Das Wilhelmsburger Rathausviertel entwickelt sich zu einem zukunftsweisenden Modellquartier in Hamburg. Mit Fokus auf nachhaltiges Bauen, sozial durchmischte Wohnformen und neue Standards zur Kostenreduktion sollen hier vielfältige urbane Lebensräume entstehen.

Seit Februar erschließt die IBA Hamburg das Wilhelmsburger Rathausviertel und setzte dabei erstmals in Wilhelmsburg eine Verpflanzmaschine ein, um zehn rund 30 Jahre alte Großbäume an das Ufer der Rathauswettern zu versetzen. / © Foto: IBA Hamburg
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© Visualisierung Titelbild: Renderings moka-studio / Behnisch Architekten
Mit dem Wilhelmsburger Rathausviertel entsteht auf einer Fläche von rund 30 Hektar ein neues, gemischt genutztes Stadtquartier. Die verkehrsgünstige Lage nahe der S-Bahn-Station Wilhelmsburg und dem Elbinselquartier macht das Areal zu einem zentralen Entwicklungsraum im Hamburger Süden. Neben Wohnungsneubauprojekten mit rund 1.900 Wohneinheiten sind auch Studierendenwohnungen, Gewerbeflächen, Sporteinheiten und Kindertagesstätten vorgesehen.
Die Initiative wird von der IBA Hamburg GmbH gesteuert. Der städtebaulich-freiraumplanerische Entwurf stammt vom Büro DeZwarteHond in Kooperation mit RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, die 2015 aus einem öffentlichen Wettbewerb hervorgingen. Besonderheit des Verfahrens war die intensive Bürgerbeteiligung: In sogenannten „Gläsernen Werkstätten“ konnten Anwohnende ihre Perspektiven direkt in die Planungen einbringen.
Baugemeinschaften und soziale Mischung im Wilhelmsburger Rathausviertel
Ein zentrales Element der Quartiersentwicklung ist die Integration von Baugemeinschaften. Bereits im Jahr 2021 wurden im Rahmen eines innovativen Vergabeverfahrens 30 Baugemeinschaftsprojekte für die ersten sieben Baufelder im Wilhelmsburger Rathausviertel ausgewählt. Diese sollten mit individuellen Konzepten einen Beitrag zur sozialen Vielfalt und Nachbarschaftsentwicklung leisten.
In den folgenden Jahren war geplant, das Verfahren auf weitere Baufelder auszudehnen. Mit diesem Ansatz verfolgt die Stadt das Ziel, eine soziale Durchmischung zu fördern und bezahlbaren Wohnraum in unterschiedlichen Wohnformen zu realisieren. Projektkoordinator Hinz erkläre im Februar dieses Jahres, mit einem Baubeginn Anfang 2027 zu rechnen, sodass ab 2028 die ersten Bewohner einziehen könnten.
Kreislaufwirtschaft und ressourcenschonendes Bauen: Der Siegerentwurf von Behnisch Architekten
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf nachhaltigem Bauen. Im Frühjahr 2023 wurde der Siegerentwurf eines Werkstattverfahrens vorgestellt: Das Büro Behnisch Architekten überzeugte mit einem materialeffizienten, kreislauffähigen Konzept. Dabei sollen unter anderem neue Rezepturen für Recyclingbeton aus dem EU-Projekt „CIRCuiT“ zum Einsatz kommen. Der Entwurf berücksichtigt eine reduzierte Nutzung von Beton und ermöglicht durch „Switch-Wohnungen“ eine flexible Anpassung der Grundrisse.
Das erste Projekt im Quartier, realisiert von OTTO WULFF, umfasst rund 185 Wohneinheiten – darunter geförderte sowie freifinanzierte Miet- und Eigentumswohnungen – auf einem Grundstück im Süden des Quartiers nahe der ehemaligen Wilhelmsburger Reichsstraße.
Rathausviertel als Modell für „Hamburg-Standard“: Kostensenkung mit Qualität
Seit Februar 2025 wird das Wilhelmsburger Rathausviertel zudem als Modellstandort für den sogenannten „Hamburg-Standard“ genutzt – eine Initiative zur Reduzierung der Baukosten. Durch überarbeitete Standards und effizientere Abläufe sollen die Baukosten um bis zu 2.000 Euro pro Quadratmeter gesenkt werden. Ziel sei es, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ohne qualitative Einbußen in Kauf zu nehmen.
Die Initiative wurde von über 200 Fachleuten aus Verwaltung und Wirtschaft erarbeitet. Die Umsetzung im Rathausviertel soll praxisnah erfolgen und wissenschaftlich begleitet werden.
Erhalt von Baumbestand in Wilhelmsburg: Umpflanzung statt Rodung
Im Zuge der Erschließung des Areals wurde Anfang 2025 eine besondere Maßnahme umgesetzt: Zehn rund 30 Jahre alte Großbäume wurden mit einer Spezialmaschine innerhalb des Quartiers umgepflanzt. Dieses Vorgehen ist in Hamburg bislang selten und wurde von der IBA als ökologisch wie ökonomisch sinnvoll bewertet. Eine dreijährige Anwachspflege wird von der IBA übernommen, um das Anwachsen der Bäume sicherzustellen.
Mit der Umsetzung solcher Maßnahmen will das Projekt seinen Anspruch unterstreichen, Nachhaltigkeit auf mehreren Ebenen – sozial, ökologisch und wirtschaftlich – zu verankern.
Quellen: IBA Hamburg, Behnisch Architekten, Wikipedia, Architekturblatt, OTTO WULFF, Hamburger Abendblatt