3.500 Wohnungen, neue Gewerbeflächen und eine nachhaltige Infrastruktur – das Projekt „27 Hektar Möglichkeiten“ will Stadtentwicklung neu definieren. Doch die politische Hürde für die Umwandlung des Gewerbeareals in Alt-Hohenschönhausen bleibt hoch. Das Projekt zeigt: Zwischen Vision und politischer Realität klafft, wie so häufig, eine große Lücke.

Das Vorhaben „27 Hektar Möglichkeiten“ soll brachliegende Flächen im Berliner Osten in ein lebendiges Quartier verwandeln – doch der Berliner Senat bremst das Vorhaben aus. / © Foto: ZEITGEIST

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Text: Björn Leffler

 

Im Osten Berlins liegt das derzeit größte zusammenhängende Gewerbeareal der Hauptstadt. Der Name des Areals ist „Berlin eastside“. Das Gebiet befindet sich in den Berliner Ortsteilen Marzahn (Bezirk Marzahn-Hellersdorf), Lichtenberg, Alt-Hohenschönhausen und Neu-Hohenschönhausen (jeweils Bezirk Lichtenberg).

Die Größe des Geländes ist tatsächlich bemerkenswert. Über eine Fläche von insgesamt 1.200 Hektar erstreckt sich das Gelände, welches vollerschlossene Grundstücke, Gewerbe- und Büroflächen sowie eine umfassende Logistik-Infrastruktur beherbergt.

Lichtenberg: Projekt „27 Hektar Möglichkeiten“ in Planung

Einen Teil dieses Areals möchte ein Investor in den kommenden Jahren in ein gemischt genutztes Quartier umwandeln, auf einer Fläche von immerhin 27 Hektar. Daher leitet sich auch der Projektname des Vorhabens ab: „27 Hektar Möglichkeiten“.

Die Fläche, um die es dabei geht, befindet sich südlich der Gärtnerstraße im Zentrum des Bezirks Lichtenberg. Das Areal wirkt heute tatsächlich nicht optimal genutzt. Ein Großteil des von Wohnquartieren umgebenen Geländes liegt heute brach. Dazwischen sind einzelne Betriebe angesiedelt, die die Flächen vor allem zur Lagerung von Autos und Ersatzteilen nutzen.

Das Gewerbegebiet ist von mehreren Wohnquartieren eingerahmt

Produzierendes Gewerbe befindet sich nicht auf dem Gelände. Inmitten eines dichten Wohngebiets finden sich somit zahlreiche ungenutzte Quadratmeter, die nach den Vorstellungen des Standortentwicklers ZEITGEIST, der hinter dem aktuellen Vorhaben steckt, sehr viel besser genutzt werden könnten.

Auf dem Gelände soll in den kommenden Jahren ein vollkommen neues Quartier entstehen und gleichzeitig ein Treffpunkt, der den Stadtteil Hohenschönhausen beleben soll. Dabei sollen nach Aussage der Investoren bezahlbare Wohnungen, Gewerbe und Bildungseinrichtungen entstehen sowie eine „Stadt der kurzen Wege“.

3.500 neue Wohnungen sollen in Hohenschönhausen entstehen

Zudem sollen viele Frei- und Grünflächen errichtet werden. Das heutige Areals ist nahezu vollständig versiegelt. Insgesamt 3.500 neue Wohnungen sollen im Zuge des Projekts entstehen, rund 30 Prozent davon als Sozialwohnungen.

Den bisher auf dem Gelände sitzenden Unternehmen wurde garantiert, dass sie ihre Gewerbe am bisherigen Standort weiterbetreiben können. Denn die gewerbliche Nutzung soll zukünftig noch deutlich stärker ausfallen, durch eine optimalere Nutzung der vorhandenen Flächen.

Bessere Flächennutzung: Aus 60.000 m² Gewerbeflächen sollen 120.000 m² werden

Derzeit stehen auf dem Areal rund 60.000 Quadratmeter für Gewerbeflächen zur Verfügung, zukünftig sollen es 120.000 Quadratmeter sein. Rund eine Milliarde Euro wollen die Projektinitiatoren in das Vorhaben „27 Hektar Möglichkeiten“ investieren.

Um die Vision vom gemischt genutzten Quartier wahr zu machen, benötigt es allerdings auch die Unterstützung aus der Politik. Und da wird es, natürlich, kompliziert.Denn bislang lässt das derzeitige Baurecht nur die wenigen Gewerbenutzungen und keine sonstigen Nutzungen wie Wohnungen, Schulen oder Kitas zu – obwohl das Areal von Wohnquartieren umgeben ist.

Für die Umsetzung des Projekts muss der Bebauungsplan verändert werden

Um das heutige Gelände in ein Quartier gemäß der „Berliner Mischung“ aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit zu verwandeln, ist eine umfassende Anpassung des Bebauungsplans notwendig. Im Bezirk Lichtenberg wird das Projekt bislang überwiegend positiv bewertet, Gegenwind gibt es hingegen aus dem Berliner Senat.

Anfang Oktober hatte das Bezirksamt Lichtenberg den Aufstellungsbeschluss für das Areal gefasst, um den Bebauungsplan zu erarbeiten. Dieser Prozess dürfte jedoch noch dauern, da die Wirtschaftsverwaltung darauf achtet, Flächen für größere Industriebetriebe, die innerhalb der Berliner Stadtgrenzen liegen, nicht vorschnell umzuplanen.

Der Berliner Senat steht einer Umwidmung des industriell genutzten Geländes skeptisch gegenüber

Ende November besuchte Staatssekretär Severin Fischer (SPD) auf Einladung der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) eine Diskussionsveranstaltung in Alt-Hohenschönhausen, wie kürzlich Der Tagesspiegel berichtete. Mathias Hellriegel, Berliner Baurechtler und Moderator, merkte im Rahmen der Diskussion an, dass Großansiedlungen in Berlin oft an fehlendem Wohnraum scheitern. Die Wohnungsfrage sei ein Wirtschaftsfaktor geworden.

Fischer entgegnete, dass man bei Mischnutzungen vorsichtig sein müsse, da diese oft dazu führen, dass Wohnprojekte Vorrang erhalten und Gewerbe verdrängt wird. Er betonte jedoch, dass man bereit sei, entgegenzukommen, wenn sich Projektentwickler aktiv um Gewerbeansiedlungen bemühten. Er warnte aber zugleich vor einer möglichen Preisspirale und Bodenspekulation.

Peter Noack, Gründer des Projektentwicklers ZEITGEIST, ergänzte, dass die Anforderungen moderner Arbeitskräfte sich änderten. Viele wünschten sich eine stärkere Verbindung von Wohnen und Arbeiten, statt lange Pendelzeiten in Kauf zu nehmen. Er kritisierte, dass in der Politik oft das Gespür dafür fehle, was zukünftig gebraucht werde.

Alt-Hohenschönhausen: Anwohner wünschen sich Schwimmhalle, Ärztehaus und Sportflächen

Was sich die Menschen für die Entwicklung des Geländes in Alt-Hohenschönhausen wünschen, hat der Projektentwickler bereits erfragt. Neben einer gemischten Nutzung soll das neue Quartier auch nachhaltig entwickelt werden, mit eigener Energieversorgung und einer großflächigen Entsiegelung der heute versiegelten Bodenflächen.

Anwohnerinnen und Anwohner hatten in den vergangenen Jahren bereits vermehrt die Möglichkeit, ihre Wünsche und Vorstellungen für eine Entwicklung des Areals einzubringen. Darunter war etwa der Bau einer neuen Schwimmhalle, die Einrichtung eines Ärztehauses mit unterschiedlichen Fachrichtungen oder Grünbereiche mit Sportflächen.

„27 Hektar Möglichkeiten“: Chance für eine Aufwertung des Stadtraums

In einer von ZEITGEIST vorgenommenen Bezirksumfrage stimmten rund 82 Prozent der Beteiligten für eine Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und sozialer Infrastruktur. Die Projektentwickler gehen dabei, Stand heute, von einem Entwicklungszeitraum von bis zu zehn Jahren aus, um das gesamte Areal neu zu entwickeln und zu transformieren. Eines der ersten, bereits freigegebenen Projekte ist etwa ein Hotel in modularer Holzbauweise, welches auf dem Areal entstehen soll.

Doch die Projektentwickler brauchen für die Umsetzung ihres vollständigen städtebaulichen Konzepts im Osten Berlins den Rückenwind der Berliner Politik. Und hierfür ist, dass haben auch andere Projekte schon gezeigt, häufig ein langer, sehr langer Atem gefragt. Es wird wohl auch beim ambitionierten Projekt „27 Hektar Möglichkeiten“ so sein.

 

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Quellen: rav PropCo DE Hohenschönhausen GmbH & Co. KG, Zeitgeist, Berliner Zeitung, Wikipedia