Obwohl sich der Berliner Hauptbahnhof nur wenige Meter entfernt befindet, bleibt der Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit für viele unbemerkt. Der Park, der sich auf dem Gelände eines ehemaligen Gefängnisses erstreckt, verbindet heute historische Erinnerung mit Erholungsraum. Wo einst Häftlinge isoliert wurden, laden heute Grünflächen, Kunstinstallationen und Informationsangebote dazu ein, die Geschichte des Ortes zu entdecken.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Zwischen 1842 und 1849 entstand am damaligen Stadtrand von Berlin eines der modernsten Gefängnisse Preußens: das Zellengefängnis Moabit. Die sternförmige Anlage folgte dem damals innovativen Prinzip der Isolationshaft, das Rückfälle verhindern sollte. Statt Gemeinschaftszellen wurden die etwa 520 Gefangenen in Einzelzellen untergebracht, um jeglichen Kontakt untereinander zu verhindern. Doch die damit verbundene soziale und psychische Vereinsamung führte zu schweren gesundheitlichen Folgen für viele Insassen.
Bekannte Gefangene waren unter anderem Wilhelm Voigt, der später als „Hauptmann von Köpenick“ Berühmtheit erlangte, sowie Albrecht Haushofer, der hier 1944 seine berühmten Moabiter Sonette verfasste. Während der NS-Zeit wurde das Gefängnis von der Gestapo als Untersuchungs- und Hinrichtungsort für politische Gefangene genutzt. Nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurden hier zahlreiche Widerstandskämpfer inhaftiert.
Nach der Schließung der Haftanstalt 1955 begann der schrittweise Abriss, der 1958 abgeschlossen wurde. Nur wenige Relikte blieben erhalten, darunter Teile der Gefängnismauer und einige Beamtenwohnhäuser.
Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit: Ort des Wandels und heutige Grünanlage
Nach dem Abriss des Gefängnisses wurde das Gelände über Jahrzehnte unterschiedlich genutzt. Teile dienten als Lagerflächen, ein Abschnitt wurde als Parkplatz bebaut, und Pläne für eine Schnellstraße sorgten in den 1980er-Jahren für Proteste. Erst in den 1990er-Jahren erkannte man die historische Bedeutung des Ortes und entschied sich für eine Gedenk- und Parkgestaltung.
Die Planungen für den heutigen Geschichtspark begannen 2003, geleitet vom Landschaftsarchitekturbüro Glaßer und Dagenbach. Ziel war es, die Geschichte des ehemaligen Gefängnisses in die Gestaltung zu integrieren und zugleich einen lebenswerten Stadtpark zu schaffen. 2006 wurde der Park offiziell eröffnet – ein bis heute einzigartiges Beispiel für die Verbindung von historischer Erinnerung und moderner Landschaftsarchitektur.
Parkgestaltung unweit des Hauptbahnhofs: Gedenken und Natur in Einklang
Der 28.000 Quadratmeter große Geschichtspark Moabit gliedert sich in zwei Bereiche: eine romantische Wildlandschaft, die an das verwilderte Gelände nach dem Abriss erinnert, und einen streng gestalteten Bereich, der die Geschichte des Gefängnisses nachzeichnet.
Besucherinnen und Besucher können auf den Grundrissen der ehemaligen Zellenflügel spazieren, die durch Hecken und Rasenabsenkungen markiert sind. Eine nachgebildete Zelle aus Beton kann betreten werden – im Inneren erklingen Haushofer-Zitate aus den „Moabiter Sonetten“. Drei ehemalige Spazierhöfe wurden mit Wacholderbäumen symbolisch nachgebildet, um an die Isolation der Häftlinge zu erinnern.
Auch die fünf Meter hohe Gefängnismauer, die den Park umschließt, ist erhalten geblieben. An ihren Außenwänden stehen drei historische Beamtenwohnhäuser, die heute unter Denkmalschutz stehen. Infotafeln entlang der Wege erzählen die Geschichte des Gefängnisses und seiner Insassen.
Ungewöhnliche Nachbarschaft: Kleingärten auf ehemaligem Gefangenenfriedhof
Während der Beamtenfriedhof des Gefängnisses bis heute existiert – wenn auch in vernachlässigtem Zustand –, wurde der frühere Gefangenenfriedhof in den 1950er-Jahren entwidmet und in eine Kleingartenanlage umgewandelt.
Hier, nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt, pflegen Gartenbesitzer heute Blumenbeete und Gemüsebeete und stoßen mitunter bei Gartenarbeiten noch auf menschliche Überreste. Ein stilles Zeugnis an die düstere Vergangenheit des Ortes. Trotz dieser Geschichte existiert die Kleingartenanlage weiter und ist heute ein ungewöhnlicher Kontrast zur Gedenkstätte.
Geschichtspark Moabit heute: Gedenkstätte und Erholungsraum
Trotz seiner bewegten Geschichte ist der Geschichtspark Moabit heute eine grüne Oase im Zentrum Berlins. Besucherinnen und Besucher nutzen die weitläufigen Wiesen und Sitzgelegenheiten zur Erholung, während Kinder auf eigens gestalteten Spielplätzen mit symbolischen Elementen – wie einer Kletterwand mit Schlüsselmotiven – spielen.
Der Park wird regelmäßig für Führungen genutzt, in denen die Geschichte des ehemaligen Gefängnisses und seiner Insassen vermittelt wird. Besonders eindrucksvoll ist der Ort am Abend, wenn die Beleuchtung die historischen Strukturen nachzeichnet und den Park in eine atmosphärische Gedenkstätte verwandelt.
Ehemaliges Zellengefängnis Moabit: Heute ein einzigartiger Ort der Erinnerung
Der Geschichtspark Moabit ist somit ein lebendiges Denkmal – ein Ort des Erinnerns, Lernens und Erlebens. Durch die behutsame Integration historischer Elemente bleibt die Vergangenheit spürbar, ohne dass der Park seine Funktion als Erholungsort verliert.
Die ungewöhnliche Kombination aus Gedenkstätte und Naherholung macht ihn zu einem einzigartigen Ort in Berlin. Ein Besuch lohnt sich sowohl für Geschichtsinteressierte als auch für all jene, die inmitten der Großstadt einen ruhigen Rückzugsort suchen.
Quellen: offizielle Webseite des Geschichtsparks, Berliner Senatsverwaltung für Kultur, Architekturführer Berlin