Michael Weselys Fotomontagen zeigen Berlin an der Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Ausstellung in der historischen Papierhalle in Berlin-Kreuzberg lässt die Zerstörung von 1945 und den heutigen Stadtalltag auf eindrucksvolle Weise miteinander verschmelzen.

Ausstellung in Kreuzberg: Wesely zeigt ausschließlich Fotografien aus dem kriegszerstörten Berlin, die er mit aktuellen Aufnahmen derselben Orte kombiniert – überlagert oder überblendet. / © Foto: Michael Wesely
© Foto Titelbild: IMAGO / Mauersberger
© übrige Fotos: Michael Wesely
Zur gestrigen abendlichen Ausstellungseröffnung der von Michael Wesely gezeigten Bilder waren zahlreiche Interessierte der Einladung des Wasmuth-Verlags gefolgt. Im ersten Teil des Abends wies der Fotokünstler in seinen Grußworten auf seine Intentionen hin, die ihn bereits vor vier Jahren zu dieser mit 54 Bildern zwar überschaubaren, aber doch eindringlichen Fotomontage inspirierten.
„Im Prinzip laufen wir bei unserem Weg in eine ungewisse Zukunft noch immer auf den Trümmern von 1945 herum, auch wenn wir sie nicht mehr sehen“, so Wesely.
Die Folgen der Kriegszerstörungen: Disharmonie an vielen Berliner Plätzen
Wenn er an diesen Orten vorbeikam oder verweilte, spürte er eine „Disharmonie des Raumes, die so doch gar nicht sein kann“, kommentierte Wesely ergänzend seine Arbeiten. Bei den in der Papierhalle des ehemaligen Zeitungsviertels – die der Wasmuth-Verlag mittlerweile als Ausstellungsraum nutzt – präsentierten Bildern handelt es sich um einen Auszug aus dem Werkkomplex „Doubleday“.
Darin zeigt Wesely ausschließlich Fotografien aus dem kriegszerstörten Berlin, die er mit aktuellen Aufnahmen derselben Orte kombiniert – überlagert oder überblendet. Anlass dieser Bildergalerie ist die Erinnerung an das kriegszerstörte Berlin vor 80 Jahren sowie die Darstellung der dort stattgefundenen Entwicklungen mit Abrissen, Neuplanungen und Rekonstruktionen.
Fotos von Michael Wesely: Drei herausgehobene Standorte
Herausgehoben erscheint dabei der Alexanderplatz mit der nicht mehr vorhandenen Georgenkirche und der zu DDR-Zeiten aufgestellten Weltzeituhr, die Wessely in einem Bild überblendet. Auch Schinkels „Altes Museum“, stark beschädigt, wird in Kombination mit einem Panzerwrack ins Bild gesetzt.
Ein silberfarbener Reisebus am Lustgarten wird überlagert von einem Foto mit verlorenen Paaren und Passanten aus dem Jahr 1945 – eine Verbindung von Gestern und Heute.
Weselys Überblendungen: Bezugnahme auf Gorny und Badekow
Michael Wesely nimmt in seinen Arbeiten auch Bezug auf die bekannten Fotografen Hein Gorny und Martin Badekow, die in den Jahren 1945/46 Aufnahmen gemacht haben. Wesely fotografiert dieselben Standorte erneut und fügt Alt und Neu zu einem neuen Bild zusammen.
Das Ergebnis sind Langzeitbelichtungen der Vergangenheit, durch die unsere Gegenwart hindurchscheint. Im Prinzip erlebt man bei der Betrachtung von Wesselys Bildern die „Stunde Null“: das Zerstörte von 1945 und die heutige Realität – überblendet und vielleicht auch als Basis für das Kommende, das hoffentlich nicht erneut zerstört wird.
Lesungen aus Tagebüchern und Briefen
Im zweiten Teil des Abends, zur Erinnerung an die damaligen katastrophalen Geschehnisse, wurden fünf Lesungen vorgetragen – unter anderem mit Texten von Victor Klemperer und Werner von Kiekebusch. Deren persönliche Erinnerungen an die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs wurden dokumentiert und bewahrt – für die Nachgeborenen als wichtige Zeugnisse einer Zeitenwende.
Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Juni 2025 zu sehen – und unbedingt empfehlenswert.

Ausstellungseröffnung am 6. Mai in der Papierhalle (Berlin-Kreuzberg). Fotograf Michael Wesely war persönlich zugegen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Quellen: Wasmuth-Zolen-Verlag, Michael Wessely