Das ORWOhaus in Berlin-Marzahn, in einem unscheinbaren Plattenbau an der Landsberger Allee gelegen, beherbergt Europas größten selbst verwalteten Proberaumkomplex. Über 700 Musiker und 200 Bands füllen die Räume mit Leben und bilden ein einzigartiges Kulturprojekt. Bis zur Wende hatte das Gebäude als Betriebsstätte des ostdeutschen Filmherstellers ORWO gedient.

Das ORWOhaus in Marzahn, einst Produktionsstätte des Filmherstellers ORWO, hat sich zum größten selbst verwalteten Proberaumkomplex Europas entwickelt. Hier musizieren viele hundert Künstler in einer beeindruckenden Gemeinschaft, die auf Kreativität und Selbstverwaltung setzt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Text: Björn Leffler

 

Unweit des S-Bahnhofs Poelchaustraße, an der Grenze zwischen den Bezirken Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf, befindet sich südlich der Landsberger Allee eines der bemerkenswertesten Kulturprojekte im Osten Berlins. In einem äußerlich unscheinbaren Plattenbau aus DDR-Zeiten ist das ORWOhaus untergebracht, der größte selbst verwaltete Proberaumkomplex Europas, wie es der verantwortliche Verein selbstbewusst vermarktet.

Tatsächlich wird das Haus an der Landsberger Allee heute sehr intensiv genutzt. Das mehrstöckige Gebäude verfügt über fast 6.000 Quadratmeter Nutzfläche. 100 Proberäume sind auf insgesamt knapp 2.700 Quadratmetern untergebracht, hinzu kommen mehreren Tonstudios, die von ca. 700 Musikern in über 200 Bands genutzt werden.

ORWOhaus in Marzahn: Kulturkomplex mit bewegter Geschichte

Die Geschichte des Hauses und seine Entwicklung hin zum Kulturkomplex ist tatsächlich bemerkenswert. Der Standort diente einst als Betriebsstätte des ostdeutschen Film-, Tonband- und Kassettenherstellers ORWO. Nach der Wende wurde jedoch der Betrieb im Marzahner Standort eingestellt.

Nach Jahren des Leerstands wurden die Räumlichkeiten dann ab 1998 an Musiker und Bands vermietet. Die Lage im Herzen eines Industriegebiets bot den Musikern ideale Bedingungen, um ungestört und zu jeder Tageszeit proben zu können. Mit der Zeit zog das ORWOhaus immer mehr kreative Köpfe an.

Im Jahr 2004 drohte dem ORWOhaus die Schließung

Im Jahr 2004 drohte jedoch die Schließung des Hauses durch die Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG) aufgrund von Brandschutzmängeln. Infolgedessen wurden alle bestehenden Mietverträge fristlos gekündigt.

Durch lautstarke Proteste und kreative Aktionen, unterstützt von Presse und Politik, konnte die drohende Schließung des ORWOhauses im selben Jahr jedoch abgewendet werden. Zur langfristigen Sicherung der neu entwickelten Kulturstätte wurde in dieser Zeit der Verein ORWOhaus e.V. gegründet, dem es nach monatelangen Verhandlungen gelang, das Gebäude auf Basis eines wirtschaftlichen Konzepts zu erwerben.

Kredite ermöglichten die Weiternutzung des Standorts an der Landsberger Allee als Kulturkomplex

Ein Kredit der Bank für Sozialwirtschaft und eine Förderung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie in Höhe von einer Million Euro ermöglichten die Erfüllung der Brandschutzauflagen sowie die Erneuerung von Fenstern und Heizungsanlage. Erst im März 2009 erhielt der Verein nach zweijähriger Bauzeit und zahlreichen Genehmigungsverfahren dann die offizielle Nutzungsgenehmigung.

Seitdem ist das ORWOhaus finanziell und rechtlich nachhaltig abgesichert, wie die Vereinsvorsitzenden betonen, und zählt zu den letzten selbst verwalteten Kulturprojekten Berlins, die unabhängig von Investoren arbeiten. Internationale Aufmerksamkeit erlangte das Projekt 2007 durch die Umbenennung der Straße 13 in die deutschlandweit erste Frank-Zappa-Straße, was in über 800 Presseberichten Erwähnung fand.

Raum für Veranstaltungen in Marzahn: 2016 wurde eine Konzerthalle für 900 Personen eingerichtet

Im Jahr 2013 wurde das Bandbüro Berlin gegründet, um junge Musiker auf ihrem Weg zum Profimusiker zu unterstützen. Dank weiterer finanzieller Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie konnte 2016 die ORWOhalle “OHA” im Erdgeschoss für bis zu 900 Personen ausgebaut und 2017 beim 11. “ORWOhaus Festival” eingeweiht werden. Die Halle wird heute für Konzerte und Veranstaltungen genutzt.

Die Marke ORWO überlebte die Wende übrigens in eingeschränkter Form und wird heute von der ORWO Net AG sowie der Filmotec GmbH genutzt. Während die ORWO Media GmbH in die digitale Fotodienstleistungsbranche einstieg und die Herstellung chemischer Farbfilme einstellte, übernahm die 2002 gegründete ORWO Net GmbH 2003 das operative Geschäft im Fotodienstleistungsbereich.

Später entstand daraus die ORWO Net AG, die 2009 die Vermögenswerte der insolventen Foto Quelle GmbH erwarb. Seit 1998 produziert die Filmotec GmbH technische und schwarzweiße Filme. 2020 wurde sie zusammen mit InnovisCoat von Seal 1818 GmbH übernommen. Am Standort in Berlin-Marzahn wird heute aber nicht mehr produziert, sondern nur noch musiziert.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Quellen: ORWOhaus e.V., ORWO Net AG, Wikipedia, ORWO Media GmbH, Filmotec GmbH, Bandbüro Berlin