Trotz ausstehender Evaluation fließen weiterhin öffentliche Gelder in das umstrittene Flussbad-Projekt – allein 2025 und 2026 sind über 150.000 Euro für einen „Flussbad-Garten“ eingeplant. Kritiker sehen darin eine Fehlallokation von Mitteln, während dringendere Stadtentwicklungsprojekte auf ihre Umsetzung warten. Jetzt lesen mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS.

Obwohl noch keine abschließende Bewertung vorliegt, erhält das Flussbad-Projekt weitere finanzielle Mittel – unter anderem für Infrastrukturmaßnahmen und eine neue Projektstelle. Die Gesellschaft Historisches Berlin fordert einen sofortigen Stopp der Förderung und eine stärkere Fokussierung auf die Wiederherstellung der historischen Mitte. / © Visualisierung: creativecommons / Flußbad Berlin e.v.

© Visualisierungen: creativecommons / Flußbad Berlin e.v.

 

Über das ambitionierte „Flussbad-Projekt“ haben wir erstmals im Januar 2020 berichtet, vor über zwei Jahren. Seitdem hat das Projekt vor allem damit Schlagzeilen gemacht, dass die prognostizierten Kosten für das Sport- und Kulturvorhaben im Herzen Berlins signifikant angestiegen sind.

Auch das mit dem „Flussbad-Projekt“ eng verbundene Bauvorhaben einer Freitreppe am Humboldt Forum wurde zwischenzeitlich von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als „kritisch“ eingestuft, da auch hier die Kosten für die Umsetzung deutlich höher seien als ursprünglich angenommen. Doch der letzte Stand ist, dass zumindest die Freitreppe realisiert werden soll.

Flussbad-Projekt: Verein plant Schwimmbad zwischen Museumsinsel und Fischerinsel

Beim Flussbad-Projekt ist dies allerdings deutlich weniger sicher. Zur Einordnung: Das „Projekt Flussbad“ wird seit mehreren Jahren maßgeblich vom Verein „Flussbad Berlin e.V.“ vorangetrieben. Zwischen Museumsinsel und Fischerinsel soll nach Vorstellungen des Vereins das Wasser der Spree zukünftig durch natürliche Filterbereiche so gereinigt werden, dass ein Schwimmen in der Spree bedenkenlos möglich sein wird.

Nach Aussage des Vereins ist dies bereits heute fast immer möglich, nur nach starken Regenfällen wird vom Schwimmen in der Spree abgeraten. Um das städtebauliche „Ökoprojekt“ voranzutreiben, bekam der Verein zwischen 2015 und 2019 rund vier Millionen Euro vom Bund und vom Land Berlin.

Flussbad in der Spree? Seit 2017 wird mit einem Laborschiff geforscht

Für seine Forschungsaktivitäten baute der Verein den alten Lastkahn „Hans-Wilhelm“ zum Laborschiff um. Seit 2017 liefert der schwimmende Testfilter am Ufer vor dem Auswärtigen Amt also Daten und untersucht, ob die geplante, ökologische Reinigung des Spreewassers mittels Pflanzen und Kiesschichten überhaupt funktioniert.

Der Verein hatte im März 2022 einen „entscheidenden Durchbruch“ für die technische Machbarkeit des Projekts veröffentlicht: „Die vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Wasserfilterung und Wasserreinhaltung mit einem Bruchteil des ursprünglich geschätzten Aufwands realisieren lassen„, heißt es. Daraus schlussfolgern die Initiatoren, dass das Gesamtprojekt somit „kostengünstiger und ökologischer“ als bislang angenommen werde.

Das Projekt soll kostengünstiger und ökologischer werden

Laut Verein könnte demnach eine für das Baden ausreichende Wasserqualität dank naturnaher Filter auf einer um mehr als 60 Prozent kleineren Filterfläche erzielt werden, was das Projekt erheblich vereinfache. So könne etwa der Betonkanal zur Hochwasserabfuhr unter dem Filter wegfallen.

Auch das heutige Wehr im Spreekanal müsse nicht neu gebaut werden, wie ursprünglich geplant. „Diese erhebliche Vereinfachung wird möglich, indem wir zwei hintereinander liegende Reinigungsverfahren mit einem Steuersystem kombinieren, das laufend Mess- und Prognosedaten zur Wasserqualität erzeugt und verarbeitet„. Das sagte damals Carsten Riechelmann, der im Verein das Forschungsprojekt koordiniert.

Gesellschaft Historische Mitte Berlin kritisiert das Flussbad-Projekt deutlich

Doch das Projekt, das seitdem öffentlich nur noch selten wahrgenommen wurde, bekommt weiterhin deutlich Gegenwind: Die Gesellschaft Historisches Berlin (GHB) hat sich erneut kritisch zur finanziellen Unterstützung des Vorhabens geäußert und fordert einen sofortigen Stopp der Fördergelder. Laut GHB-Vorstandsvorsitzendem Gerhard Hoya sollte stattdessen die historische Mitte Berlins in einen ihrer Bedeutung angemessenen Zustand versetzt werden.

Trotz angespannter Haushaltslage in vielen Bereichen sind für das Flussbad-Projekt auch in den Jahren 2025 und 2026 weitere finanzielle Mittel vorgesehen. So sind 155.762,24 Euro für die Entwicklung des „Flussbad-Gartens“ an der European School of Management and Technology Berlin (ESMT) eingeplant. Darüber hinaus läuft eine Stellenausschreibung für eine Projektleitung des Gartens mit einem Jahresgehalt von 50.000 Euro.

Berlin-Mitte: Debatte um öffentliche Mittel für das Flussbad-Projekt

Der Abschlussbericht des Projekts wird erst Mitte 2025 erwartet. Dennoch sind bereits weitere Maßnahmen geplant, darunter eine Steganlage im Wert von 50.000 Euro. Nach Angaben der GHB seien bislang über 7,4 Millionen Euro an öffentlichen Geldern in das Vorhaben geflossen, ohne dass eine konkrete Umsetzungsstrategie oder belastbare wissenschaftliche Daten vorlägen.

Im Jahr 2024 erhielt der Trägerverein des Flussbads zudem 400.500 Euro für Wasseranalysen. Kritiker bemängeln, dass solche Untersuchungen bereits vor ersten Investitionen hätten erfolgen müssen. Die GHB sieht in der fortgesetzten Förderung des Flussbad-Projekts eine verpasste Chance für die Stadtentwicklung. Sie verweist auf den Zustand der historischen Mitte Berlins, deren Wiederherstellung nach Einschätzung des Vereins stärker in den politischen Fokus rücken sollte.

Umverteilung von Finanzmitteln: Forderung nach mehr Investitionen in die historische Mitte

Nach Ansicht der GHB seien hier dringend notwendige Maßnahmen erneut durch Haushaltskürzungen zurückgestellt worden, obwohl es politische Zusagen für eine Aufwertung des historischen Stadtkerns gebe. Die Debatte um die Finanzierung des Flussbad-Projekts verdeutlicht die unterschiedlichen stadtentwicklungspolitischen Prioritäten in Berlin.

Während die Befürworter des Projekts auf eine nachhaltige und öffentliche Nutzung der Spree setzen, sehen Kritiker, darunter die GHB, darin eine Fehlallokation öffentlicher Mittel. Eine abschließende Bewertung des Projekts wird mit der Veröffentlichung des Evaluationsberichts im kommenden Jahr erwartet.

 

Utopische Vision oder machbares Konzept? Das Vorhaben, im Spreekanal an der Museumsinsel ein Flussbad einzurichten, scheidet die Geister – wurde international aber bereits mehrfach prämiert. / © Visualisierung: creativecommons / Flußbad Berlin e.v.

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Rat

Quellen: Gesellschaft Historisches Berlin, Berliner Morgenpost, Flußbad Berlin e.V.