Im Jahr 2024 wird die Straße des 17. Juni in Berlin-Mitte an 150 Tagen für den Autoverkehr gesperrt. Längst wird darüber diskutiert, die Straße vollständig für Autos zu sperren und sie zur Grünfläche oder zur reinen Fußgänger- und Fahrradzone umzugestalten. Doch wie realistisch sind solche Gedankenspiele?
© Foto Titelbild: Moritz Eden / City-Press Bildagentur GmbH
Text: Björn Leffler
Während der abgelaufenen Fußball-Europameisterschaft 2024 hatte sich der Bereich zwischen Brandenburger Tor und Regierungsviertel in eine große Fan-Zone verwandelt, samt Holzstadion vor dem Reichstagsgebäude und Kunstrasen auf der Straße des 17. Juni.
Der westliche Stadtraum vor dem Brandenburger Tor präsentierte sich für mehrere Wochen also in völlig neuer Form, nämlich gewissermaßen als Grünfläche, auch wenn das grün nur künstlich war.
Berlin-Mitte: Die Straße des 17. Juni wurde für die EURO 2024 zur Grünfläche
Die Straße des 17. Juni wurde für mehrere Wochen zu einem autofreien Übergang zwischen den bewaldeten Bereichen des Tiergartens, die zu den größten innerstädtischen Parkanlagen in europäischen Großstädten gehört.
Mittlerweile wurde die Straße aber wieder für den Autoverkehr freigegeben, doch Verkehrssperrungen auf der Straße des 17. Juni sind, auch ohne Großveranstaltungen wie die EURO 2024, eher die Regel als die Ausnahme.
Demonstrationen, Marathon, Radrennen: Die Straße ist permanent gesperrt
Großdemonstrationen oder Straßenfeste (wie etwa zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober, zum Radrennen “VeloCity” oder zum Christopher Street Day) laufen regelmäßig über die Straße des 17. Juni, auch Laufveranstaltungen wie Marathon oder Halbmarathon finden dort statt. Was für Autofahrer ein vermeintliches Ärgernis darstellt, bedeutet für viele Menschen eine attraktive Freizeit- und Veranstaltungsfläche.
Nach der EM und den durchaus beeindruckenden Bildern einer “begrünten” Straße des 17. Juni kam in mehreren Hauptstadtmedien die Diskussion auf, ob man die Straße des 17. Juni nicht sogar dauerhaft zur verkehrsfreien Zone machen sollte.
Sollte die Straße des 17. Juni dauerhaft zur autofreien Zone werden?
Bereits am 4. Juli, zehn Tage vor Ende der EM, fragte etwa die Berliner Morgenpost: “Soll die Straße des 17. Juni dauerhaft für Autos gesperrt werden?” Dort wurden die möglichen Vorteile klar formuliert: “Keine Autos, kein Stau, kein Lärm, keine Abgase. Stattdessen viel Platz für Flaneure und jede Menge Grün.”
Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin und mitverantwortlich für die Gestaltung der Fanzone, sprach sich in diesem Artikel dafür aus, den Autoverkehr von der Straße des 17. Juni zu verbannen.
Die Grünen befürworten eine verkehrsberuhigte Straße des 17. Juni
Van Dülmen bezeichnet die Straße gegenüber dem RBB als einen zentralen Ort, der seiner Meinung nach eine große Aufenthaltsqualität benötige. Die Fanmeile würde seiner Ansicht nach dazu beitragen, Fantasien darüber anzuregen, wie sich die Stadt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit weniger Autos entwickeln könnte.
Auch Klara Schedlich, sportpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, könne sich eine Straße des 17. Juni ohne Autos gut vorstellen, wie sie sagte. Sie wünsche sich anstelle von „hässlichen Betonautostraßen“ mehr Grünflächen und setze sich für eine Debatte darüber ein, ob man aus der Magistrale nicht einen ständigen Veranstaltungsort machen könnte.
Echter Rasen statt Beton vor dem Brandenburger Tor?
Dann allerdings mit echtem Rasen statt Beton, wie Schedlich betont. Schließlich werde die Straße des 17. Juni ohnehin häufiger für Events und Demonstrationen gesperrt.
Ann-Kathrin Hipp, Redakteurin beim Tagesspiegel, äußerte sich in ihrer Kolumne beim Radiosender RadioEins ebenfalls zur Thematik und befürwortete ihrerseits ebenfalls eine Sperrung der Straße, da das Wirrwarr aus Sperrungen und Freigaben der Straße des 17. Juni damit ein Ende hätte.
2024: Straße des 17. Juni an 150 Tagen voll oder teilweise gesperrt
Und Hipp nannte mit den Veranstaltungen “Rave the Planet” und Berlin-Marathon bereits die nächsten Großveranstaltungen, bei denen die Straße erneut geschlossen werden müsse. Auch bei Staatsbesuchen wird die Magistrale immer wieder temporär für den Autoverkehr gesperrt. In 2024 soll sich die Zahl der Sperrungen der Straße des 17. Juni auf insgesamt 150 Tage belaufen, eine enorme Zahl.
Die Senatsverkehrsverwaltung betont allerdings die hohe Relevanz der Straße. Die Straße des 17. Juni sei eine wichtige Hauptverkehrsachse, insbesondere für Wirtschaftsverkehre in der Stadt, wie ein Sprecher gegenüber dem RBB mitteilte.
Senatsverwaltung: wichtige Verkehrsachse im Berliner Zentrum
Eine dauerhafte Sperrung würde nicht zu weniger Verkehr führen, sondern den Verkehr auf andere Straßen und damit in Wohngebiete verdrängen.
Diese Ansicht wurde auch durch einen Vertreter der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) bestätigt, der anmerkte, dass die Sperrung bereits zu erhöhtem Verkehrsaufkommen im Regierungsviertel und in Alt-Moabit geführt habe, was die Anwohner zusätzlich belaste.
Wie relevant ist die Straße des 17. Juni für den Autoverkehr?
Fraglich ist jedoch tatsächlich, ob die Straße des 17. Juni für den Innenstadtverkehr so bedeutend ist, wenn die Zahl der Sperrungen permanent so hoch ist. Zudem besteht rein verkehrstechnisch eine Art Sackgassensituation, da Autofahrer, vom Großen Stern kommend, am Ende der Straße eine T-Kreuzung vorfinden.
Diese Kreuzung führt sie entweder ins Regierungsviertel oder in Richtung Potsdamer Platz. Doch ob es hierfür die Straße des 17. Juni braucht, sollte zumindest einmal ernsthaft diskutiert werden.
Straße des 17. Juni nur für Radfahrer, Fußgänger und E-Roller?
Ann-Kathrin Hipp kann sich vorstellen, die Straße zu verschmälern und lediglich für Radfahrer, E-Roller und Fußgänger frei zu halten und den Autoverkehr dauerhaft über andere Routen zu steuern. Statt temporärer Buden mit überteuerten kulinarischen Angeboten schlägt sie hingegen feste Gastronomie-Angebote und Picknickbereiche vor.
Eine autofreie Zone rund um das Brandenburger Tor böte sicherlich vielfältige kulturelle und touristische Nutzungsmöglichkeiten, in allen Jahreszeiten. Auf der anderen Seite des Brandenburger Tors wird ebenfalls seit Jahren über die Neuaufteilung des Straßenraums diskutiert.
Berlin-Mitte: Auch der Boulevard Unter den Linden wird neu gestaltet
Die Senatsverkehrsverwaltung hatte im Spätsommer 2021 die Pläne für eine umfassende Neugestaltung des Boulevards Unter den Linden öffentlich gemacht, mittlerweile wurden Radwege vergrößert und die Spuren für den Autoverkehr reduziert – ein Verkehrsinfarkt ist dabei ausgeblieben.
Denn, noch stärker als bei der Straße des 17. Juni, ist die Straße Unter den Linden letztlich eine Sackgasse, am Pariser Platz endet die Straße für den Autoverkehr, so dass die Relevanz des Boulevards für den Innenstadtverkehr begrenzt ist.
Die Zukunft der Straße ist derzeit offen. Ziel des Projektvorhabens war es ursprünglich, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren und mehr Platz für andere Verkehrsteilnehmer zu schaffen.
Neugestaltung bietet viele Möglichkeiten – wenn die Politik sich bewegt
Die damals noch von den Grünen verantwortete Verwaltung hatte dazu mehrere Ideen vorgestellt, wie der Boulevardzukünftig aussehen könnte. Auch ein komplett autofreier Boulevard war damals denkbar. Das war jedoch, bevor die CDU das Ressort übernahm und ganz andere Schwerpunkte setzte.
Tatsächlich aber hat die Idee eines autofreien Boulevards Unter den Linden und eine Weiterführung der Strecke bis zum Großen Stern durchaus Charme. Dafür allerdings muss die Senatsverkehrsverwaltung bereit sein, den Autoverkehr an dieser Stelle der Hauptstadt nach unten zu priorisieren. Das scheint derzeit allerdings ein recht unrealistisches Szenario zu sein.
Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier:
Quellen: RBB Radio1, Kulturprojekte Berlin GmbH, City-Press Bildagentur GmbH, RBB, Verkehrsinformationszentrale, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt
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2. November 2024
Wer bitte diskutiert darüber? Absoluter Wahnsinn. Die letzten drei Monate waren die Hölle. Tiergartenstraße, Hofjägerallee und in im nördlichen Mitte Dauerstau. Buslinien wurden komplett eingestellt bzw. komplett unzuverlässig.
Der 17. Juni ist die Hezschlagader für den Ost-West-Verkehr. Dort werden keine Anwohner gestört. Im Gegenteil sollte der 17. Juni möglichst immer offen sein. Eine anderweitige Nutzung so kurz wie möglich und mit enormen Kosten belastet werden.
>>Zudem besteht rein verkehrstechnisch eine Art Sackgassensituation, da Autofahrer, vom Großen Stern kommend, am Ende der Straße eine T-Kreuzung vorfinden.<<
Schon super, wenn Redakteure offenbar nicht mal grundlegend recherchieren. Die Bundesstraßen B2/B5 werden ab Brandenburger Tor (Platz des 18. März) vierspurig über die Ebertstraße zur Behrenstraße geführt, von dort weiter Unter den Linden bzw. Französische Straße.
Außerdem kann auch geradeaus die Ebertstraße zum Potsdamer Platz gefahren werden. Nach links geht es vom Platz des 18. März / Brandenburger Tor ebenfalls als B2/B5 über die Dorotheenstraße nach Unter den Linden bzw. auch Richtung Hbf/Moabit.
>>mittlerweile wurden Radwege vergrößert und die Spuren für den Autoverkehr reduziert – ein Verkehrsinfarkt ist dabei ausgeblieben.<<
Äh, doch. Vor dem Stadtschloss ist jetzt Dauerstau und der Großteil des Verkehrs ist auf die enge Französische Straße ausgewichen. Super Konzept.
Der Radweg wird auch kaum genutzt. jetzt fahren Radfahrer, Lkws und Autofahrer über die Französische Straße.
Das stimmt nun wirklich nicht. Der Radweg wird sehr gut angenommen und wird stark genutzt (zumindest im Berufsverkehr).
Im Gegenteil! Macht endlich Schluss mit den ewigen Sperrungen für Kommerz-Events!
Auxh wenn es für Autos unpraktisch wäre, ist es eine schöne Vorstellung und das Bild mit der Grünfläche vor dem Brandenburger Tor sehr schön und viel angenehmer
Es ist eine schöne Idee. Nur: wenn die intensive Veranstaltungsnutzung so weitergeht, wie schnell wäre die Wiese zertrampelt und eine Sandwüste? Im Sommer kämen mglw. hohe Bewässerungskosten dazu. Das schlecht Beispiel: der Tilla-Durieux-Park am Potsdamer Platz. Schon jetzt pflegen die Grünämter die Parks nicht. Und wie lange würde eine Realisierung dauern? Der Senat hat bis heute die fehlenden Linden nach dem Bau der U5 nicht auf der “Prachtstraße” ersetzt. Auch auf der Rathausstr. gibt es zwischen Alex und Rotem Rathaus seit Jahren nicht bepflanzte Baumscheiben. Und so läuft man dort im Sommer durch die glühende Hitze. Wie sagte Herr Wegner im Wahlkampf: Machen. Na dann mal los, lieber Senat.
Was wollen Sie am Tilla-Durieux-Park pflegen? Das ist eine völlig idiotische Anlage, die mit einem Park überhaupt nichts zu tun hat (Definition von Park: Ein Park möchte dabei mit Rasen, formbestimmenden Gehölzen und Architekturelementen eine idealisierte Landschaft erzielen – Wikipedia). Es ist eine durchgehende Rasenanlage, die auf Schrägen angelegt ist, deren Sinn sich keinem erschließt und bei denen der Rasen regelmäßig auf der Seite mit der massiven Schräge abrutscht (städtische Miniaturmuren). In der Mitte diese albernen riesigen Wippen, die schon deswegen selten genutzt werden, weil es am nötigen Publikumsverkehr fehlt. Der fehlt wiederum, weil desaströse Architekten dort desaströse Architektur hingestellt haben, die bedingungslos menschenfeindlich ist. Der ganze Bereich ist eine einzige Fehlkonstruktion – stadtplanerisch wie architektonisch und dokumentiert, dass große Architektennamen noch längst keine gute Architektur hervorbringen – entgegen der Auffassung von Stimmann und Lüscher.
Eine typische Schnapsidee von Ideologen und Besserverdienenden, die es sich zuhause im Home Office gemütlich machen. Wohlgemerkt, sitze ich selbst im Home Office, aber im Gegenzug zu solchen Schnapsideen-Erstellern, ist mir die Empathie noch nicht vollends abhanden gekommen.
[…] Berlin-Mitte: Sollte die Straße des 17. Juni zur Grünfläche werden? (Entwicklungsstadt Berlin) […]