An der Michelangelostraße in Prenzlauer Berg sollte eines der größten Wohnungsbauprojekte Berlins entstehen. Doch der Plan, 1.200 neue Wohnungen in einem der begehrtesten Bezirke der Stadt zu schaffen, ist ins Stocken geraten. Der Grund: Ein juristischer Streit um die Grundstücke, die während der NS-Zeit enteignet wurden.
© Fotos: Olaf Schulz via imago
Text: Stephanie Engler
Das Bauvorhaben an der Michelangelostraße umfasst die Nachverdichtung einer bestehenden Plattenbausiedlung aus DDR-Zeiten. Geplant ist der Bau von insgesamt 1.200 neuen Wohnungen, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Neben den Wohnungen sollen zwei sogenannte Quartiersgaragen entstehen, die 2.000 wegfallende Parkplätze kompensieren sollen.
Das Projekt ist Teil einer umfassenden städtischen Nachverdichtungsstrategie, mit der der Berliner Senat der Wohnungsnot entgegenwirken möchte. Doch die Pläne stoßen auf Widerstand: Anwohnende und Bürgerinitiativen haben wiederholt auf die Herausforderungen einer so dichten Bebauung hingewiesen. Zu den Kritikpunkten zählen der Verlust von Grünflächen, die Belastung durch den Bauverkehr und eine bislang unzureichende Verkehrsinfrastruktur.
Nach NS-Enteignung und DDR-Weiternutzung: Eigentumsrechte an Grundstücken noch unklar
Ein wesentliches Hindernis für die Realisierung des Projekts sind die Eigentumsrechte an den Grundstücken. Während der NS-Zeit wurden die Flächen jüdischen Familien enteignet und später durch die DDR weitergenutzt. Nach der Wiedervereinigung wurden die Grundstücke in den Besitz der Bundesrepublik überführt, die sie letztlich dem Land Berlin übergab.
Die Jüdische Gemeinde Berlin fordert nun eine symbolische Anerkennung des damaligen Unrechts sowie finanzielle Entschädigungen. Angesichts der historischen Dimension des Falls steht der Berliner Senat unter besonderem Druck. Der Versuch, eine schnelle außergerichtliche Einigung zu erzielen, ist bislang jedoch gescheitert. Stattdessen droht ein langwieriger Prozess, der das gesamte Bauvorhaben um Jahre verzögern könnte.
Bauvorhaben an der Michelangelostraße: Entschädigung könnte in Millionenhöhe gehen
Der juristische Streit hat nicht nur symbolische, sondern auch finanzielle Dimensionen. Sollte der Berliner Senat zur Zahlung von Entschädigungen verpflichtet werden, könnten die Kosten in Millionenhöhe gehen und das Budget für städtische Bauprojekte erheblich belasten. Diese Unsicherheiten machen es schwer, das Bauvorhaben an der Michelangelostraße voranzutreiben.
Henner Bastian vom Bezirksamt Pankow erklärte, dass die Klärung der Eigentumsrechte eine zentrale Herausforderung darstelle. Ohne eine Lösung dieses Konflikts könne das Bauprojekt nicht beginnen. Auch die Jüdische Gemeinde habe betont, sie sei nicht bereit, auf ihre Rechte zu verzichten, und fordere eine gerechte Regelung.
Hohe Bebauungsdichte und Wegfall von Grünflächen: Anwohnende und Bürgerinitiativen kritisieren das Projekt
Parallel zu den juristischen Auseinandersetzungen wächst der Widerstand in der Nachbarschaft. Der Verein Lebensqualität an der Michelangelostraße e. V. hat mehrfach betont, dass das Projekt in seiner aktuellen Form zu massiven Belastungen für die Anwohnenden führen würde. Kritisiert werden vor allem die hohe Bebauungsdichte und der Wegfall von Grünflächen, die bisher als Erholungsraum dienen.
Zudem bemängelt der Verein die fehlende Berücksichtigung von Infrastrukturmaßnahmen. So sei bislang keine verbesserte Anbindung an den Nahverkehr vorgesehen, obwohl der Tram-Verkehr als Hauptverkehrsmittel für die neuen Bewohnerinnen und Bewohner eine wichtige Rolle spielen würde. Der Verein fordert, dass die Planungen überarbeitet und stärker auf Nachhaltigkeit und Lebensqualität ausgerichtet werden.
Nachverdichtungen wie an der Michelangelostraße: Zwischen Anspruch und Realität
Das Bauprojekt an der Michelangelostraße verdeutlicht die Herausforderungen, mit denen die moderne Stadtentwicklung in Berlin konfrontiert ist. Während der Druck, dringend benötigten Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen, stetig zunimmt, sorgen rechtliche, historische und städtebauliche Komplikationen immer wieder für Verzögerungen.
Stadtplanungsexpertinnen und -experten sehen in Nachverdichtungen wie an der Michelangelostraße jedoch auch Potenziale, sofern sie mit Bedacht umgesetzt werden. So wies Sabine Müller, Professorin für Stadtplanung an der TU Berlin, darauf hin, dass es entscheidend sei, eine ausgewogene Verbindung zwischen der Schaffung neuen Wohnraums und einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu finden.
Zukunft des Bauprojekts hängt von Klärung der Eigentumsrechte ab
Eine Einigung zwischen dem Berliner Senat und der Jüdischen Gemeinde könnte den Weg für den Beginn der Bauarbeiten ebnen. Gleichzeitig muss der Senat die Bedenken der Anwohnenden ernst nehmen und die Planungen entsprechend anpassen.
Ein stärkerer Fokus auf Grünflächen, nachhaltige Bauweisen und eine verbesserte Verkehrsanbindung könnten dazu beitragen, das Projekt sowohl für die Nachbarschaft als auch für die Stadt insgesamt tragfähiger zu machen.
Quellen: Tagesspiegel, Webseite Lebensqualität an der Michelangelostraße e. V., Stadtentwicklungsamt Pankow: Planungssituation Michelangelostraße