Nach Jahren ergebnisloser Diskussionen um einen neuen Standort für die Berliner Zentral- und Landesbibliothek und stockenden Verhandlungen über einen Umzug in das bisherige Gebäude der Galeries Lafayette bringt Kultursenator Joe Chialo das Galeria-Kaufhaus am Alexanderplatz als Option ins Spiel. Verhandlungen mit dem Eigentümer der Immobilie sollen im Oktober beginnen.
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons
Text: Björn Leffler
Im August 2023 waren die spektakulären Pläne von Kultursenator Joe Chialo (CDU) öffentlich geworden, in den frei werdenden Flächen des Kaufhauses Galeries Lafayette den neuen Standort der Zentral- und Landesbibliothek unterzubringen. Das Unternehmen Galeries Lafayette mit seinem Stammhaus in Paris zieht sich derzeit von seinen internationalen Standorten zurück.
Grund für den Rückzug sei die immer schwieriger werdende Lage des Einzelhandels, von dem viele klassische Kaufhäuser betroffen sind. Das Modekaufhaus hatte seine Berliner Filiale im Februar 1996 eröffnet, mittlerweile sind die Ladenflächen leergezogen, der Berliner Standort ist geschlossen.
Galeries Lafayette in der Friedrichstraße: Eigentümer der Immobilie möchte das Gebäude umbauen
Der Eigentümer der Immobilie, das Unternehmen Tishman Speyer Properties, hat sich wohl bereits seit längerem mit Umbauplänen für das Gebäude beschäftigt und kann sich auch eine Büronutzung in dem Gebäude vorstellen.
Chialo sah das Gebäude als idealen Standort für die geplante Zetral- und Landesbibliothek (ZLB), deren Realisierung in den vergangenen Jahren immer wieder verschoben wurde. In diesem Zusammenhang hat es auch mehrfach Verhandlungen mit dem Berliner Senat gegeben haben, denn das Land Berlin hat gegenüber Tishman Speyer sein Interesse bekundet, das Gebäude anzumieten und entsprechend umzubauen.
Joe Chialo sucht nach Alternativen für Friedrichstraße – neuer ZLB-Standort am Alexanderplatz?
Die Verhandlungen scheinen jedoch nicht sonderlich zielführend zu sein, das Projekt kommt dem Vernehmen nach nicht wirklich von der Stelle, weshalb Chialo nun offenbar andere Standorte für die ZLB in Erwägung zieht. Die Bibliothek könnte nach einem Bericht der Berliner Morgenpost in das Kaufhausgebäude am Alexanderplatz einziehen.
Die Pläne des Immobilieneigentümers Commerz Real haben sich demnach geändert: Ursprünglich sollte der Kaufhaus-Betrieb auch nach dem Bau des derzeit wachsenden Hochhauses fortgeführt werden, trotz der anhaltenden Krise klassischer Warenhäuser und des Einzelhandels insgesamt.
Bereits im Juni waren die Alexanderplatz-Pläne für die ZLB erstmals öffentlich bekannt geworden
Doch bereits im Juni war eine Variante öffentlich geworden, nach der die Bibliothek und ein verkleinertes Kaufhaus im Gebäude untergebracht werden könnte. Commerz Real hatte die Immobilien am Alexanderplatz kurz vor der Signa-Pleite teuer gekauft und will das Hochhausprojekt nun wie geplant zu Ende bringen.
Da die ZLB jedoch auf drei Etagen mutmaßlich zu wenig Platz gefunden hätte, soll nun beim Eigentümer der Immobilie eine Option geprüft werden, das gesamte Gebäude als Standort für die zukünftig ZLB zur Verfügung zu stellen. Das wäre dann wohl gleichbedeutend mit der Schließung des Standorts Galeria Kaufhof am Alexanderplatz.
Eigentümer Commerz Real: Einzelhandel oder ZLB in der Immobilie am Alexanderplatz?
Die Pressestelle der Senatskulturverwaltung äußert sich derzeit laut Berliner Morgenpost nicht konkret zum laufenden Vorhaben: “Aufgrund des Zustandes der Bestandsgebäude in der Breiten Straße und am Blücherplatz unterstützt Senator Chialo jede Lösung, die für die ZLB eine Zukunftsfähigkeit ermöglicht.”
Ein Statement, welches im Grunde alles heißen könnte, aber keinesfalls klingt wie ein Dementi. Anders als bei den Galeries Lafayette, die ihr Haus in Berlin sowieso schließen wollten, verhandelt Chialo diesmal über ein Gebäude, das der Nutzer weiterhin beleben möchte. Nach der Insolvenz schloss Galeria mehrere Filialen in Berlin, möchte aber am Alexanderplatz eigentlich bleiben und verhandelt über einen neuen Mietvertrag.
Im Oktober sollen Verhandlungen über die künftige Nutzung des Gebäudes beginnen
Der Alexanderplatz ist bislang allerdings der einzige Berliner Standort, für den noch kein neuer Vertrag vorliegt. Commerz Real und Galeria planen wohl Verhandlungen Anfang Oktober. Ein (langfristiger) Mietvertrag mit der ZLB wäre für die Eigentümer finanziell womöglich jedoch attraktiver als einer mit der unsicheren Warenhaus-Kette.
Noch ist eine Entscheidung hier also nicht gefallen, und dem Vernehmen nach hat das Vorhaben im Berliner Senat nicht nur Freunde, unter anderem sieht Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey das Vorhaben kritisch und macht sich eher für einen “mixed use”-Standort am Alexanderplatz stark, also eine hybride Nutzung des Gebäudes mit Einzelhandel und ZLB in Koexistenz.
ZLB: Ein neuer Standort wird seit über zehn Jahren gesucht
Über einen neuen Standort für die Zentral- und Landesbibliothek wird seit über einem Jahrzehnt verhandelt und diskutiert, erst war ein kompletter Neubau im Gespräch, dann eine Erweiterung des Standortes Amerika-Gedenk-Bibliothek am Kreuzberger Blücherplatzes, auch eine Umnutzung des ICC in Charlottenburg zum ZLB-Standort war erwogen worden, sogar das Humboldt Forum war während seines Baus im Gespräch dafür.
Realisiert wurde bislang nichts davon (außer eine temporäre Erweiterung der Amerika-Gedenk-Bibliothek), so bleibt die ZLB an zwei Standorten: einer befindet sich an der Breiten Straße in Mitte, der andere am Blücherplatz in Kreuzberg. Der geplante Ausbau der dort befindlichen Amerika-Gedenk-Bibliothek war politisch eigentlich längst beschlossen, wurde seitdem jedoch von jeder Berliner Regierungskoalition auf die lange Bank geschoben – denn das Projekt wird mehrere hundert Millionen Euro verschlingen, soviel ist sicher.
Chialo sucht bestehende Immobilie, um einen teuren Neubau zu verhindern
Joe Chialo versucht nun seit seinem Amtsantritt, das Thema durch die Wahl eines völlig neuen Standortes zu lösen, der bereits eine bestehende Immobilie aufweist und lediglich einen Umbau, aber keinen kompletten Neubau erforderlich macht, um Kosten bei dem wichtigen Kulturprojekt sparen zu können.
Ob der ambitionierte Kultursenator mit diesen Plänen Erfolg haben wird, ist derzeit noch offen. Ein zentraler Standort für die ZLB sollte aber irgendwann gefunden werden, bevor das Projekt gänzlich zum nie verwirklichten Luftschloss wird. Die bisherige Dauer des Planungs- und Umsetzungsprozesses hat, wieder einmal, bereits traurige Dimensionen angenommen.
Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier:
Quellen: Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Tishman Speyer Properties, Galeries Lafayette, Immobilien Zeitung
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