Der Berliner Sportpalast war mehr als nur eine Veranstaltungshalle – er war eine Institution, in der Triumphe, Tragödien und Zeitgeschichte geschrieben wurden. Von Boxkämpfen und Jazzkonzerten bis hin zu politischen Reden spiegelte er die Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts wider. Heute ist das Gebäude aus dem Stadtbild verschwunden.

Der frisch eröffnete Sportpalast in Berlin-Schöneberg auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1910. 63 Jahre später wurde das Gebäude zugunsten eines Wohnungsbaus abgerissen. / © Foto: Wikimedia Commons / Hermann Dernburg – https://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/P/229643.php

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons / Bundesarchiv, Bild 102-10391A / CC-BY-SA 3.0

 

Die Geschichte des Berliner Sportpalastes an der Potsdamer Straße in Schöneberg ist eine sehr wechselvolle, die gespickt ist mit schillernden und tragischen Begebenheiten rund um die dort ausgetragenen Sportwettkämpfe, aber auch den sonstigen dort stattgefundenen künstlerischen und politischen Veranstaltungen.

Diese Veranstaltungshalle, als „Palast“ vom Architekten Hermann Dernburg entworfen, war eines der wichtigsten von Dernburg geplanten Bauwerke.

Berlin-Schöneberg: Der Sportpalast machte Berlin zur Weltstadt

Blickt man zurück auf die Historie dieser Veranstaltungshalle, stellt man fest, dass sie Berlin mit zu einer Weltstadt gemacht hat. Bei ihrer Eröffnung am 17. November 1910 als „Hohenzollern-Sport-Palast“ war allein die dort präsentierte Kunsteisbahn eine Sensation aufgrund ihrer Dimension von 2.400 Quadratmetern.

Als Preußischer Hofkapellmeister dirigierte Richard Strauss das Eröffnungskonzert mit Beethovens Neunter Sinfonie. Um dieses Eröffnungskonzert ranken sich amüsante Geschichten, denn beim Gang der Festredner über den roten Teppich zum Podium sollen einige auf der spiegelglatten Eisfläche ausgerutscht sein – zum Amüsement der Beobachter. Wahrscheinlich war der Teppich zu schmal.

Der Berliner Sportpalast: Anspruchsvolle Architektur und anfängliche Schwierigkeiten

Architektonisch anspruchsvoll gestaltet, versperrte nicht eine Säule im Bau den Blick auf die Veranstaltungsfläche, was einen außerordentlichen und imposanten Eindruck verschaffte. Dazu kam, dass der Architekt mit 30.000 Illuminationen, 6.000 Metallfadenlampen sowie 120 Bogenlampen Lichtverhältnisse erzeugte, die dem Palast einen feenhaften Glanz verliehen.

Der anfangs ausbleibende Publikumserfolg verursachte kurz nach der Eröffnung des Palastes ein Dilemma, denn die Betriebskosten waren hoch und konnten durch die Einnahmen nicht gedeckt werden. So kamen schnell Zweifel auf, ob sich dieser immense betriebene Aufwand für das Unternehmen tatsächlich rechnete. Betreiber war die Internationale Sportpalast-Winter-Velodrom GmbH. Der Konkurs war vorprogrammiert, sodass letztendlich nur ein schwer reicher Mäzen dem Unternehmen aus dieser misslichen Situation heraushelfen konnte.

Goldene Zwanziger sorgen für Aufschwung – Sportveranstaltungen dominieren

Die vergnügungssüchtigen „Goldenen Zwanziger“ verschafften dem Palast dann jenes Publikum, das den Veranstaltungsort zu einem erfolgreichen machen sollte, mit erstaunlich eindrucksvollen, aber auch schrecklichen Events.

Neben den auf der Kunsteisbahn dargebotenen Sportarten wie Eisschnelllaufen und Eishockey, die zu einem wahren Publikumsmagneten avancierten, wurde 1911 bereits das erste Sechstagerennen gestartet. Dies fand jährlich statt und wurde zu einer echten Berliner Tradition, auch heute noch in abgespeckter Version an einem anderen Ort.

Die Zuschauer auf den billigen Plätzen in den oberen Etagen johlten und pfiffen zum Sportpalastwalzer, der 1923 zum ersten Mal vom Orchester Otto Kermbach gespielt wurde. Die vornehmen Herrschaften in den Logen zu ebener Erde ließen sich Champagner servieren. Hier ging es mehr darum, zu sehen und gesehen zu werden.

Bereits 1911 fand im Berliner Sportpalast das erste Sechstagerennen statt

Der österreichische Schriftsteller Joseph Roth (1894–1939) machte dazu seine Notizen und merkte an: „In diesem Augenblick haben die eifrigen Radfahrer schon mehr als dreizehnhundert Kilometer zurückgelegt, ohne irgendwohin gekommen zu sein. Sie wollen ja gar nicht irgendwohin gelangen! Sie kreisen immer auf derselben Bahn, die 200 Meter lang ist und zwei Millionen Meter langweilig.

Man könnte vermuten, dass das Radrennen bei diesen Herrschaften wohl an zweiter Stelle rangierte. Im selben Jahr fand auch das erste Hallenreitturnier statt, das in der Folge und bis heute ein anhaltendes Interesse für diese Art von Sportveranstaltungen in Berlin erzeugt hat und zu einer guten Berliner Tradition geworden ist.

Max Schmeling boxte im Sportpalast: Bis zu 10.000 Zuschauer strömten in die Arena

In der Weimarer Republik war der Sportpalast Weihestätte des in Deutschland stark in Mode gekommenen Boxsports. Max Schmeling, „Maxe“ genannt, war einer der damaligen Protagonisten bei diesen Boxevents. Bis zu 10.000 Besucher aller Altersgruppen und Klassen strömten in den Palast in der Potsdamer Straße 172.

Zu diesen Boxevents wurden als Zuschauer berühmte Sänger wie Enrico Caruso und Richard Tauber, Schauspieler wie Hans Albers und Fritz Kortner sowie der „Stückeschreiber“ Bertolt Brecht eingeladen.

Inhaberwechsel 1929 – Tribüne für politische Parteien im Sportpalast

Im Jahr 1929 kam es zu einem Inhaberwechsel. Jacob Schapiro, ein russisch-jüdischer Autohändler und Börsenspekulant, übernahm das Unternehmen, das allerdings 1934 an seine Hauptgläubiger, zwei schweizerische Finanzgesellschaften, zwangsversteigert wurde. Schapiro floh 1938 vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Paris und zwei Jahre später in die Vereinigten Staaten, wo er 1942 in New York starb.

Mit Beginn der Weimarer Republik wurde der Sportpalast zunehmend von den großen Parteien für ihre Veranstaltungen genutzt. Bekannte Redner wie Heinrich Brüning, Chef der Zentrumspartei und zwischen März 1930 und Mai 1932 Reichskanzler, aber auch entschiedene Gegner der NSDAP wie Ernst Thälmann, Vorsitzender der KPD, und Wilhelm Pieck, ebenfalls ein führender Funktionär der KPD, nutzten den Palast für ihre Wahlkampfveranstaltungen.

18. Februar 1943: Joseph Goebbels hielt seine berüchtigte Propagandarede über den „totalen Krieg“

Nicht zu vergessen – und das wollen wir nicht unter den Tisch fallen lassen – Joseph Goebbels, Reichspropagandaminister, mit seiner berüchtigten Rede am 18. Februar 1943 nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad, in der er die Deutschen als Rechtfertigung für diese Schmach auf den „totalen Krieg“ einschwor.

Auch Adolf Hitler, der zuvor in verschiedenen deutschen Ländern mit einem Redeverbot belegt worden war, sprach viele Jahre zuvor, am 16. November 1928 schon einmal im Sportpalast, nachdem der Freistaat Preußen das Verbot gegen ihn aufgehoben hatte.

Aufgrund des großen Andrangs zur Goebbels-Rede wurde die Bestuhlung auf 20.000 Gäste aufgestockt

Victor Klemperer, Philosoph und Germanist, der in seinem Buch „LTI“ die Sprache des Dritten Reiches entlarvte, war an jenem 18. Februar 1943 unter den Zuhörern im Sportpalast. In seinen Notizen zu dieser Veranstaltung hielt er fest, dass an der Stirnwand der Halle nur ein einziges Spruchband gehangen hätte: „Totaler Krieg – kürzester Krieg“.

Aufgrund des großen Andrangs zu dieser Goebbels-Rede wurde die Bestuhlung des Palastes auf 20.000 Plätze aufgestockt. Der hass- und wahnerfüllte Propagandaminister bemerkte dazu in seinem Tagebuch, dass der Palast eine halbe Stunde vor Beginn „angeblich wegen Überfüllung gesperrt“ worden sei. Goebbels hatte im Sportpalast das propagandistische Potenzial der Halle erkannt und nannte sie „unsere Tribüne“.

Berliner Sportpalast: Zerstörungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges und Wiederaufbau

Im Bombenhagel von Berlin wurde der Sportpalast am 30. Januar 1944 ausgebombt. Noch während des Zweiten Weltkriegs wurde der Schutt aus der Ruine geräumt. Im Winter 1944/1945 fanden noch öffentliche Eiskunstlaufvorführungen unter freiem Himmel statt. Schneller noch als die Häuser in der Potsdamer Straße wurde der Sportpalast nach dem Krieg – zwar stark vereinfacht – wieder aufgebaut, allerdings zu Beginn ohne Dach.

Der Mann, der zur damaligen Zeit als Spiritus Rector die Wiederherstellung des Sportpalastes vorantrieb, war der Bankier, Eishockeyspieler und spätere Sportfunktionär Heinz Henschel. Dessen Bank in Steglitz, die Henschel-Bank, musste 1951 allerdings Insolvenz anmelden. Noch bevor man mit dem Ausbau des Notdaches begann, wurde der Innenraum des Palastes weiterhin als Spielfläche für Eishockey genutzt. Das Foyer des zerstörten Gebäudes wurde vorerst nicht wiedererrichtet.

Ab 1953: Neues Dach und häufige Nutzung als Konzertarena

Nach 1945 wurde der Palast hauptsächlich für Sportveranstaltungen genutzt. Im April 1953 bekam die Arena dann ein neues Dach, sodass über die Sportveranstaltungen hinaus auch Musikveranstaltungen stattfinden konnten.

Jazz-Größen wie Count Basie, Louis Armstrong, Duke Ellington und Benny Goodman füllten den Sportpalast mit begeisterten Zuschauern, aber auch die Berliner Philharmoniker brillierten im Palast mit ihrem klassischen Repertoire.

Musikalische Größen: Ella Fitzgerald, die Beach Boys und Frank Zappa gastierten in Schöneberger Sportpalast

Von Anfang bis Ende der 1960er Jahre gastierten dann musikalische Berühmtheiten und Stars wie Ella Fitzgerald (1962 mit The Lost Berlin Tapes), die Beach Boys (1966) und Frank Zappa (1968). Während und nach dem Zappa-Konzert kam es zu chaotischen Zuständen, die hauptsächlich durch jugendliche Zuschauer ausgelöst wurden. Allerdings wurde niemand verletzt, und das Mobiliar des Hauses blieb unversehrt.

Da der Spielbetrieb wirtschaftlich nicht mehr auskömmlich war und der Geschäftsführer Georg Kraeft, der jahrelang ohne staatliche Subventionen den Betrieb am Laufen hielt, bei einem Unfall unverhofft starb, wurde der Palast 1973 verkauft.

November 1973: Abriss des historischen Sportpalastes zugunsten eines Wohnungsbauprojektes

Am 13. November 1973 erwarb ein Unternehmen das Grundstück und ließ den Sportpalast zugunsten eines Wohnungsbauprojekts abreißen. An der gleichen Stelle, wo ehemals der Sportpalast stand, wurde mit dem Förderprogramm „Sozialer Wohnungsbau“ das „Pallaseum“ errichtet, im Volksmund auch „Sozialpalast“ genannt.

Dabei handelt es sich um ein lang gestrecktes Hochhaus mit zehn Geschossen und Galeriegängen auf den Wohnebenen. Der Gebäuderiegel reicht vom ehemaligen nördlichen Gelände des Sportpalastes bis zum Hochbunker in der Pallasstraße, umgangssprachlich „Sportpalast-Bunker“ genannt (südlich der Pallasstraße).

An der Pallasstraße in Schöneberg steht heute das Wohnhaus „Pallaseum“

Die Pallasstraße selbst wird mit einem Betontragwerk überbrückt, sodass eine ungehinderte Durchfahrt für den öffentlichen Straßenverkehr möglich ist. Bei dem erwähnten Hochbunker handelt es sich übrigens um ein viergeschossiges Bauwerk aus dem Zweiten Weltkrieg, das nach 1945 aufgrund seiner massiven Bauweise den vergeblichen Abrissversuchen trotzte. Bei noch größer angelegten Sprengarbeiten hätte dies weitaus stärkere Schäden in der Umgebungsbebauung verursacht.

Der Berliner Sportpalast war über Jahrzehnte eine prägende Institution der Stadt, die sowohl sportliche als auch kulturelle und politische Geschichte schrieb. Mit seinem Abriss 1973 verschwand ein Wahrzeichen, doch sein Erbe bleibt durch die Erinnerungen an große Momente und tragische Ereignisse unvergessen. Heute erinnert immerhin noch eine Gedenktafel an die einstige Sport- und Kulturarena.

 

© Foto: Wikimedia Commons

Der Sportpalast kurz vor seinem Abriss im Jahr 1973. / © Foto: Wikimedia Commons, Willy Pragher

Heute erinnert eine Gedenktafel an die einstige Veranstaltungs- und Sportarena. / © Foto: Wikimedia Commons, OFTW

Quellen: Wikipedia, Deutsches Architektur Forum

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