Der Skandal um die ausbleibenden Sozialwohnungen in der Berliner „Europacity“ in Moabit wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten des Berliner Senats, seine ambitionierten Wohnungsbauziele umzusetzen. Wer trägt die Verantwortung für das Scheitern beim Wohnprojekt an der Lisa-Fittko-Straße und wie geht es nun weiter?

Der Streit um geplante Sozialwohnungen in der „Europacity“ spitzt sich zu: Rechtliche Schritte stehen im Raum, während die Berliner Regierung mit Kritik konfrontiert ist. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Text: Björn Leffler

 

Erst kürzlich berichteten wir darüber, dass der Berliner Senat seine Wohnungsbauziele für das Jahr 2024 erneut verfehlt hat, trotz umfangreicher Anstrengungen in allen Berliner Bezirken. Da kommt der vermeintliche Skandal um die ausbleibenden Sozialwohnungen, die in der wachsenden „Europacity“ in Berlin-Moabit entstehen sollten, nicht gerade gelegen für die eh unter Druck stehende Berliner Regierungskoalition.

Im Sommer 2024 wurde an der Ecke Lisa-Fittko-Straße und Heidestraße ein Neubau mit 258 möblierten Apartments fertiggestellt. Ursprünglich waren an diesem Standort 215 geförderte Sozialwohnungen geplant, wie 2016 in einem städtebaulichen Vertrag zwischen dem damaligen Eigentümer und dem Senat vereinbart.

Wohnungsneubau in der „Europacity“: Möbliertes Wohnen statt geförderte Sozialwohnungen

Seit Ende Juni 2024 ist bekannt, dass der aktuelle Eigentümer sich nicht an diese Verpflichtung gebunden fühlt. Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) kündigte daraufhin im Parlament rechtliche Schritte an. Der Eigentümer erklärte jedoch bereits im Sommer gegenüber dem RBB, den Senat bereits 2023 über seine Position informiert zu haben.

So wohnen in den neuen Wohnungen nicht die ursprünglich geplante einkommensschwachen Menschen mit Wohnberechtigungsschein. Ein-Zimmer-Wohnungen werden über eine Vermietungsplattform zu einem Preis von 1.500 Euro im Monat angeboten, wie die Berliner Morgenpost berichtet.

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung konnte Vorgaben von 2016 bei neuen Eigentümern nicht durchsetzen

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung konnte diese Vorgaben aus dem städtebaulichen Vertrag von 2016 trotz mehrerer Eigentümerwechsel nicht durchsetzen. Senator Christian Gaebler (SPD) und sein Team verweisen auf die Versäumnisse ihrer Vorgänger. Staatssekretär Alexander Slotty betonte in einer Antwort auf die parlamentarische Anfrage der Grünen-Expertin Katrin Schmidberger, dass die Verantwortung für die Durchsetzung der Vereinbarungen bereits vor Jahren hätte wahrgenommen werden müssen.

Nun prüft die Senatsverwaltung mögliche rechtliche Schritte, um die Interessen der Stadt doch noch zu sichern. Zwischen 2015 und 2021 war die damalige Senatsbaudirektorin Regula Lüscher für die städtebaulichen Verträge des Landes verantwortlich, gefolgt von ihrer Nachfolgerin Petra Kahlefeld. An der Spitze der Senatsverwaltung standen in dieser Zeit Katrin Lompscher und anschließend Andreas Geisel.

Sozialwohnungen in der „Europacity“: Land Berlin will Klage einreichen, um Ansprüche zu sichern

Es ist ausgesprochen mühsam, mehrere Jahre später die konkrete Verantwortung für die eingetretenen Versäumnisse zu rekonstruieren. Staatssekretär Alexander Slotty erklärte, dass die Verwaltung 2021 die Verpflichtung, Fördergelder als Gegenleistung für die geplanten 215 Sozialwohnungen zu nutzen, aus dem Vertrag gestrichen habe.

Slotty räumte zudem ein, dass die Wohnungsbauleitstelle wiederholt gefordert habe, die Sozialwohnungen vertraglich abzusichern. Er kündigte nun an, bis Jahresende Klage einzureichen, um die Ansprüche des Landes durchzusetzen. Vorerst sind die neu entstandenen Wohnungen für den landeseigenen Wohnungsmarkt jedoch verloren gegangen. Ob dies noch einmal revidiert werden kann, ist derzeit nur schwer zu sagen, doch die Chancen stehen, rein juristisch betrachtet, wohl nicht sonderlich gut.

 

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Quellen: RBB, Der Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Architektur Urbanistik Berlin

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4 Comments

  1. Max 1. Januar 2025 at 18:25 - Reply

    Die Verträge, die die Stadt abschliesst, sind in der Regel so schlecht dass man Absicht oder Unfähigkeit unterstellen muss.

  2. Böhme 3. Januar 2025 at 12:56 - Reply

    Die öffentliche Hand kann keine Vertragsentwürfe. Sie wird dabei immer durch die Vertragspartner über den Tisch gezogen. Es gibt aber noch schwerwiegendere Mängel: Erstens ist es ein Fehler, landeseigene Grundstücke zu verkaufen. Das muss generell unterbunden werden. Es darf nur Erbbaupacht betrieben werden. Und der zweite Fehler ist, dass man an dieser Stelle nicht deutlich höher gebaut hat. Mit den gegenwärtigen Bauten ist irrwitzig viel Fläche verschwendet worden. Die gesamte Berliner Stadtbaupolitik ist seit den 90er Jahren einfach falsch und findet in einer realitätsverweigernden Blase statt.

  3. Susanne 15. Januar 2025 at 23:26 - Reply

    Hier die Geschichte in Fortsetzungen – der Betroffenenrat Lehrter Straße hat den Stein ins Rollen gebracht:
    https://moabitonline.de/41203

    • Böhme 22. Januar 2025 at 01:40 - Reply

      Mit Verlaub: Ganz generell ist es absoluter Blödsinn, in so einer Lage sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Dafür sind Grund und Boden in solchen zentralen Lagen viel zu teuer. Sinnvoll wäre allenfalls, Wohnungsunternehmen, die in solcher zentralen Lage bauen, in die Pflicht zu nehmen, in den städtischen Randlagen sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Oder alternativ muss man die Wohnungsunternehmen so „abzocken“, dass man städtisch sozialen Wohnungsbau finanzieren kann!

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