Das Wohnprojekt „Wilhelmsruher Tor“ in Pankow stockte jahrelang. Der Grund dafür war eine ungewöhnliche Geruchsbelastung aus dem benachbarten Industriegebiet in Reinickendorf. Dies machte das Wohnen vor Ort kaum denkbar, argumentierte der Berliner Senat. Nun hat sich die Lage verändert, und der Bezirk Pankow denkt wieder über Wohnungsbau nach.

An der S-Bahn-Station Wilhelmsruh verläuft die Bezirksgrenze zwischen Reinickendorf und Pankow. Das in Reinickendorf gelegene Industriegebiet Flottenstraße verursachte lange Zeit Gerüche, die das Wohnen dort nahezu unmöglich machten. Durch strengere Auflagen hat sich das Problem mittlerweile teilweise gelöst. © Foto: Wikimedia Commons
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Direkt an der Bezirksgrenze zu Reinickendorf liegt im Pankower Ortsteil Wilhelmsruh ein Grundstück, das Potenzial für ein neues Wohnquartier mit rund 400 Wohnungen bietet. Doch eine Besonderheit des Standorts hat die Planungen jahrelang ausgebremst: das nahegelegene Industriegebiet Flottenstraße. Von dort ziehen seit Jahrzehnten unangenehme Gerüche über die Bahntrasse hinweg in Richtung Pankow. Diese kommen aus dem angrenzenden Industriegebiet etwa von Müll, Kakao, Kaffee oder Gießereibetrieben.
Die Geruchsbelastung war so stark, dass ein Gutachten des Bezirks Pankow im Jahr 2019 den Wohnungsbau am Standort als nicht vertretbar einstufte. Zwar leben die etwa 9.000 Anwohner und Anwohnerinnen in Wilhelmsruh schon lange mit den Gerüchen, doch Neubauten müssten heutigen Standards für gesunde Wohnverhältnisse entsprechen. Der Bezirk stoppte daraufhin die Planungen.
Neue Anforderungen an das Industriegebiet in der Flottenstraße: Technische Nachrüstungen zeigen Wirkung
Inzwischen hat sich die Situation verbessert. Neue Untersuchungen der Berliner Senatsumweltverwaltung belegen, dass verschiedene Betriebe im Industriegebiet Flottenstraße technische Maßnahmen zur Geruchsminderung umgesetzt haben, wie die Berliner Morgenpost berichtet. Besonders hervor sticht dabei eine Kakao-Fabrik, die ihre thermische Nachverbrennungsanlage optimierte und ihre Röstabteilung im Jahr 2024 stilllegte. Auch eine Müllanlage reduzierte ihre Emissionen durch verbessertes Bunkermanagement und strengere Annahmeregeln. Eine Kaffeerösterei legte einen von drei Röstern bereits 2022 still.
Die Auswirkungen zeigen sich deutlich: Laut Senat ist die Zahl der Beschwerden über Gerüche in den letzten drei Jahren spürbar zurückgegangen. Die Umweltverwaltung bezeichnet die bisherigen Maßnahmen als Erfolg und sieht keinen weiteren Handlungsbedarf bei den betroffenen Betrieben.
Umsetzbare Möglichkeiten für das Wohnprojekt „Wilhelmsruher Tor“ in Pankow
Im Zentrum der aktuellen Überlegungen steht die Frage, wie das Areal an der Kopenhagener Straße künftig genutzt werden kann. Der Bezirk Pankow diskutiert dazu zwei konkrete Varianten. Die erste sieht weiterhin die ursprüngliche Planung vor: Ein vollständiges Wohnquartier mit bis zu 400 Mietwohnungen, vorzugsweise im landeseigenen Bestand, das dringend benötigten Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten schaffen würde. Diese Variante setzt jedoch voraus, dass die Geruchsbelastung dauerhaft auf ein rechtlich unbedenkliches Maß gesenkt wurde.
Die zweite Variante verfolgt einen vorsichtigeren Ansatz. Hierbei soll entlang der Bahntrasse ein länglicher Gewerberiegel errichtet werden. Dieses Gebäude würde nicht nur gewerblich nutzbare Flächen aufnehmen, sondern auch eine Art bauliche Barriere gegenüber den Gerüchen aus dem angrenzenden Industriegebiet bilden. Hinter diesem Riegel könnten dann etwa 90 Wohnungen entstehen – also nur ein Bruchteil des ursprünglich geplanten Volumens. Der Bezirk erhofft sich durch diese städtebauliche Staffelung eine rechtssichere Lösung, die sowohl die Interessen der Wohnraumschaffung als auch den Bestandsschutz für ansässige Betriebe berücksichtigt.
Pankow: 400 oder nur 90 neue Mietwohnungen in Wilhelmsruh? Bezirk prüft Varianten
Gleichzeitig soll mit dem Gewerberiegel ein neuer Nutzungsmix geschaffen werden, der auch Arbeitsplätze in den Ortsteil bringt. Diese Variante gilt intern als „Risikoausgleich“, falls eine volle Wohnnutzung rechtlich oder emissionsschutzrechtlich nicht durchsetzbar ist.
Ob am Ende tatsächlich Wohnraum für 400 neue Haushalte entsteht oder ob das Areal stattdessen kleinteiliger gewerblich genutzt wird, hängt nun vom politischen Willen und der rechtlichen Bewertung der neuen Gutachten ab.
Quellen: Berliner Morgenpost, Berliner Woche, Bezirksamt Pankow