Trotz der immer akuter werdenden Wohnungsnot in Berlin werden die Chancen von intelligentem Hochbau noch immer kaum ausgeschöpft. In einer mehrteiligen Reihe zeigen wir Potenzialflächen für Hochhausprojekte im gesamten Stadtgebiet, auf denen nachhaltig die dringend benötigten Wohnungen errichtet werden könnten. Im ersten Teil der Reihe schauen wir auf das Tempelhofer Feld.
© Fotos / Visualisierungen: depositphotos.com, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler
Obwohl die rot-grün-rote Berliner Regierungskoalition mit großen Ankündigungen und dem Ziel, jährlich 20.000 Wohnungen errichten zu wollen, an den Start gegangen ist, hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt tatsächlich nicht entspannt – im Gegenteil.
Noch immer gibt es in Berlin ein jährliches Bevölkerungswachstum, welches durch die neu entstehenden Wohnungen nicht aufgegangen werden kann. Vor allem landeseigene, bezahlbare Mietwohnungen entstehen in deutlich zu geringer Zahl. Und aufgrund der steigenden Preise für Material und Energie sind neue Bauprojekte immer schwieriger umzusetzen.
Berlins Wohnungsmarkt: Flächen werden nicht oder zu zaghaft genutzt
Für den seit Jahren arg in Schieflage geratenen Berliner Wohnungsmarkt sind dies keine guten Aussichten. Hinzu kommt, dass große Potenzialprojekte auf existierenden Frei- oder Brachflächen häufig nicht vorankommen und nicht selten in den Mühlen der Berliner Bürokratie und Streitigkeiten zwischen Investoren, Senat und Bezirkspolitik hängen bleiben. Aktuell ist dies beispielsweise beim geplanten Bauprojekt auf dem ehemaligen Güterbahnhof an der Greifswalder Straße zu beobachten.
Die Langfristigkeit der Projektumsetzung gehört zu den gravierendsten Problemen der Berliner Wohnungsnot, die auch auf die teilweise Dysfunktionalität der öffentlichen Berliner Verwaltung zurückzuführen ist, die mit Personalmangel und Zuständigkeitsthemen zu kämpfen hat.
Pragmatische Lösungen gesucht: Potenzialfläche Tempelhofer Feld
Gleichzeitig fehlt der politische Pragmatismus, bestehende Potenzialflächen sinnvoll zu bebauen, ohne dafür wichtige Freiflächen im Berliner Stadtgebiet opfern zu müssen – und in weitere, langwierige Diskussionen zu rutschen.
Ein besonders augenscheinliches Beispiel ist das rund 300 Hektar große Tempelhofer Feld, welches seit 2010 für die Öffentlichkeit nutzbar ist und Berlins größte, innerstädtische Freifläche ist. Ein Freiraum, den die Nachbarinnen und Nachbarn im vergangenen Jahrzehnt liebgewonnen haben und verständlicherweise nicht mehr aufgeben wollen.
Die Bebauung des Tempelhofer Feldes gleicht einem politischen Tabuthema
Sobald jedoch die Diskussion um eine Bebauung oder Randbebauung des Tempelhofer Feldes geführt wird, ist bei Anwohnern und Nutzern häufig die Angst vor dem Verlust der Freiflächen erstes Argument gegen eine bauliche Nutzung des Areals. Dabei bietet das riesige Feld an den Rändern, die für die Freizeitgestaltung der Menschen eine deutlich untergeordnete Rolle spielt, ein großes Potenzial.
Wenn man dieses Potenzial baulich intelligent ausnutzt, könnten mehrere tausend Wohnungen entstehen, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer des Tempelhofer Feldes signifikante Einschränkungen hinnehmen müssten. Denn eine Bebauung mit Wohntürmen entlang der südlichen Grenze böte die Chance, eine Vielzahl landeseigener Wohnungen direkt am Tempelhofer Feld zu errichten.
Hochpunkte mit wenig Grundfläche: Bezahlbare Mietwohnungen sind möglich
Diese Wohnungen könnten durchgehend von landeseigenen Wohnungsbauunternehmen errichtet werden und sollten sich an modernen und nachhaltigen Hochhausprojekten privater Projektentwickler orientieren, wie sie in Berlin unter anderem vom Unternehmen UTB umgesetzt werden.
Das Unternehmen realisiert beispielsweise am Anhalter Bahnhof in Berlin-Kreuzberg ein Holz-Hochhaus, welches verschiedene Nutzungen in einem Gebäude unterbringen wird. Neben Mietwohnungen könnten in einem 15- oder 20-etagigen Hochhaus auch Flächen für Schulen, Kitas, Ärzte, Gewerbe und Einzelhandel unterkommen.
Multifunktionale Vertikalnutzung: Wohnungen, Ärzte, Kitas und Einzelhandel
Der Vorteil einer solchen Vertikalnutzung liegt auf der Hand. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses müssten keine langen Wege auf sich nehmen, um die Bedürfnisse des Alltags zu bedienen, vieles wäre fußläufig erreichbar. Da die künftigen Hochhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft entstehen, könnte jede Nutzung individuell gestaltet werden, um sich gegenseitig zu ergänzen.
Auch die so dringend benötigten Sport- und Spielflächen für Schulen und Vereine könnten in den Hochhäusern untergebracht werden – in Asien ein längst praktiziertes Vorgehen. Denn auf dem Tempelhofer Feld dürfen aufgrund des noch immer gültigen Volksentscheids keine dauerhaften Bauten wie Kabinentrakte, Flutlichtmasten oder Sportplätze errichtet werden, trotz der enormen Fläche.
Tempelhofer Feld: Bis zu 25 Wohntürme könnten am Rand entstehen
Bis zu 25 solcher Multifunktions-Hochhäuser könnten an den Rändern des Feldes entstehen, ohne das bestehende Feld massiv zu beschneiden. Benötigte Parkflächen könnten unter den Gebäuden in Tiefgaragen untergebracht werden. Schulen und Kitas könnten die Flächen des angrenzenden Feldes vielfältig und kostenfrei nutzen.
Auch die Gestaltung der Wohntürme selbst kann individuell und nachhaltig erfolgen. So könnten die Gebäude in Holz- oder Holz-Hybrid-Bauweise entstehen oder mit einer intensiven Dach- oder Fassadenbegrünung ausgestattet werden. Auf den Dächern könnten Flächen für Urban Gardening, Photovoltaik-Anlagen oder Freiräume zur gemeinschaftlichen Nutzung entstehen.
Klimaneutrale Energieversorgung und Urban Gardening
So könnte die Energieversorgung der Hochhäuser größtenteils klimaneutral erfolgen. Eine grüne Fassadengestaltung und die Verwendung natürlich nachwachsender Baustoffe würde zudem einen klaren Bezug zum naturbelassenen Charakter des Tempelhofer Feldes herstellen.
Allein das zahlenmäßige Potenzial einer solchen Bebauung liegt auf der Hand. Je nach Höhe der Gebäude und Größe der entstehenden Wohnungen könnten ohne weiteres 2.500 bis 3.000 neue Wohnungen entstehen. Und diese neuen Wohnungen wären keine Trabantenstadt am Rande Berlins, sondern lägen in einem ausgesprochen attraktiven und infrastrukturell bestens erschlossenen Areal im Zentrum der Hauptstadt.
Berlin kann sich den Freiraum Tempelhofer Feld längst nicht mehr leisten
Das Tempelhofer Feld ist seit vielen Jahren eine Art rotes Tuch der Berliner Stadtentwicklung, trotz vieler Engpässe für Sport-, Bildungs- und Wohnungsflächen. Die Stadt leistet sich hier einen Freiraum, den sie sich in dieser Größe eigentlich längst nicht mehr leisten kann.
Eine Randbebauung mit sinnvoll konzipierten, vielfältig nutzbaren Hochpunkten könnte daher als städtebaulicher und klimafreundlicher Kompromiss funktionieren, da die Menge an zu versiegelnder Fläche überschaubar wäre und der Charakter des Feldes fast unverändert bliebe.
Noch ist nicht absehbar, welche politischen Konstellationen nach der Wiederholungswahl im Februar 2023 die zukünftige Politik der Hauptstadt bestimmen werden. Die Offenheit für innovative Lösungen jedoch sollte jede neue Regierungskoalition haben. Denn die Probleme der wachsenden Stadt sind durchaus lösbar, wenn Wille, etwas Mut und Pragmatismus vorhanden sind.
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Ohne neuen Volksentscheid wird das nichts mit der Bebauung, so sinnvoll sie auch wäre.
Und mit solchen Visionen wird das Ergebnis so ausfallen wie beim letzten Mal. Besser wäre es einen internationalen Wettbewerb auszuschreiben. Dann könnte etwas wirklich grosses entstehen.
Hochhäuser können physikalisch bedingt nicht ökologisch sinnvoll sein:
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