Wie wollen wir in Zukunft wohnen – und mit wem? In Frankfurt zeigen zahlreiche gemeinschaftliche Wohnprojekte, dass bezahlbarer, inklusiver und nachhaltiger Wohnraum möglich ist. Sie setzen auf Vielfalt statt Vereinzelung und schaffen neue Formen des Zusammenlebens.

Das Wohnhausprojekt „Kolle“ soll mehr als nur Wohnfläche bieten: Hier entsteht ein Treffpunkt für die gesamte Nachbarschaft in Griesheim. / © Visualisierung: Hausprojekt Kolle
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© Foto Titelbild: Pixabay, Derks24
Frankfurt steckt mitten in einer Wohnraumkrise: Bezahlbare Wohnungen sind knapp, besonders für Familien, Alleinlebende mit geringem Einkommen oder ältere Menschen. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt wächst, doch es entstehen zunehmend Initiativen, die dem Mangel mit kreativen und gemeinschaftlichen Ansätzen begegnen wollen.
Vor allem in den letzten Jahren wurden einige soziale und gemeinschaftlich getragene Wohnprojekte realisiert. Sie setzen auf alternative Wohnformen, Inklusion, altersgerechtes Bauen und gemeinschaftlich nutzbare Flächen. In Frankfurt entstehen so Modelle, die auch neue Formen des Zusammenlebens ermöglichen. Obwohl sie sich in Größe, Altersstruktur und Konzept unterscheiden, haben sie eines gemeinsam: Sie schaffen dringend benötigten Wohnraum.
Projekt „Gemeinsam Suffizient Leben“: Fokus liegt auf dem sozialen Miteinander
Im Frankfurter Mehrgenerationenhaus „Gemeinsam Suffizient Leben“ steht der Name für gelebte Praxis. Seit 2023 wohnen hier 15 Erwachsene und 11 Kinder im Alter von wenigen Monaten bis 75 Jahren unter einem Dach. Das Projekt soll energieeffizientes Bauen mit einem gemeinschaftlich geprägten Lebensstil vereinen.
Der Entwurf des Aktivhauses legt besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und das soziale Miteinander: Mehrere gemeinschaftlich genutzte Balkone, ein großzügiger Aufenthaltsraum mit Küche sowie eine Carsharing-Station, die auch der umliegenden Nachbarschaft offensteht, sind integraler Bestandteil des Konzepts. Die Hausgemeinschaft organisiert das Zusammenleben eigenverantwortlich und basisdemokratisch. Trägerin des Projekts ist die Wohnungsbaugenossenschaft Frankfurt am Main.
Das Hilgenfeld Quartier wächst: ABG baut Wohnungsbauprojekt im Frankfurter Norden
Das Gebiet rund um den Frankfurter Norden dehnt sich aus: Hier entsteht bis 2027 das „Hilgenfeld Quartier“, ein Stadtviertel, das Raum für bis zu 2.500 Bewohnerinnen und Bewohner bieten soll. Teil des neuen Viertels wird auch das Wohnungsbauprojekt „GoN-ARTgenossen“ sein.
Im Rahmen des ersten Konzeptverfahrens für das Neubaugebiet Hilgenfeld hat sich im Frühjahr 2019 die Initiative GoN ARTgenossen e.V. gegründet. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Architekturbüro Praeger Richter entwickelte der Verein ein umfassendes Konzept für ein zentrales Quartiershaus – sowohl in architektonischer als auch in betreiberischer Hinsicht. Vorgesehen sind rund 5.000 Quadratmeter Nettogeschossfläche mit etwa 55 Wohneinheiten sowie ergänzenden Gewerbe- und Gemeinschaftsbereichen. Das Gebäude soll zukünftig von der stadteigenen ABG Holding gebaut und unterhalten werden.
Inklusion & Mehrgenerationen-Wohnen: Projekt „BeTrift“ schafft 51 Wohneinheiten
Auch im Frankfurter Süd-Westen entstehen neue, soziale Wohnflächen: Das Bauvorhaben „BeTrift“ vereint generationenübergreifendes Wohnen mit Inklusion. Bereits 2018 begann der Bau des Wohngeno eG-Projekts, im Jahr 2022 waren die 51 teilweise geförderten Wohneinheiten dann bezugsfertig.
Hier leben Menschen verschiedener Generationen sowie mit und ohne Behinderung zusammen. Das Gebäude bietet gemeinschaftlich nutzbare Bereiche wie Laubengänge, Dachterrassen und einen großen Gemeinschaftsraum, der auch für den Stadtteil offensteht. Die Wohngeno eG versteht das Projekt als Beitrag zur Entwicklung inklusiver und zukunftsorientierter Wohnformen.
Soziales Wohnprojekt „Kollektiv Leben“: Die Miete berechnet sich nach Einkommen
In der Schöffenstraße entsteht mit dem Wohnprojekt „Kollektiv Leben“ ein solidarisch organisiertes Haus für 42 Menschen. Das Projekt, kurz „Kolle“ genannt, richtet sich an unterschiedliche Lebensformen – von Kleinfamilien bis zu Wohngemeinschaften. Neben bezahlbarem Wohnraum sind auch gemeinschaftlich nutzbare Flächen wie ein Kreativraum und ein Nachbarschaftstreffpunkt vorgesehen.
Die Mieten werden nach einem solidarischen Modell berechnet, das Einkommen und Vermögen berücksichtigt. Das Projekt wird gemeinschaftlich organisiert und im Modell des Mietshäuser-Syndikats umgesetzt.
Besichtigungssommer 2025: Gemeinschaftliches Wohnen öffnet Pforten besonderer Wohnprojekte
In Anbetracht dieser Wohnprojekte wird deutlich: in Frankfurt tut sich etwas. Vor allem die Vielfältigkeit der verschiedenen Konzepte, bei denen meist Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen ist bemerkenswert. Diese gemeinschaftlichen Wohnungsbauprojekte waren Teil des „Tag des offenen Wohnprojekts“, der am 10.05. stattfand. Hierbei konnten Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Vorträge und Besichtigungen erste Einblicke in die Wohngebäude werfen.
Die Organisatorinnen und Organisatoren der Landesberatungsstelle Gemeinschaftliches Wohnen möchten dieses Jahr jedoch noch mehr Einblicke möglich machen: Interessierte haben von Mai bis September im Rahmen des „Sommer der Wohnprojekte“ die Möglichkeit, verschiedene Projekte in ganz Hessen kennenzulernen.
Soziale Wohnprojekte in Frankfurt: Ein tragfähiger Bestandteil der Stadtentwicklung?
Die vorgestellten Projekte schaffen nicht nur bezahlbaren Wohnraum, sondern auch soziale Räume, die Inklusion, Vielfalt und Nachhaltigkeit fördern. Sie bringen Menschen zusammen, die gemeinschaftlich leben und wohnen wollen – in einem städtischen Umfeld, das oft von Anonymität geprägt ist.
Dennoch bleibt die Frage, ob solche Projekte in der Breite skalierbar sind. Denn trotz wachsendem Interesse fehlt es vielerorts an Grundstücken, Finanzierungsmöglichkeiten oder politischen Rahmenbedingungen. Die kommenden Jahre werden zeigen, inwieweit gemeinschaftliches Wohnen ein tragfähiger Bestandteil zukünftiger Stadtentwicklung in Frankfurt wird – oder eine soziale Randerscheinung bleibt.

Das Wohnungsbauprojekt der Initiative „GoN ARTgenossen e.V.“ entsteht im Frankfurter Norden. Der Verein betont in einer Pressemitteilung: „Unser Haus soll uns Heimat sein und dem Viertel einen Mittelpunkt geben, wo Bildung, Kunst und Kultur und Diversität ein Zuhause haben.“ / © Darstellung: GoN Artgenossen

Der Wohnungsbau der „GoN ARTgenossen“ wird Teil des Hilgenfeld-Quartiers, das bis 2027 fertiggestellt werden soll. Der Neubau wird über einen Innenhof verfügen uns sich am Rand des Quartierszentrums befinden. Neben diesem Projekt werden hier auch zahlreiche andere Wohnbauprojekte realisiert. / © Visualisierung: ABG Frankfurt Holding
Quellen: gemeinschaftliches Wohnen Frankfurt, Hausprojekt Kolle, Wohngeno eG, GoN ARTgenossen, ABG Holding, Wohnungsbaugenossenschaft Frankfurt am Main, Gemeinsam Suffizient Leben, DGJ Architektur GmbH