Flanierende Menschen mischen sich mit dem lebendigen Treiben der Stadt, während Cafés und Boutiquen den Boulevard zieren. Zwischen Bleichenfleet und Alsterfleet, Rathausmarkt und Jungfernstieg zieht sich der Alte Wall wie ein schmaler Gral durch die glänzenden Fassaden von Luxusrestaurants und modernen Hotels. Doch seine Geschichte reicht weit zurück: Kaum vorstellbar, dass der Alte Wall einst als Müllkippe verwendet wurde.

Hamburgs Alter Wall: Eine Zeichnung der Neubebauung nach dem Großen Brand, ca. 1850 / © Wikimedia Commons
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons / Uwe Rohwedder
Der Name selbst erinnert noch an die Ursprünge dieses Ortes: Der Alte Wall war Teil der mittelalterlichen Hamburger Stadtbefestigung und wurde ab 1480 errichtet. Die Bezeichnung „Dreckwall“ für diese Gegend ist historisch belegt. Unklar bleibt, ob der Begriff auf die schlechte Bodenqualität der Alsterniederung oder auf den Straßenabfall, den sogenannten „Gassenkummer“, anspielte, der beim Bau des Walls verwendet wurde.
Laut anderen Quellen diente der Wall erst nach der Errichtung des Neuen Walls um 1560 – mit Bleichenfleet und Herrengrabenfleet als neuem Wallgraben – zeitweise als Müllkippe, ähnlich wie der Meßberg am gegenüberliegenden Ende der Stadt. Die volkstümliche Bezeichnung wurde anschließend auf die dort angelegte Straße übertragen.
Aufgrund eines langjährigen Konflikts mit dem benachbarten Altona, das damals noch zum Königreich Dänemark und nicht zu Hamburg gehörte, begann im frühen 16. Jahrhundert der Bau einer weiteren Wallanlage. 1624 wurde der „Neue Wall“ eröffnet, der Hamburg fortan vor Kriegen schützte sollte.
Hamburg im 16. Jahrhundert: Jüdische Gemeinde und kulturelle Bedeutung am Alten Wall
Mit der Ansiedlung sephardischer Juden aus Portugal ab 1580 nahm die Gegend am Alten Wall eine besondere kulturelle Bedeutung an. Die jüdische Gemeinde, die sich hier niederließ, gründete 1612 den ersten jüdischen Betsaal der sephardischen Gemeinde „Newe Schalom“ am Alten Wall 48/49. Diese religiöse Nutzung des Alten Walls setzte sich auch im 18. Jahrhundert fort, als auch die Altonaer und Wandsbeker jüdischen Gemeinden hier Beträume hatten.
Der verheerende Große Brand von 1842 zerstörte dann aber die gesamte Bebauung in der Hamburger Innenstadt. Einzig das erst 1841 eröffnete Börsengebäude am Adolphsplatz blieb weitgehend unversehrt. Tausende Menschen verloren ihr Zuhause und Hunderte ihr Leben.
Neubebauung nach dem Großen Brand von 1842: Banken, Handelshäuser und öffentliche Gebäude
Im 19. Jahrhundert prägten vor allem Banken, Handelshäuser und öffentliche Gebäude das Bild der Straße, die zum Finanzdistrikt Hamburgs wurde. Mit der Errichtung des Alsterarkaden, des Rathauses und der zunehmenden Bedeutung des nahegelegenen Jungfernstiegs wurde der Alte Wall zu einer gefragten Lage für Geschäftsleute und Finanziers. Heinrich Heine speiste hier Delikatessen von Pariser Qualität, zur Jahrhundertwende pulsierten Einkauf und Handel entlang eines mondänen Boulevards.
In den Jahren 1908 uns 1909 entstand das Kontorhaus am Alten Wall 12, entworfen von den Architekten Emil Schaudt und Emil Janda. Doch bereits 1910 verlagerte sich das Einkaufszentrum Hamburgs mit der Eröffnung der Mönckebergstraße, die bis heute eine der wichtigsten Einkaufsstraßen der Stadt ist.
Revitalisierung und moderne Projekte am Alten Wall nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg
Die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs rissen klaffende Wunden in das Stadtbild. Besonders der Mittelbau und der Westflügel des Gebäudeensembles wurden schwer beschädigt. Eine groß angelegte Revitalisierung sollte die einstige Geschäftsstraße nicht nur in seine einstige Bedeutung zurückführen, sondern sie neu erfinden.
So errichtete die Deutsche Post zwischen 1950 und 1980 den Gebäudekomplex Alter Wall 38–40, der zunächst als Postscheckamt diente. Mit den Veränderungen im Zahlungsverhalten und den Fortschritten in der Datenverarbeitung wurde das Gebäude Ende der 1990er Jahre in ein Fünf-Sterne-Hotel umgebaut.
2010er Jahre: Großstadtboulevard im Nikolai Quartier
Unter der Leitung privater Investoren und in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Hamburg wurden zahlreiche Gebäude denkmalgerecht saniert und modernisiert. 2012 erwarb die Art-Invest Real Estate das Gebäudeensemble und ließ es zwischen 2013 und 2019 in Zusammenarbeit mit den Architekten von gmp neu gestalten. Benannt nach Marion Gräfin Dönhoff verbindet die neue 32 Meter lange Fußgänger-Brücke den Neuen Wall mit den Alsterarkaden. Sie markiert somit die Grenze zwischen Alt- und Neustadt.
Über insgesamt 13 Ebenen entstanden moderne Büroflächen, hochwertige Gastronomie und neue Einzelhandelskonzepte. Zu den aktuellen Mietern zählen unter anderem der Hamburger Herrenausstatter Ladage & Oelke, die Modemarken Uniqlo und Anthropologie sowie das Restaurant Wallter’s. Auch Kunst ist in dem Gebäude beheimatet: Auf über 3.100 Quadratmetern präsentiert das Bucerius Kunst Forum Ausstellungen von internationaler Bedeutung, dessen restaurierte Sand- und Natursteinfassade das Flair des Fin-de-Siècle von damals heute noch spiegelt.
Neubauprojekt im Hamburger Zentrum: 175 Millionen für den Alten Wall 40
Unter dem Projektnamen „Alter Wall 40“ entsteht im hinteren Straßenabschnitt Richtung Rödingsmarkt ein neues Gebäudeensemble von rund 7.000 Quadratmetern, das von der ortsansässigen Winking Froh Architekten GmbH baulich geplant wurde. Es umfasst ein Nutzungskonzept aus Büro-, Hotel- und Einzelhandelsflächen sowie 80 Wohnungen, die teilweise direkt am Alsterfleet gelegen sind. 175 Millionen Euro soll das Projekt kosten, welches die Hamburger Sparkasse als alleiniger Fremdkapitalgeber finanziert.
Darüber hinaus wird das international bekannte Boutique-Hotel The Hoxton am Alten Wall im Laufe des Jahres 2026 seine Türen öffnen. Es soll über ein öffentlich zugängliches Rooftop-Geschoss verfügen, das Gastronomie- und Eventflächen mit Blick auf die Elbphilharmonie, den Hamburger Michel und das Rathaus bietet. Das Brauhaus Joh. Albrecht kehrt ebenfalls in die neuen Räumlichkeiten zurück und will den historischen Boulevard gastronomisch wiederbeleben.
Das „Haus der Bürgerschaft“ als Anlaufstelle für alle Fraktionen
Am Alten Wall 38, direkt an der Ecke zur Adolphsbrücke, entsteht das künftige „Haus der Bürgerschaft“. Hier ziehen im Laufe des Jahres 2025 die Landtagsverwaltung und die Fraktionen ein, die bisher auf sechs Standorte in der Stadt verteilt waren. Der zentrale Standort, nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt, soll die politische Arbeit durch kurze Wege erleichtern.
Im November letzten Jahres eröffnete zudem das Paradox Museum, das interaktive Freizeitgestaltung mit Bildung kombinieren und somit physikalische Phänomene auf spielerische Weise veranschaulichen will. Wo einst Kontorhäuser und Handelsbüros das Bild prägten, symbolisiert der Alte Wall heute ein urbanes Luxusquartier, das Wirtschaft, Kultur und Gastronomie versucht zu vereinen.
Quellen: Haus der Bürgerschaft: Neue Büros für Hamburgs Politik – Hamburgische Bürgerschaft, Wikipedia