Nach der Wiedervereinigung sollte das „Planwerk Innere Stadt“ die Berliner Innenstadt neu ordnen – zwischen historischer Rekonstruktion und moderner Verdichtung. Das Konzept prägt die Stadtentwicklung der deutschen Hauptstadt bis heute, blieb jedoch umstritten. Jetzt lesen mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS.

Bereits 1991 legte die damalige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit dem „Räumlichen Strukturkonzept“ eine erste Diskussionsgrundlage für die künftige Gestaltung der Innenstadt vor. Dieses Konzept betrachtete besonders prägende städtebauliche Achsen und Strukturen, die für die historische Identität Berlins von Bedeutung waren. / © Foto: IMAGO / Detlev Konnerth

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Nach dem Mauerfall stand Berlins Stadtplanung vor der Herausforderung, eine über Jahrzehnte geteilte Stadt wieder zusammenzuführen. Mit dem „Planwerk Innere Stadt“, das in den 1990er-Jahren erarbeitet und 2011 weiterentwickelt wurde, setzte der Berliner Senat ein umfassendes Leitbild für die zukünftige Gestaltung der Innenstadt. Ziel war es, die historische Stadtstruktur zu bewahren, eine funktionale und lebenswerte Metropole zu entwickeln und zugleich den Anforderungen  einer wachsenden Stadt gerecht zu werden.

Das Planwerk galt als ambitioniertes Projekt, das gleichermaßen auf den Erhalt und die Rekonstruktion historischer Stadtstrukturen sowie auf Moderne und Verdichtung setzte. Der Ansatz der „kritischen Rekonstruktion“ war zentral: Bestehende historische Bezüge sollten bewahrt werden, ohne dabei eine rein nostalgische Stadtgestaltung zu verfolgen. Dennoch stieß dieser Plan auf teils heftige Kritik, da einige Fachleute ihn als eine zu konservative, an der Vergangenheit orientierte Stadtentwicklung betrachteten.

Von den ersten Konzepten zum Planwerk: Das Strukturkonzept „Innere Stadt“ von 1991

Bereits 1991 legte die damalige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit dem „Räumlichen Strukturkonzept“ eine erste Diskussionsgrundlage für die künftige Gestaltung der Innenstadt vor. Dieses Konzept betrachtete besonders prägende städtebauliche Achsen und Strukturen, die für die historische Identität Berlins von Bedeutung waren.

Zu den zentralen Räumen, die eine herausragende städtebauliche Bedeutung hatten, gehörten die Ost-West-Achse zwischen Ernst-Reuter-Platz und Frankfurter Tor, die bedeutenden Plätze der Innenstadt wie der Alexanderplatz, die Friedrichstraße als wichtige Nord-Süd-Achse sowie die Leipziger Straße als Verbindungsachse zwischen Potsdamer Platz und Spittelmarkt. Auch der Tiergarten wurde als zentraler Grünraum zwischen den beiden Stadtzentren in Ost und West besonders hervorgehoben.

Eine wichtige Festlegung des Konzepts war die Begrenzung der Gebäudehöhe in der historischen Stadtmitte auf 25 Meter. Im Bereich Unter den Linden galt eine Maximalhöhe von 18 Metern gemäß der Vorgaben des historischen „Lindenstatuts“. Außerhalb der Kernbereiche waren höhere Gebäude möglich, sofern sie das Stadtbild nicht beeinträchtigten.

Das Planwerk Innenstadt von 1999: Ein neues Leitbild für das Stadtzentrum

Am 18. Mai 1999 beschloss der Berliner Senat das „Planwerk Innenstadt“. Es wurde maßgeblich von Senatsbaudirektor Hans Stimmann geprägt und stellte eine Weiterentwicklung der ersten Strukturüberlegungen dar. Das Konzept basierte auf einer Verdichtung der Stadtstruktur, bei der breite Verkehrsachsen reduziert und stattdessen kleinteilige Straßenzüge und Plätze geschaffen werden sollten. Das Ziel war es, eine städtebauliche Kontinuität herzustellen, indem sich neue Gebäude an den historischen Stadtgrundrissen orientierten.

Besonders umstritten war die strikte Orientierung an traditionellen Stadtbildern, die sich die Parzellenstrukturen und Bebauungsformen des 19. Jahrhunderts zum Vorbild nahmen. Kritiker sahen darin eine rückwärtsgewandte Utopie, die sich zu sehr an historischen Vorbildern orientierte und neue städtebauliche Entwicklungen hemmte.

Berlin nach dem Mauerfall: Schwerpunkträume der Neugestaltung

Innerhalb des Planwerks wurden verschiedene Schwerpunkträume definiert, die im Fokus der Stadtentwicklung standen. Der Bereich um den Bahnhof Zoo in der City West wurde modernisiert und durch Hochhausprojekte wie das Zoofenster und das Upper West ergänzt, um das traditionelle Zentrum West-Berlins aufzuwerten. Am Kulturforum sollte eine Weiterentwicklung als kulturelles Zentrum erfolgen, das sich bewusst von der modernen Architektur des benachbarten Potsdamer Platzes abheben sollte.

Auch historische Plätze wie der Spittelmarkt und der Molkenmarkt erhielten besondere Aufmerksamkeit. Durch gezielte Neubebauung sollten sie ihre städtebauliche Bedeutung zurückgewinnen und wieder als identitätsstiftende Orte wahrnehmbar werden. Ein weiteres wichtiges Planungsgebiet war die Fischerinsel sowie die angrenzende Luisenstadt, wo die historische Stadtstruktur durch eine Blockrandbebauung wiederhergestellt werden sollte.

Besondere städtebauliche Maßnahmen waren zudem für die Karl-Marx-Allee vorgesehen. Die Umgestaltung dieser monumentalen Achse beinhaltete die Wiederherstellung der historischen Straßenführung sowie eine Verdichtung der Bebauung, um den Raum urbaner und lebendiger zu gestalten.

Das „Planwerk Innere Stadt“ von 2011: Erweiterung der Perspektive

Im Jahr 2011 wurde das „Planwerk Innere Stadt“ als Weiterentwicklung des ursprünglichen Planwerks Innenstadt beschlossen. Es erweiterte die räumliche Betrachtung auf das gesamte Gebiet innerhalb des S-Bahn-Rings und berücksichtigte neue Entwicklungen wie den Ausbau der „Europacity“ nördlich des Hauptbahnhofs oder die Neuordnung der City West.

Das neue Planwerk verfolgte mehrere zentrale Ziele, die die Entwicklung der Berliner Innenstadt nachhaltig prägen sollten. Ein Schwerpunkt lag auf der nachhaltigen Innenentwicklung, die durch eine gezielte Verdichtung und die Aktivierung innerstädtischer Potenziale erreicht werden sollte. Gleichzeitig war es von großer Bedeutung, die Innenstadt als Wohn- und Arbeitsstandort zu erhalten und sozial durchmischt zu gestalten, um unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen eine langfristige Perspektive zu bieten.

Ein weiteres zentrales Anliegen war die Qualifizierung öffentlicher Räume und Grünflächen, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern und die Berliner Innenstadt attraktiver und lebenswerter zu machen. Darüber hinaus spielte die Stärkung des Umweltverbundes eine wesentliche Rolle. Durch Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sowie eine bessere Vernetzung von Fuß- und Radwegen mit dem öffentlichen Nahverkehr sollte die Mobilität in der Innenstadt effizienter und nachhaltiger gestaltet werden.

Kritik und langfristige Auswirkungen auf die Stadtentwicklung

Das „Planwerk Innere Stadt“ wurde von verschiedenen Seiten sowohl gelobt als auch kritisiert. Während Befürworter die Schaffung einer harmonischen und identitätsstiftenden Stadtstruktur betonten, kritisierten Gegner insbesondere die strengen Vorgaben zur Gebäudehöhe und die Orientierung an historischen Stadtbildern.

Ein wesentlicher Kritikpunkt war die restriktive Haltung gegenüber Hochhausprojekten. Während viele europäische Metropolen verstärkt auf vertikale Verdichtung setzten, hielt Berlin lange an einer moderaten Gebäudehöhe fest. Erst in den vergangenen Jahren wurden verstärkt Hochhausprojekte am Alexanderplatz und in der „Europacity“ realisiert, die von den ursprünglichen Vorgaben des Planwerks teilweise abweichen.

Trotz dieser Debatten hatte das Planwerk eine langfristige Wirkung auf die Stadtentwicklung. Viele der zentralen Ideen, insbesondere die kleinteilige Bebauung, die Orientierung an historischen Stadtstrukturen und die Betonung öffentlicher Räume, sind bis heute prägend für die Stadtgestaltung Berlins.

Ein Balanceakt zwischen Tradition und Moderne

Das „Planwerk Innere Stadt“ stellte einen ambitionierten Versuch dar, die Berliner Innenstadt nach der Wiedervereinigung in eine kohärente, zukunftsfähige Stadtlandschaft zu überführen. Es verband den Wunsch nach einer Rekonstruktion historischer Strukturen mit den Anforderungen einer modernen Metropole.

Die Umsetzung erfolgte nicht ohne Widerstände, doch das Planwerk beeinflusste maßgeblich die städtebauliche Entwicklung Berlins. Mit seinen Prinzipien der Verdichtung, der Orientierung an historischen Stadtstrukturen und der Betonung öffentlicher Räume setzte das „Planwerk Innere Stadt“ Maßstäbe, die auch in zukünftigen Planungen weitergeführt werden.

Das Brandenburger Tor im Jahr 1996. Der Pariser Platz befand sich bereits im Wiederauf- und Umbau. / © Foto: IMAGO / Gerhard Leber

Quellen: Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Edition Luisenstadt – „Konzept Innere Stadt“, Planwerk Innenstadt – Berliner Senat