Zwischen Geschichte und Gegenwart: Die Zukunft der Goebbels-Villa am Bogensee in Wandlitz ist weiter offen. Berlins verzweifelter Versuch, das Gelände loszuwerden, trifft auf Widerstand und Skepsis. Ist ein Abriss die einzige Lösung, oder gibt es Alternativen für diesen historisch belasteten Ort?
© Foto Titelbild: IMAGO / Jürgen Ritter
Text: Wolfgang Leffler
Nach jahrelangen vergeblichen Versuchen der Stadt Berlin, das Areal der einstigen Goebbels-Villa am Bogensee in Wandlitz (nordöstlich von Berlin) zu verkaufen, hat Berlins Finanzsenator Evers nun angekündigt, die Villa des ehemaligen NS-Propagandaministers Goebbels verschenken zu wollen.
Nach seinen Aussagen im Abgeordnetenhaus “bietet er jedem an, das Gelände vom Land Berlin zu übernehmen“. Weder die Gemeinde Wandlitz, das Land Brandenburg noch der Bund haben jedoch Interesse an diesem “Geschenk” bekundet. Doch die Aussagen von Evers werden von der Kommune Wandlitz durchaus kritisch bewertet.
Goebbels-Villa am Bogensee: Kritische Stimmen und Zweifel an Interessenten
Der Bürgermeister von Wandlitz äußerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA), dass “rechte Ideologen versuchen könnten, an das Gelände zu kommen”. Das wolle man unbedingt verhindern, und deshalb habe er für diese Aussagen kein Verständnis. Die Äußerungen von Evers, so der Wandlitzer Bürgermeister weiter, “werden der historischen Bedeutung nicht gerecht und sind schädlich für die Liegenschaft“.
Wie bekannt wurde, hat bereits vor Jahren die Gruppierung “Königreich Deutschland” versucht, dort Fuß zu fassen. Der Verfassungsschutz rechnet diese Gruppierung dem Reichsbürger-Milieu zu. Die Gemeinde Wandlitz versteht überhaupt nicht, dass das Land Berlin das Areal an einen privaten Käufer veräußern will, der womöglich ideologische Ziele mit der Liegenschaft verfolgt.
Historische Villa in Wandlitz: Hohe Kosten für den Unterhalt der Gebäude
Das Vorhaben des Berliner Finanzsenators, das Areal der Goebbels-Villa zu verschenken, ist nachvollziehbar. Laut Angaben der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) belaufen sich die jährlichen Unterhaltskosten für die Gebäude auf eine Viertelmillion Euro.
Seit Jahren gibt es Diskussionen über die mögliche Nutzung des rund 17 Hektar großen Areals, auf dem Joseph Goebbels einst ein Landhaus errichten ließ. Doch seit 1999 steht das Gebäude leer und verfällt zusehends.
Bogensee: Warum die historische Goebbels-Villa Investoren abschreckt
Das große Areal am Bogensee, idyllisch im Wald gelegen und mit ansprechenden Tagungsgebäuden ausgestattet, scheint auf den ersten Blick attraktiv. Doch potenzielle Investoren zeigen kaum Interesse. Der Grund für die ablehnende Haltung könnte in der historischen Belastung durch die sogenannte Goebbels-Villa liegen.
Die Stadt Berlin schenkte Joseph Goebbels, als engem Vertrauten Hitlers, im Oktober 1936 ein kleines Blockhaus am Bogensee – jedoch nur auf Lebenszeit. Goebbels nutzte dieses Haus angeblich als „Liebesnest“ mit der Schauspielerin Lída Baarová, was beinahe zu einer Regierungskrise geführt hätte.
1939 ließ Joseph Goebbels die heute noch bestehende Villa errichten
Da das Blockhaus bald zu klein wurde, ließ Goebbels 1939 ein größeres Landhaus errichten, bekannt als die Goebbels-Villa oder “Waldhof”, auf der gegenüberliegenden Seite des Sees. Es wird vermutet, dass dieses geschichtsträchtige Gebäude der Hauptgrund dafür ist, dass sich keine Käufer finden und das Gelände am Bogensee weiter verfällt.
Sämtliche Baukosten sowie die laufenden Kosten der Villa wurden damals aus Berliner Steuergeldern finanziert. Die Gebäude sind bis heute baulich unverändert und stehen unter Denkmalschutz, was die Sachlage noch verkompliziert.
Nutzung der Goebbels-Villa nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude zunächst vom sowjetischen Militär als Lazarett genutzt. Im Jahr 1946 übergab man es an die neu gegründete Jugendorganisation FDJ. Die DDR errichtete dort Studiengebäude und einen imposanten Lektorensaal. Aus dem ehemaligen Landsitz wurde eine Jugendhochschule. In den 1950er Jahren entstand in unmittelbarer Nähe ein Neubaukomplex mit Gemeinschaftsgebäuden und Wohnheimen für die FDJ.
Intern wurde das Gebäudeensemble von der SED auch als “Rotes Kloster” bezeichnet. Es umfasste eine Aula mit 600 Sitzplätzen, zwei Speisesälen sowie mehrere Schlaf- und Wohngebäude. In den knapp 40 Jahren ihres Bestehens verzeichnete die Hochschule rund 15.000 Absolventen.
Das “rote Kloster”: Nutzung als Jugendhochschule durch die FDJ
Die Atmosphäre wurde im Nachhinein von vielen als dogmatisch, abgeschottet und überwacht beschrieben. Neben FDJ-Mitgliedern wurden dort auch etwa 4.300 Jugendliche aus aller Welt, darunter aus der Bundesrepublik Deutschland und Norwegen, unterrichtet.
Nach der Wende nutzte der Internationale Bund für Sozialarbeit das Areal bis 1999 zur Ausbildung benachteiligter Jugendlicher. Auch gastronomische Versuche, wie ein Tagungshotel oder eine Kneipe in Goebbels’ ehemaligem Wohnzimmer, scheiterten dauerhaft.
Perspektiven für die Zukunft: Nutzung oder Abriss?
Das Land Berlin plant weiterhin eine Nutzung des Areals rund um die Goebbels-Villa, doch die Vorschläge zum Abriss des Landsitzes des ehemaligen NS-Propagandaministers stoßen auf Widerstand. Die BIM hat der Kommune Wandlitz vorgeschlagen, sich für die Entwicklung des Areals um Fördergelder aus dem Programm “Nationale Projekte des Städtebaus” zu bewerben.
Der Landrat von Barnim und die Gemeinde Wandlitz sprechen sich für den Erhalt des Areals aus. Falls keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive gefunden wird, will die BIM “mögliche Schritte für eine Umwandlung in eine Aufforstungsfläche oder eine Abgabe des Areals an die Berliner Forsten” in Betracht ziehen. Ein Abriss der Gebäude wäre dann unausweichlich, und die Chance, dort eine dauerhafte Ausstellung zum NS-Terror zu etablieren, wäre endgültig vertan.
Zwischennutzung und Alternativen für die Gebäude am Bogensee: Bundespolizei als Lösung?
Die BIM erwägt auch eine Zwischennutzung durch eine Bundeseinrichtung. Medienberichten zufolge könnte die Bundespolizei dort eine temporäre Trainingsstätte einrichten. Sollte jedoch keine Bundesbehörde Interesse zeigen, könnte das Gelände der Kommune Wandlitz zur Übernahme angeboten werden.
Die Veräußerung der Gebäude ist allerdings bereits mehrfach gescheitert. Angesichts der hohen Kosten und des mangelnden Interesses hat der Berliner Finanzsenator den ungewöhnlichen Vorschlag gemacht, das Areal, wie oben schon erwähnt, einfach zu verschenken. In einem Schreiben des Landrates des Landkreises Barnim und des Wandlitzer Bürgermeisters an die BIM wird jedoch gefordert, dass für die nächsten fünf Jahre keine Entscheidungen über einen Abriss getroffen werden. In dieser Zeit soll ein Konzept für die zukünftige Nutzung entwickelt werden.
Landkreis Barnim möchte ein dauerhaftes Nutzungskonzept für die historische Villa
Der Landrat des Kreises Barnim, Kurth, betont, dass das “bundesweit einzigartige Areal architektonisch und historisch herausragend und daher schützenswert” sei. Auch der Bürgermeister von Wandlitz plädiert dafür, “einen wichtigen Erinnerungsort zu erhalten“. Doch es bleibt die Frage offen, wie bedeutend ein Erinnerungsort sein kann, an dem sowohl die NS-Eliten als auch die Akteure des DDR-Regimes gewirkt haben.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Land Berlin seit Jahren vergeblich versucht, das Gebäudeensemble zu verkaufen. Angesichts der schwierigen Situation hätte man auch finanzielle Unterstützung seitens des Bundes oder des Landes Brandenburg erwarten können. Sollten alle derzeitigen Konzepte und Ideen scheitern, bleibt dem Land Berlin wohl keine andere Wahl, als das Areal abzureißen, so Finanzsenator Evers.
Es bleibt nun abzuwarten, ob die angestrebte Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg in Bezug auf dieses Projekt erfolgreich sein wird, oder ob das historisch schwierige Areal weiterhin ungenutzt bleibt und weiter verfällt.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: DPA, NZZ, RBB, Bauwelt, Berliner Morgenpost, Wikipedia, Der Tagesspiegel, MAZ, MOZ, Berliner Zeitung, Berliner Immobilienmanagement GmbH
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2. November 2024