig und propagierte den Kolonialhandel. Erst auf Druck zivilgesellschaftlicher Initiativen wie Straßenlärm Berlin e.V. nahm die BVV Mitte 2021 ein Umbenennungsverfahren auf. Aus über 500 Vorschlägen wählte ein Gremium drei Namen Schwarzer Berlinerinnen – am Ende fiel die Wahl auf Martha Ndumbe.
Stolperstein für Martha Ndumbe: Erinnerung an ein verdrängtes Kapitel der NS-Verfolgung
An Martha Ndumbe wird bereits seit 2021 auch im Berliner Stadtraum erinnert: In der Max-Beer-Straße 24 im Bezirk Mitte, ihrer letzten bekannten Wohnadresse, wurde ein Stolperstein für sie verlegt. Er erinnert an ihr Leben und ihr gewaltsames Sterben im Konzentrationslager Ravensbrück.
Ndumbe gehört damit zu einer kleinen Gruppe Schwarzer NS-Opfer, denen im Rahmen der Stolperstein-Initiative ein öffentliches Gedenken zuteilwird – ein Schritt hin zu einer inklusiveren Erinnerungskultur, die auch rassistische Verfolgung sichtbar macht.
Quellen: Stolpersteine in Berlin, Bezirksamt Mitte, t-online, Weddingweiser, Wikipedia, Taz, tip Berlin