Die Friedrichstraße sollte ab Mitte der 1980er Jahre das glanzvolle Schaufenster der DDR werden – mit Luxus, Shopping, Entertainment und einem eigenen U-Bahn-Netz. Doch die Geschichte verlief anders: Unvollendete Bauvorhaben, millionenschwere Fehlinvestitionen und der Mauerfall machten aus der Vision eine vergessene Episode der Berliner Stadtgeschichte. Erster von mehreren Teilen zum Thema – jetzt lesen mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS.

1992: Abriss der fast fertiggestellten Friedrichstadt-Passagen in Berlin-Mitte. / © Foto: IMAGO / Detlev Konnerth
© Foto Titelbild: IMAGO / Detlev Konnerth
Als Erich Honecker, seit 1973 DDR-Regierungschef, im Februar 1984 verlauten ließ, dass die Friedrichstraße die „attraktivste Geschäftsstraße“ in Ost-Berlin, der Hauptstadt des Landes, werden würde, wusste von den nicht Eingeweihten keiner so recht, was er damals im Schilde führte. Geplant waren insgesamt elf repräsentative Gebäude, die die Friedrichstraße und somit die alte Mitte von Berlin noch zu Zeiten der DDR besonders attraktiv machen sollten.
Zwei der elf angekündigten Projekte blieben unvollendet, ein drittes Vorhaben wurde trotz Fertigstellung und Inbetriebnahme später wieder abgerissen – doch dazu später mehr. Das erste unvollendete Bauvorhaben befand sich zwischen Mohren- und Kronenstraße auf der westlichen Friedrichstraße und wurde 1993 dem Erdboden gleichgemacht. Diesem geplanten Neubau waren bereits umfangreiche Gründungsarbeiten vorausgegangen.
Friedrichstraße: Autarke U-Bahn-Strecke der Linie 6 wurde von der DDR geplant
Es handelte sich um einen Abschnitt der U-Bahnlinie 6, der zum West-Berliner BVG-Netz gehörte. Diese Strecke war seit dem Mauerbau 1961 von der Ost-Berliner Seite aus nicht zugänglich. Vorgesehen war, dass dieser unter Ost-Berlin verlaufende Streckenabschnitt zwischen „Stadion der Weltjugend“ – heute Schwartzkopfstraße – und „Stadtmitte“ autark betrieben werden sollte.
Das Problem war jedoch, dass die Baureihe der Ost-Berliner U-Bahnen auf diesem Streckenabschnitt der West-Berliner Großprofillinie nicht eingesetzt werden konnte, da es keine Verbindung zum Ost-Berliner Netz gab.
Eine aufwendige Umrüstung des Streckenprofils sollte den Bau der neuen U-Bahnlinie ermöglichen
In der Station „Stadtmitte“, dem Kreuzungspunkt von U2 und U6, sollte daher ein Verbindungstunnel das Problem lösen. Dieser Tunnel sollte die Ost-Berliner Kleinprofillinie U2 mit der zum Kleinprofil umgerüsteten Friedrichstraßen-Linie U6 verbinden.
Um dies zu ermöglichen, wurden die Gründungsarbeiten an der Ecke Mohrenstraße/Friedrichstraße durchgeführt. Dies musste im Vorfeld geschehen, um den zweiten, ebenfalls nicht realisierten Neubau ausführen zu können.
Dieser Neubau sollte darauf gesetzt werden. Es handelte sich um drei Blöcke eines neuen Warenhauskomplexes – drei Straßenzüge überspannend – der in gewissen Führungskreisen des Ostens als „KaDeO“ tituliert wurde.
Das ambitionierte Projekt „KaDeO“ und der Fall der Mauer
Mit dem Fall der Mauer hatte sich das Projekt des U-Bahn-Verbindungstunnels jedoch erledigt. Die Ost-Berliner Planer hatten sich mit der Umsetzung dieses Projekts an die Hoffnung geklammert, die Friedrichstraße als Devisenbringer noch stärker in das Blickfeld westlicher Touristen zu rücken und damit den Zustrom harter Westmark zu verstärken – ein unabdingbarer Faktor für die wirtschaftlich angeschlagene DDR.
Das Vorhaben war vom Ansatz her nicht abwegig und logisch zugleich, denn mit der Eröffnung dieses U-Bahn-Verkehrs auf der relativ kurzen, sieben Stationen umfassenden Strecke wäre eine elegante Nahverkehrsanbindung – auch von West-Berlin aus – an den geplanten Warenhauskomplex „Friedrichstadtpassagen“ möglich gewesen.
Die „Friedrichstadt-Passagen“ blieben baulich unvollendet
Die bereits abgeschlossenen Fundamentgründungen für die „Friedrichstadt-Passagen“ zwischen der Französischen Straße und der Mohrenstraße wurden 1993 wieder entfernt – zu einem Kostenvolumen von gut 25 Millionen D-Mark.
Heute stehen an der Friedrichstraße auf diesen Grundstücken mit den Hausnummern 205, 205a und 207 ebenfalls drei Warenhäuser, allerdings architektonisch ansprechender konzipiert und nicht „drei Straßen überspannend“.
Die Galeries Lafayette aus Paris in Hausnummer 207 haben jedoch im Sommer 2024 den Standort Berlin aufgegeben. Seitdem steht das imposante Gebäude leer, ab und zu sind dort Handwerker zu sehen. In letzter Zeit war den Medien zu entnehmen, dass der Berliner Senat an diesem Ort einen Teil der Landesbibliothek unterbringen möchte, die Eigentümer der Immobilie liebäugeln allerdings auch mit einer Umwandlung des Gebäudes in eine Büroimmobilie.
1989 in Betrieb genommen, später wieder abgerissen: Das „Haus der Unterhaltung“
Und damit kommen wir zu dem bereits anfangs erwähnten dritten Projekt, das zwar fertiggestellt, später aber wieder abgerissen wurde. Es handelt sich um das „Haus der Unterhaltung“, das auf Höhe der Leipziger Straße, leicht zurückversetzt, noch vor dem Mauerfall 1989 in Betrieb genommen wurde.
Die verantwortlichen Genossen der „Kommerziellen Koordinierung“ der DDR unter Führung von Alexander Schalk-Golodkowski und die Interhotel-Gruppe sprachen anfangs leise von der „Wiederauferstehung des Hauses Vaterland“ – dem einstigen Freuden- und Genusstempel am Potsdamer Platz im noch unzerstörten Berlin.
„Haus Vaterland“ – der große Vergnügungspalast im Herzen Berlins
Das „Haus der Unterhaltung“ überlebte das letzte Jahrzehnt vor dem Millennium nicht. Letztendlich verkam es nach dem Mauerfall als erstes eigenständiges Spielcasino in Ost-Berlin. Der Abriss erfolgte 1996. Das Konzept des Gebäudes fußte auf einer Institution, die während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden war.
Zur Eröffnung des ersten, ursprünglichen „Hauses Vaterland“ im September 1928 hieß es in der Presseerklärung: „Geniale Ideen und alte berlinische kaufmännische Energie haben einen weltstädtischen Palast der Erholung und des Genießens entstehen lassen, wie er in dieser Form und in diesem Umfang sicher kein Beispiel in der Welt hat. Die Welt mit ihren Herrlichkeiten der Natur, der Musik, der Kunst und ihrer Küche ist hier in vielen ihrer prägnantesten Erscheinungen in einem Haus vereinigt.“ (Verlag Elsengold, 2021).
In weiteren Beiträgen werden wir die Geschichte dieses Hauses – vom Bau bis zu seiner Zerstörung 1943 – nachvollziehen und diese ideale Stätte der Erholung und des Vergnügens im geschäftigen Berlin für die Leser erlebbar machen.

Ein einstiges DDR-Prestigeprojekt wird im Jahr 1992 abgetragen, um Platz für die spätere Galeries Lafayette zu machen. / © Foto: IMAGO, imagebroker
Quellen: Verlag Elsengold, Wikipedia, Deutsches Architektur Forum