Das Berliner U-Bahnnetz gehört zu den ältesten und dichtesten Nahverkehrsnetzen der Welt. Doch nicht alle U-Bahn-Linien wurden so gebaut, wie sie ursprünglich geplant waren. Die Realisierung der „Phantomlinie“ U10 blieb auf ewig Theorie, obwohl Teile der ursprünglich geplanten Strecke gebaut wurden und bis heute erhalten geblieben sind.

Ein Bild aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg: Zwischen 1945 und 1950 konzentrierten sich alle Anstrengungen auf die Wiederinbetriebnahme der Berliner Bahn-Netze. Zwischenzeitlich fuhr die U-Bahn aufgrund des Neubaus der Tunneldecken auch im offenen Tunnel, wie hier in der Nähe des U-Bahnhofs Nürnberger Platz. / © Foto: Bundesarchiv, Wikimedia Commons
Text: Björn Leffler
Seit vielen Jahrzehnten geistert die Geschichte der nie verwirklichten U-Bahn-Linie 10 durch Bücher und Artikel, die sich mit der wechselhaften Geschichte Berlins auseinandersetzen. Realisiert wurde die Linie 10 letztlich nie, obwohl es tatsächlich mehrere Anläufe gab. Der Lauf der Geschichte jedoch verhinderte den Bau der Linie U 10.
Als Teil des 200-Kilometer-Plans sollte die U10 als Großprofil-Linie von Weißensee quer durch die Berliner Innenstadt hindurch über den Alexanderplatz sowie den Potsdamer Platz bis in den Südwesten Berlins geführt werden, wo sie in Lichterfelde enden sollte.
1955: Die Linie U10 war Teil des 200-Kilometer-Plans für Berlin
Erstmals wurde die Linienplanung in besagtem Infrastrukturplan im Jahr 1955 präsentiert, damals noch unter dem Liniennamen „F“. Ab Anfang der 1970er Jahre hieß die Linie dann „U10“.
Die Pläne für den Bau der Linie waren ausgesprochen ambitioniert: Auf ihrer Strecke durch die Berliner Innenstadt sollte sie die bestehende Linie U2 ohne Halt passieren und einen neuen Kreuzungsbahnhof mit der U6 zwischen den Bahnhöfen Stadtmitte und Kochstraße erhalten.
U-Bahn-Linie 10 sollte von Weißensee bis nach Lichterfelde führen
Vom Potsdamer Platz ausgehend sollte sie dann mit der U1 am U-Bahnhof Kurfürstenstraße und im weiteren Streckenverlauf mit der U7 am U-Bahnhof Kleistpark verknüpft werden. Von dort sollte die Linie über Innsbrucker Platz (Verknüpfung mit der U4) bis nach Steglitz und weiter zur Drakestraße in Lichterfelde geführt werden.
Für den Bau der Linie wurden verschiedene, bauliche Vorleistungen erbracht, die in den Jahrzehnten danach in unterschiedlicher Form auch genutzt wurden – allerdings nicht als Tunnel der ursprünglich geplanten U-Bahnlinie 10. Vor allem an Kreuzungsstationen finden sich noch heute Tunnelbauten und Streckenfragmente, die für die Nutzung der Linie U10 gedacht waren.
Die Teilung Berlins verhinderte den Bau der U-Bahn-Linie 10
Die Realisierung der Linie scheiterte letztlich natürlich an der Teilung Berlins, die spätestens mit dem Bau der Mauer im August 1961 einen endgültigen und sehr physischen Charakter erhielt. Wegen der zahlreichen Rohbautunnel und halb fertigen Bahnhöfe, die teilweise an den Umsteigebahnhöfen sichtbar waren und es mitunter bis heute sind, war und ist die Linie U10 nie ganz aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.
Da eine Vollendung der Planung aus heutiger Sicht vollkommen aussichtslos und auch überhaupt nicht mehr im Fokus der Berliner Stadtplaner ist, wird die nie gebaute Linie U10 wohl dauerhaft die „Phantomlinie“ des Berliner U-Bahnnetzes bleiben.
1993 wurde ein erneuter Anlauf unternommen – aber nicht umgesetzt
Nach 1993 wurden die Planungen zur Linie U10 zugunsten einer neuen Linie U3 verworfen. Der nordöstliche Ast dieser Linie zwischen Weißensee und Potsdamer Platz stimmte mit der ursprünglichen U10-Planung überein, anschließend sollte die U3 über den Magdeburger Platz zum Wittenbergplatz geführt und in die bestehende Linie Richtung Uhlandstraße (die heutige Linie U1) eingefädelt werden.
Realisiert wurde jedoch auch diese Planung nicht. Mit der heute bestehenden U3, die derzeit bis zur Krummen Lanke führt und in den kommenden Jahren bis zum Mexikoplatz verlängert werden soll, gibt es eigentlich kaum Parallelen bis auf die Haltestelle am Wittenbergplatz.
Noch heute existieren Tunnel der geplanten Linie U10 an den Haltestellen Alexanderplatz, Potsdamer Platz, Kleistpark, Innsbrucker Platz oder an der Schloßstraße in Steglitz. Genutzt werden diese Tunnel heute als Stellwerksanlagen oder auch als Event-Locations für Veranstaltungen.
Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier sehen:
https://entwicklungsstadt.de/serie-berlins-luftschloesser-teil-1-die-olympiahalle-2000-in-mitte/
https://entwicklungsstadt.de/serie-berlins-luftschloesser-teil-2-der-neubau-der-gedaechtniskirche/
https://entwicklungsstadt.de/serie-berlins-luftschloesser-teil-3-hochhaus-am-marx-engels-platz/
https://entwicklungsstadt.de/serie-berlins-luftschloesser-teil-4-ein-riesenrad-am-bahnhof-zoo/