Die Wurzeln der HafenCity sind tief in der Geschichte Hamburgs verankert. Der Ort, an dem heute moderne Architektur aufragt, war schon früh ein Zentrum von Handel, Arbeit und städtischem Leben. Sogar in legendären Geschichten, wie dem Kampf gegen den Freibeuter Klaus Störtebeker, spielte das Hafengebiet eine zentrale Rolle. Die heutige HafenCity präsentiert sich als städtebauliches Modell für die Zukunft, bleibt jedoch in einigen Bereichen hinter den eigenen Nachhaltigkeitsansprüchen zurück.
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Text: Stephanie Engler
Bereits 1189 soll Kaiser Barbarossa Hamburg das Privileg der Zollfreiheit gewährt haben, was den Hafen zu einem entscheidenden Wachstumsmotor machte. Im 14. Jahrhundert wurde der Hamburger Hafen zum bedeutendsten Umschlagplatz zwischen Nord- und Ostsee und prägte die Stadt nachhaltig. Bis ins 19. Jahrhundert waren Wohnen und Hafen eng miteinander verbunden. Die Eröffnung des Sandtorhafens (1863–1866) machte die HafenCity dann zu einem der weltweit effizientesten Häfen, der mit einigen Schäden auch die Weltkriege überstand.
Nach 1945 begann der Wiederaufbau, doch die Einführung des Containers in den 1950er-Jahren führte zu einem neuen Umbruch: Die alten Hafenbecken waren für Containerterminals ungeeignet, und der Hafen verlagerte sich zunehmend nach Süden. Das heutige Gebiet der HafenCity verlor an industrieller Bedeutung, bis 1997 der Senat beschloss, ein neues Stadtquartier auf den Flächen zu errichten.
Die frühen 1990er Jahre: Anfänge der Hamburger HafenCity
Die Grundzüge der HafenCity-Entwicklung reichen bis in die frühen 1990er-Jahre zurück. Nach dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs veränderte sich Hamburgs Position in Europa grundlegend: Aus einer Stadt am Rande der westlichen Welt wurde eine zentrale Metropole im Herzen eines wieder zusammenwachsenden Kontinents. Diese strategische Neupositionierung brachte enormes Potenzial für die Stadt mit sich, das genutzt werden sollte, um im Wettbewerb mit anderen Regionen nicht ins Hintertreffen zu geraten.
1991 gab der damalige erste Bürgermeister Henning Voscherau inoffiziell den Auftrag, die Umnutzung des innerstädtischen Hafenrands zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Flächen durch die Verlagerung der Containerterminals nach Süden brachgefallen oder untergenutzt. Diskretion war essenziell, um frühzeitigen Widerstand der Hafenwirtschaft zu vermeiden und den Erwerb privater Gebäude durch die Stadt zu ermöglichen. Diese Aufgabe übernahm die stadteigene Hamburger Hafen und Lagerhausgesellschaft (HHLA) und die 1995 gegründete Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung (GHS, heute HafenCity Hamburg GmbH).
Nutzungskonzept von Volkwin Marg: Die Vision HafenCity
Ein entscheidender Meilenstein war eine 1996 erstellte Studie des Hamburger Architekten Prof. Volkwin Marg. Diese skizzierte zentrale Prinzipien wie die Nutzungsmischung, eine städtebauliche Struktur und den öffentlichen Zugang zum Wasser, die bis heute das Konzept der HafenCity prägen. Am 7. Mai 1997 stellte Bürgermeister Voscherau die „Vision HafenCity“ der Öffentlichkeit vor. Ziel war die Rückkehr der Innenstadt ans Wasser: Auf rund 157 Hektar sollte ein hochwertiger Stadtteil entstehen, der Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit kombiniert.
Um dies zu finanzieren und politisch abzusichern, wurde das Sondervermögen „Stadt und Hafen“ geschaffen. Dieses Modell ermöglichte es, den Verkauf der Grundstücke sowohl zur Finanzierung der HafenCity-Infrastruktur als auch des modernen Containerterminals Altenwerder zu nutzen. So wurde ein Konflikt mit der Hafenwirtschaft vermieden, und die Herauslösung des Gebiets aus dem Hafennutzungsplan erhielt politische Legitimation.
Der Masterplan des Jahres 2000: Grundlage für die HafenCity
1999 wurde ein internationaler städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem das niederländisch-deutsche Team Hamburgplan unter Kees Christiaanse/ASTOC als Sieger hervorging. Der Masterplan, der am 29. Februar 2000 verabschiedet wurde, setzte Maßstäbe für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Stadtentwicklung.
Der Masterplan legte außerdem fest, dass die HafenCity nicht nur ein neuer Stadtteil sein sollte, sondern Hamburgs Zentrum nachhaltig prägen und als Modell für europäische Städte des 21. Jahrhunderts dienen sollte. Von Anfang an war er als fortschreibungsfähiges Konzept gedacht, das in allen Entwicklungsphasen konkretisiert wird.
Entwicklung brach liegender Hafenflächen: Erste Schritte und öffentliche Diskussion
Technische Grundaussagen zu Verkehr, Hochwasserschutz und Freiraumplanung wurden stetig weiterentwickelt, begleitet von Architektur- und Infrastrukturwettbewerben, die einzelne Gebäude und Brücken präzise definierten. Nachhaltigkeitsziele, soziale Mischung, innovative Mobilitätskonzepte und neue Nutzungsmöglichkeiten flossen schrittweise in die Planung ein.
Ab 2000 folgte eine intensive öffentliche Debatte, bei der die Pläne in Ausstellungen und Veranstaltungen vorgestellt und diskutiert wurden. Die ersten Quartiere wurden nach diesem Konzept sukzessive entwickelt, um die HafenCity bis in die 2020er Jahre zu einem einzigartigen Stadtteil zu machen.
Mehr Nutzfläche: Überarbeitung des Masterplans ab Ende der 2000er Jahre
Obwohl der ursprüngliche Masterplan für die westliche und zentrale HafenCity gut funktionierte, bot er für die östlichen Quartiere – Oberhafen, Baakenhafen und Elbbrücken – keine ausreichende Grundlage. Mit der verbesserten Anbindung dieser Gebiete, insbesondere durch die U-Bahn, änderte sich deren Wahrnehmung von vorstädtischen Randlagen hin zu Kernbereichen der Innenstadt. Daher wurde der Masterplan zwischen 2008 und 2010 überarbeitet.
Die Überarbeitung führte auch zu einer deutlich erhöhten Nutzfläche. Die Bruttogrundfläche stieg von 1,5 auf 2,4 Millionen Quadratmeter, und die Zahl der geplanten Wohnungen erhöhte sich von 5.500 auf rund 7.500. Gleichzeitig wurden mehr Baugemeinschaften und öffentlich geförderter Wohnraum integriert, wodurch die soziale Durchmischung gestärkt werden sollte.
Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsgebiet: Die Hamburger HafenCity heute
Mit einer Fläche von 157 Hektar ist die HafenCity das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas. Hamburg setzt damit auf ein Modell für eine nachhaltige europäische Stadt am Wasser. Die HafenCity kombiniert verschiedene Nutzungen wie Arbeiten, Wohnen, Bildung, Kultur, Freizeit, Tourismus und Einzelhandel und schafft damit eine lebendige, urbane Mischung.
Besonders ist auch die Urbanitätsstrategie der HafenCity, die auf einer engen Verzahnung von Land und Wasser basiert. Anders als viele moderne Wasserlagen-Projekte wurde das Gebiet nicht eingedeicht. Stattdessen schützt eine innovative Warftkonzeption das Areal vor Hochwasser und bewahrt zugleich den direkten Zugang zum Wasser. Die maritime Atmosphäre bleibt so erhalten, während gleichzeitig neue öffentliche Räume wie Plätze, Promenaden und Parks geschaffen wurden.
Bildung und Forschung nehmen zudem eine zentrale Rolle in der HafenCity ein. Neben der HafenCity Universität (HCU) haben sich mehrere renommierte private Universitäten und Institutionen angesiedelt. Schulen und Campusstrukturen, wie der geplante Schulcampus am Lohsepark, sollen eine umfassende Bildung für Kinder und Jugendliche bieten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken.
Vergabepraxis, Sozialstruktur und fehlende Grünflächen: Kritik an der HafenCity
Die HafenCity Hamburg wird oft als visionäres Stadtentwicklungsprojekt gefeiert, doch sie ist auch Gegenstand anhaltender Kritik. Während ihre ambitionierten Ziele und innovativen Ansätze gelobt werden, stehen einige Aspekte im Fokus skeptischer Stimmen.
Bereits in der Planungsphase war die Finanzierung des Containerterminals Altenwerder durch die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen der HafenCity ein zentraler Kritikpunkt. Es wurde befürchtet, dass dieser finanzielle Druck dazu führen könnte, dass die Stadt die Profitabilität der Verkäufe über die Qualität der Nutzungskonzepte stellt. Zusätzlich sorgte die Erhöhung der Baugrundstücke für Diskussionen. Offiziell wurde dieser Schritt mit einer angestrebten höheren Bebauungsdichte begründet, doch gleichzeitig ermöglichte er der Stadt auch, mehr Einnahmen zu generieren.
In der HafenCity wurden knapp 25 Prozent geförderter Wohnraum realisiert
Die anfängliche Sorge, dass sich die HafenCity ausschließlich an wohlhabende Bevölkerungsschichten richten könnte, hat sich im Laufe der Entwicklung relativiert. Mit 24,9 % gefördertem Wohnraum und einer Sozialstruktur, die sich dem Hamburger Durchschnitt annähert, sind wichtige Fortschritte erzielt worden. Dennoch bleibt die HafenCity in Teilen ein privilegiertes Quartier. Kritiker werfen dem Projekt eine gewisse Exklusivität vor, die den Zugang zu erschwinglichem Wohnraum für breitere Bevölkerungsgruppen erschwert und die Gentrifizierung weiter vorantreibt.
Kritiker bemängeln den solitärartigen Charakter vieler Gebäude und die mangelnde Kleinteiligkeit im Vergleich zur Speicherstadt und der Innenstadt. Einige Bauwerke werden als austauschbar, modisch und uninspiriert beschrieben. Der langjährige Bürgermeister Henning Voscherau äußerte sich besonders kritisch zum Design vieler Gebäude und stellte die Frage nach der zeitlosen Qualität der Architektur. Befürworter argumentieren hingegen, dass die Gesamtwirkung der HafenCity erst nach ihrer Fertigstellung umfassend bewertet werden könne.
Lebensqualität, Verkehrskonzept & Umweltaspekte
Trotz der Schaffung von Parks und Promenaden sehen Kritiker einen Mangel an ausreichenden Grünflächen, um die Lebensqualität in der HafenCity zu erhöhen und klimatischen Herausforderungen wie sommerlicher Hitze entgegenzuwirken. Zwar wurden mit dem Lohsepark und dem Baakenpark zentrale grüne Oasen geschaffen, doch viele Flächen bleiben stark versiegelt, was den urbanen Charakter des Quartiers weiter betont und den Wunsch nach mehr Natur im Stadtbild unbefriedigt lässt.
Während die „Stadt der kurzen Wege“ das Konzept einer fußgängerfreundlichen Stadt unterstützt, bemängeln einige Stimmen, dass die Quartiere zu stark auf den Autoverkehr ausgerichtet seien. Dies könnte den Anspruch der HafenCity, ein Modell für nachhaltige Stadtentwicklung zu sein, auch in den kommenden Jahren nachhaltig beeinträchtigen.
Zudem erzeugen Kreuzfahrtschiffe, die in der Nähe der HafenCity liegen, während ihrer Liegezeiten erhebliche Emissionen, da sie bisher noch keine Landstromversorgung nutzen. Ein Problem, das mit der geplanten Einführung von Landstrom ab 2025 allerdings behoben werden soll.
Ausblick: Elbbrückenquartier, Überseequartier und Hauptzollamt entstehen in den kommenden Jahren
Die HafenCity in Hamburg ist ein fortlaufendes städtebauliches Projekt, das die Innenstadt um eine Fläche von rund 40 Prozent erweitert und auf 158 Hektar ehemaliger Hafenfläche einen modernen, lebenswerten Stadtteil schafft. Mit geplanten 5.800 Wohnungen und mehr als 12.000 Einwohnern leistet die HafenCity damit einen wesentlichen Beitrag zur Belebung der Innenstadt.
Aktuell befinden sich mehrere Quartiere und Gebäude noch in der Entwicklung. Das Elbbrückenquartier etwa soll als zweites urbanes Zentrum der HafenCity mit den Schwerpunkten Wohnen, Gewerbe und Hotellerie entstehen. Die Bebauung wird überwiegend aus Hochhäusern bestehen, wobei der Elbtower mit 245 Metern das höchste konventionelle Gebäude Hamburgs werden soll. Der zentrale Amerigo-Vespucci-Platz wurde bereits im Juni 2021 eröffnet. Das Quartier ist mit dem S- und U-Bahnhof Elbbrücken schon heute an den ÖPNV angebunden.
Mit dem Überseequartier entsteht derzeit ein Einkaufsviertel, dessen Eröffnung sich jedoch verzögert hat. Ursprünglich für Oktober 2024 geplant, wird die Fertigstellung nun für Frühjahr 2025 erwartet. Das Projekt umfasst neben dem Einkaufszentrum auch Büros, ein Kreuzfahrtterminal, Hotels und fast 600 Wohnungen. Ein energieeffizientes, modulares Gebäude mit alternativen Baustoffen wie Holz und Keramik ist beim Neubau des Hauptzollamtes geplant. Der Baubeginn ist allerdings erst für 2028 vorgesehen.
Hamburgs HafenCity: Vision für die nächsten Jahre
Die HafenCity soll als Modell für nachhaltige Stadtentwicklung dienen, mit einem starken Fokus auf soziale und ökologische Aspekte. Innovative Mobilitätskonzepte, wie Sharing-Angebote und E-Mobilität, werden in der östlichen HafenCity erprobt, um einen Beitrag zur nachhaltigen Transformationsstrategie Hamburgs zu leisten.
Die Nachhaltigkeit der HafenCity wird durch das Umweltzeichen HafenCity und die DGNB Sonderauszeichnung gefördert, die hohe Energieeffizienz und geringe Betriebs- und Unterhaltskosten der Gebäude sicherstellen sollen. Zukünftige Anpassungen des neu errichteten Quartiers könnten jedoch erforderlich sein, um den Folgen des Klimawandels gerecht zu werden. Dies umfasst Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und die Förderung der Biodiversität.
Quellen: hafencity.com, hamburg.com, Deutsches Architektur Forum, Wikipedia, Hamburgplan, HafenCity Universität (HCU