Das neue Schnellbahnkonzept „Berlin 2064“ will die Verkehrsplanung der Hauptstadt zukünftig besser gestalten. Es setzt auf eine parteiübergreifende Zusammenarbeit und zielt darauf ab, das bestehende Schienennetz effizienter zu nutzen und gezielt auszubauen.
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Berlin steht vor großen verkehrspolitischen Herausforderungen. Mit dem Wachstum der Hauptstadt und zunehmender Pendlerdynamik zwischen Berlin und Brandenburg steigt der Druck auf das Verkehrssystem. Die Autoren des Schnellbahnkonzepts „Berlin 2064“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, neue Perspektiven auf die Verkehrsplanung der Region zu werfen und konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren.
Das Konzept setzt dabei auf einen integrativen und langfristigen Ansatz. Es fordert eine zentrale Koordinationsstelle bei der Senatskanzlei, die parteiübergreifend an der Umsetzung der Maßnahmen arbeitet. Die Vision: ein Nahverkehrssystem, das die Mobilitätsbedürfnisse der Bürger effizienter erfüllt, ohne bei jedem Regierungswechsel infrage gestellt zu werden.
Das historische Schienennetz Berlins umfasst Straßenbahn, U-Bahn (Klein- und Großprofil), S-Bahn und Regionalverkehr. Diese Vielfalt sorgt zwar für eine hohe Abdeckung, aber auch für Probleme in der Interoperabilität und Effizienz der eingesetzten Verkehrsmittel.
Niedrige Reisegeschwindigkeiten und große Entfernungen erschweren die Mobilität. „Berlin 2064“ setzt daher auf eine bessere Abstimmung und den gezielten Ausbau der Systeme unter Berücksichtigung finanzieller Realitäten.
Straßenbahn und S-Bahn: Ausbau im Westen Berlins, engere Taktung & neue Verbindungen
Die Straßenbahn dominiert den Osten der Stadt, während der Westen mit diesem bei Fahrgästen beliebten Verkehrsmittel weitgehend unterversorgt bleibt. Das Konzept fordert den zügigen Ausbau wichtiger Projekte, wie einer Linie von Schöneweide zum Potsdamer Platz und neuen Strecken ins Kulturforum und die Gropiusstadt. Die Straßenbahn soll mittlere Entfernungen abdecken und so U-Bahn und Bus entlasten.
Ebenfalls betonen die Köpfe hinter „Berlin 2064“, dass für die S-Bahnen mindestens eine 10-Minuten-Taktung auf allen Strecken erforderlich sei, und die Fertigstellung wichtiger Projekte wie der S21 und der vorgeschlagenen Durchmesserlinie S6 zügig fortzusetzen sei. Diese Linie könnte zentrale Knotenpunkte effizient verbinden und die Kapazität des Netzes steigern.
Projekt „Express-Bahn“: Schnelle Verbindungen auf bestehenden Trassen
Das Projekt „Express-Bahn“ schlägt vor, bestehende Eisenbahntrassen in Berlin für innerstädtische Schnellverbindungen zu nutzen. Dabei ist es das Ziel, die Reisegeschwindigkeit über größere Entfernungen innerhalb Berlins zu erhöhen, ohne auf aufwändige und unrealistische Neubauten von U-Bahnstrecken angewiesen zu sein.
Ziel dieses Ansatzes ist es, schnelle Verbindungen schaffen, indem untergenutzte Trassen wie die südliche Ringbahn und die Stammbahn erschlossen werden. Auch in anderen Metropolen wie etwa New York City gibt es vergleichbare Konzepte, bei denen Express-Subways bestehende Schienen nutzen und nicht in allen Stationen halten.
E1, E2 und E3 könnten wichtige Knotenpunkte effizienter verknüpfen
Die vorgeschlagenen Linien E1, E2 und E3 sollen wichtige Knotenpunkte miteinander verknüpfen. So könnte die E1 laut Autoren beispielsweise in Zehlendorf starten, über Steglitz zum Südkreuz auf den Ring führen und vom Ostkreuz aus über Lichtenberg nach Hohenschönhausen und bis Karow führen. Hierin sehen sie eine schnelle Alternative für die oft gewünschte, aber unrealistische U-Bahn-Verbindung von Hohenschönhausen ins Zentrum.
Für eine Verbindung von Spandau mit Schöneweide und Grünau über West- und Südkreuz könnte die E2 eingesetzt werden. Zuletzt sehen sie vor, die E3 von Mahlsdorf bis zum Westkreuz zu führen. Diese Linie würde nicht nur innerstädtische Verbindungen verbessern, sondern auch eine direkte Umsteigemöglichkeit für Reisende aus Polen in den Fernverkehr schaffen.
Berliner U-Bahn: Gezielte Verlängerung für mehr Effizienz
Auch zu den U-Bahn-Linien haben sich die Autoren des Konzeptes Gedanken gemacht. Statt neue Systeme einzuführen, plädieren sie dafür, bestehende Linien zu optimieren:
U1: Verlängerung zum Ostkreuz und Adenauerplatz, langfristig bis Halensee.
U2 und U9: Ausbau bis Pankow Kirche, Entlastung des Zentrums; U9 über Wollankstraße zur besseren Anbindung der City West.
U3: Verlängerung nach Weißensee und über Mexikoplatz hinaus zur Potsdamer Chaussee.
U5: Expressstrecke bis Jungfernheide mit nur einer Zwischenstation.
U9: Verlängerung nach Lichterfelde Ost für bessere Regionalbahnanschlüsse.
U72: Neue Linie ins Falkenhagener Feld mit langfristiger Integration in die U2.
Die Vorschläge zielen darauf ab, Lücken zu schließen, Bevölkerungszentren besser anzubinden und die Attraktivität des ÖPNV durch effiziente und realistische Maßnahmen zu erhöhen.
Regionalverkehr: Mehr Verbindungen für die Metropolregion
Auch der Regionalverkehr spielt im Konzept „Berlin 2064“ eine zentrale Rolle. Da immer mehr Menschen ins Umland ziehen, seien schnelle und regelmäßige Verbindungen zwischen Brandenburg und Berlin unerlässlich. Hier sieht das Konzept noch erhebliches Ausbaupotenzial, um das Pendleraufkommen zu bewältigen und gleichzeitig die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen.
Vier Fachleute, eine gemeinsame Vision: Wer steckt hinter dem Projekt „Berlin 2064“?
Das Schnellbahnkonzept „Berlin 2064“ ist das Ergebnis der Zusammenarbeit eines kleinen, engagierten Teams. Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands IGEB, initiierte das Projekt und bringt seine Erfahrungen aus Politik und Wirtschaft ein. Unterstützt wird er von Lukas Iffländer, Professor für Informationssicherheit und stellvertretender Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN, der im südlichen Innenring Berlins ein großes Potenzial sieht.
Schnellbahnkonzept „Berlin 2064“: Ein langfristiger Blick auf die Mobilität
Die Autoren des Konzepts betonen, dass die gegenwärtige Haushaltslage kein Grund sein darf, auf langfristige Investitionen zu verzichten. Vielmehr sei es notwendig, frühzeitig die Weichen für ein leistungsfähiges und nachhaltiges Verkehrssystem zu stellen.
Das Schnellbahnkonzept „Berlin 2064“ sei dabei kein starrer Plan, sondern vielmehr eine Einladung zur Diskussion. Es will Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft dazu anregen, gemeinsam über die Zukunft der Mobilität in Berlin und Brandenburg nachzudenken – und zu handeln.
Quellen: berlin2064.de, taz, IGEB, PRO BAHN
Ich vermisse die entsprechende Grafik wie im Tagesspiegel zu sehen war…denn U3 nach Weißensee meinte eigentlich den Antonplatz dort über die Oberbaumbrücke. Und U1 eher nach Westkreuz UND Ostkreuz als Backup für die Stadtbahn. Die S6 wird hier aus Kostengründen wohl eher über die Cheruskerkurve in den Südring und dann in die Görlitzer Bahn einbiegen, statt der Ost-West-Bahn vom Potsdamer Platz, über Kochstrasse, Moritzplatz und Görlitzer Bhf. , dann runter in Richtung Flughafen