Im Sommer 1943 verwandelten alliierte Luftangriffe Hamburg in ein Flammenmeer. Die „Operation Gomorrha“ hinterließ eine schwer zerstörte Stadt und forderte zehntausende Menschenleben. Doch Hamburg erhob sich aus den Trümmern – mit einem Wiederaufbau, der das Stadtbild bis heute prägt.
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons / Hamburg-Steinwerder, Royal Air Force Bomber Command
© Foto Hauptkirche St. Nikolai: IMAGO / epd
Zwischen dem 24. Juli und dem 3. August 1943 wurde Hamburg Ziel einer der verheerendsten Luftoffensiven des Zweiten Weltkriegs. Die Operation Gomorrha brachte eine beispiellose Zerstörung über die Stadt und löste einen Feuersturm aus, der vor allem die östlichen Stadtteile vernichtete. Mehr als 34.000 Menschen verloren ihr Leben, und nahezu eine Million Menschen wurden obdachlos.
Die Angriffe markierten einen Wendepunkt im Luftkrieg und hinterließen nicht nur eine zerstörte Metropole, sondern stellten Hamburg zugleich vor die gewaltige Herausforderung, den Wiederaufbau einer ganzen Stadt zu planen. Die Entscheidungen jener Zeit prägen das Stadtbild bis heute – von der Bebauung ehemaliger Trümmerflächen bis hin zur Gestaltung ganzer Stadtviertel.
Zweiter Weltkrieg: Hamburg im Fokus der alliierten Luftkriegsstrategie
Bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs galt Hamburg als strategisch bedeutendes Ziel für alliierte Luftangriffe. Mit seiner Rolle als größte Hafenstadt des Deutschen Reiches und als Zentrum der U-Boot-Produktion sowie zahlreicher Rüstungsbetriebe war die Hansestadt ein zentraler Baustein der deutschen Kriegswirtschaft. Zudem bot die Nähe zu den britischen Luftwaffenstützpunkten optimale Bedingungen für groß angelegte Angriffe aus der Luft.
Im Verlauf des Krieges veränderte sich die Strategie der Alliierten entscheidend. Anstatt ausschließlich militärische Einrichtungen anzugreifen, zielten die Angriffe zunehmend darauf ab, durch großflächige Zerstörungen in dicht bebauten Wohngebieten die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen und den Widerstandswillen zu schwächen. Hamburg wurde hierfür zur Modellstadt. Denn die Kombination aus verwundbarer Infrastruktur und hoher Bevölkerungsdichte erschien den Planern besonders geeignet, eine maximale Wirkung zu erzielen.
Der Ablauf der „Operation Gomorrha“: Zehn Tage der Vernichtung
Vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 geriet Hamburg somit ins Zentrum einer beispiellosen Angriffswelle. In insgesamt sieben Wellen bombardierten die Royal Air Force und die US-Luftwaffe die Stadt – mit einer bis dahin nicht gekannten Intensität und Zerstörungskraft. Während die britischen Streitkräfte vor allem nächtliche Flächenangriffe auf Wohngebiete flogen, konzentrierten sich die amerikanischen Tagesangriffe auf industrielle und militärische Ziele.
Den verheerenden Höhepunkt erreichten die Angriffe in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli. Innerhalb weniger Stunden entstand ein Feuersturm von unvorstellbarem Ausmaß. Temperaturen von bis zu 1.000 Grad Celsius, orkanartige Sogwinde und die extreme Hitze verwandelten die dicht bebauten Arbeiterviertel östlich der Innenstadt in ein Flammenmeer. Schutzräume boten keinen Schutz mehr – zahlreiche Menschen starben in ihren Kellern, ganze Stadtteile wurden nahezu vollständig ausgelöscht.
Juli 1943: Die Folgen der „Operation Gomorrha“ für die Stadt
Somit war die Bilanz der „Operation Gomorrha“ verheerend. Neben den zehntausenden Todesopfern verloren rund 750.000 Menschen ihr Zuhause. Insbesondere die Arbeiterviertel östlich der Alster, darunter Hammerbrook, Rothenburgsort und Hamm, wurden fast vollständig zerstört. Die Infrastruktur der Stadt lag in Trümmern. Bahnhöfe, Krankenhäuser und Kirchen wurden ebenso schwer beschädigt wie große Teile des öffentlichen Nahverkehrs. Wasser- und Stromversorgung waren zusammengebrochen, was die Versorgung der Überlebenden zusätzlich erschwerte.
Viele Menschen flüchteten ins Umland oder wurden im Rahmen organisierter Evakuierungen in andere Regionen des Reiches gebracht. Zurück blieb eine Stadt, die kaum noch wiederzuerkennen war. Gleichzeitig wurden Zwangsarbeitende und KZ-Häftlinge dazu gezwungen, unter gefährlichen Bedingungen Leichen zu bergen, Trümmer zu räumen und Blindgänger zu entschärfen. Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die hohe Belastung forderten auch unter ihnen zahlreiche Todesopfer.
Der Wiederaufbau Hamburgs: Chancen und Herausforderungen einer zerstörten Stadt
Nach der verheerenden Zerstörung im Sommer 1943 blieb Hamburg bis zum Kriegsende immer wieder Ziel alliierter Luftangriffe. Die ohnehin stark beschädigte Stadt verlor weitere Wohngebäude, Industrieanlagen und Infrastruktur. Viele Hamburgerinnen und Hamburger lebten in Notunterkünften oder flohen in ländliche Regionen. Erst nach dem Ende des Krieges 1945 konnte der Wiederaufbau beginnen – eine gewaltige Herausforderung, die auch städtebauliche Grundsatzfragen aufwarf.
Die Entscheidung, ob zerstörte Stadtviertel originalgetreu wiederhergestellt oder durch neue städtebauliche Konzepte ersetzt werden sollten, prägte die Nachkriegsplanung. Besonders in den am stärksten betroffenen Stadtteilen setzten die Verantwortlichen auf eine moderne und funktionale Architektur, die den Prinzipien der Nachkriegszeit folgte.
Anstelle der engen Blockrandbebauung, die in den Bombennächten zur schnellen Brandausbreitung beigetragen hatte, entstanden in vielen Vierteln aufgelockerte Siedlungsstrukturen mit großzügigen Grünflächen. Ziel war es, das Risiko erneuter Feuerkatastrophen zu minimieren und gleichzeitig zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen.
Städtebauliche Spuren des Feuersturms im heutigen Hamburg
Die Entscheidungen der Nachkriegszeit prägen das Stadtbild bis heute. Auch 80 Jahre nach der Zerstörung durch die Operation Gomorrha sind die Folgen der Bombennächte in vielen Hamburger Quartieren sichtbar. Ganze Stadtteile wie Hammerbrook verloren nicht nur ihre historische Bausubstanz, sondern auch ihre ursprüngliche Funktion. Aus dem einst belebten Wohnviertel entstand im Zuge des Wiederaufbaus ein Gewerbegebiet mit Bürobauten und Logistikflächen.
Zahlreiche Wasserläufe und Fleete, die das Stadtbild zuvor prägten, wurden nach der Katastrophe mit Trümmerschutt verfüllt und überbaut. Erinnerungen an die einstigen Strukturen und die Geschehnisse des Sommers 1943 finden sich dennoch bis heute in Form von Straßennamen, Gedenktafeln und Mahnmalen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies im Stadtteil Rothenburgsort, wo ein Mahnmal in Form eines stilisierten Hauses an die zerstörte Arbeiterarchitektur erinnert.
Gedenken und Erinnerung im öffentlichen Raum
Die sichtbaren Spuren der Zerstörung und des Wiederaufbaus werden in Hamburg bis heute von einer aktiven Erinnerungskultur begleitet. Zahlreiche Orte in der Stadt sind dem Gedenken an die Operation Gomorrha und ihre Opfer gewidmet. Zu den bekanntesten zählt die Ruine der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai, die heute als Mahnmal und Ausstellungsort dient. Ebenso zentral ist der Friedhof Ohlsdorf, auf dem tausende Opfer der Bombenangriffe in Massengräbern bestattet wurden und ein Mahnmal des Bildhauers Gerhard Marcks an sie erinnert.
Besonders sichtbar wurde das Erinnern im Sommer 2023, als sich die Luftangriffe auf Hamburg zum 80. Mal jährten. Im Rahmen des Netzwerks „80 Jahre Operation Gomorrha“ organisierten zahlreiche Institutionen, Kirchen und Initiativen gemeinsam Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskussionsforen. Ziel war es, die Erinnerung an die Opfer lebendig zu halten und zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen der Zerstörung zu fördern.
Ergänzt wird das Gedenken durch zahlreiche kleinere Denkmale und Gedenkorte in den Stadtteilen, die die Erinnerung an die zerstörten Viertel und die Menschen, die dort lebten, bewahren. Sie sind heute fester Bestandteil des städtischen Erbes und zugleich Mahnung an die zerstörerischen Folgen des Krieges – eingebettet in ein Hamburg, das seinen Wiederaufbau als Chance für eine moderne und lebenswerte Stadt verstand.

Bombenopfer in Hamburg nach einem Angriff der alliierten Streitkräfte, fotografiert im Juli 1943. / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild 146-1983-122-05A

Aufnahme der alliierten Luftangriffe auf Hamburg im Juli 1943. / © Foto: Wikimedia Commons, Royal Air Force Bomber Command

Der Turm der 1943 zerstörten evangelischen Hauptkirche St. Nikolai in Hamburg mit der Bronzeplastik Erden Engel von Edith Breckwoldt. Die vierthöchste Kirche der Welt brannte im Hamburger Feuersturm aus und ist heute Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewalt. Ein Dokumentationszentrum in der Krypta zeigt internationale Ausstellungen zur europäischen Geschichte. / Foto: IMAGO / epd
Quellen: Wikipedia, Universität Hamburg, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Mahnmal St. Nikolai, IMAGO