Am Spandauer Havelufer entsteht ab Frühjahr 2025 mit dem Bauvorhaben ‚Havel Labs‘ ein Projekt, das Historie und Moderne verbinden wird. Geplant sind Holz-Hybrid-Bauten und Serviced Apartments auf einem Gelände mit langer industrieller Tradition.
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Text: Björn Leffler
Kürzlich berichteten wir über ein Wohnprojekt am Spandauer Havelufer, welches mit großen Plänen an den Start ging, dessen Zukunft mittlerweile aber ungewiss ist. Aus einem lange Jahre brach liegenden Areal sollte ein hochwertiges Wohnungsareal mit 204 Eigentumswohnungen werden. CG Elementum und ESCON GmbH, die für Realisierung und Vertrieb des Projekts zuständig waren, versprachen ein einzigartiges Wohnensemble.
Tatsächlich sollte das Projekt „Stadt. Land. Havel“ auf einem historisch außerordentlich spannende Gelände entstehen. Die Königliche Pulverfabrik, errichtet in den 1830er-Jahren an der Havel, nutzte die Wasserkraft des Flusses für ihre Produktion und den Transport des Schießpulvers. Im September 2022 berichtete die Immobilien Zeitung über den Baustart für das Projekt, doch bereits seit dem Frühjahr 2023 ruht die Baustelle am Eiswerder.
Projekt „Stadt. Land. Havel“: Realisierung ungewiss, doch Bauvorhaben „Havel Labs“ steht in den Startlöchern
Die CG Elementum sucht nach eigener Aussage aktuell nach einer neuen Finanzierung, um das Projekt fortsetzen zu können – Ausgang offen. Ganz anders soll es aber beim Bauvorhaben „Havel Labs“ laufen, welches ebenfalls auf einem Teil der ehemaligen Pulverfabrik entstehen soll. Die historische Pulverfabrik war an mehreren Standorten entlang der Havel im Nordwesten Berlins angesiedelt.
Hinter dem Projekt „Havel Labs“ steht das Unternehmen ARE Austrian Real Estate mit Sitz in Wien. Gemeinsam mit dem Immobilienunternehmen Central City soll das Projekt am Spandauer Havelufer umgesetzt werden. Für den ersten Bauabschnitt des Projekts liegt nach Auskunft der Bauherren jetzt die erforderliche Baugenehmigung vor. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, um auf dem historischen Areal Serviced Apartments zu realisieren, die Teil des Gesamtprojekts sind.
Teile der ehemaligen Pulverfabrik in Berlin-Spandau sollen umgebaut und modernisiert werden
Der Baustart für diesen ersten Bauabschnitt soll ab Frühjahr 2025 erfolgen und wird nur ein Teil auf dem Weg zur Neuausrichtung des Areals sein. Geplant ist die Realisierung eines „Campus 4.0“, welcher Tradition und Innovation miteinander verbinden soll. Mit einer Bruttogeschossfläche von rund 28.000 Quadratmetern soll das Vorhaben moderne Arbeits- und Lebensräume schaffen und gleichzeitig hohen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Funktionalität gerecht werden, wie die Investoren versichern.
Herzstück des Projekts sollen zwei neue Holz-Hybrid-Gebäude werden, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip errichtet werden. Diese Bauweise ermöglicht eine vollständige Wiederverwertung der Materialien im Sinne der Kreislaufwirtschaft und soll zur Ressourcenschonung im Rahmen von Bauvorhaben beitragen. Ergänzend werden fünf denkmalgeschützte Bestandsgebäude sorgfältig saniert und durch moderne Neubauten ergänzt, um historische Strukturen in die neue Architektur zu integrieren.
Denkmalschutz, Cradle-to-Cradle und Holz-Hybrid: Nachhaltige Planungen für historisches Areal
Besonderes Augenmerk liegt auf der naturnahen Gestaltung der Außenbereiche. Die Nähe zum Wasser und umfassende Begrünung sollen nicht nur die Aufenthaltsqualität für künftige Nutzerinnen und Nutzer erhöhen, sondern auch zur ökologischen Balance des Standorts beitragen.
Einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung der weiteren Bauabschnitte gibt es bislang aber nicht. Ursprünglich sollte der Baustart bereits im Jahr 2024 erfolgen, mit einer geplanten Fertigstellung bis 2026. Die Bauherren betonen die lange industrielle und gewerbliche Geschichte des Areals, welches seit rund 300 Jahren als Produktionsstandort genutzt wird. Die geplante Neunutzung am Zitadellenweg soll daher an diese Tradition anknüpfen und das brachliegende Gelände für zeitgemäße Formen der Arbeit und Innovation öffnen, wie es heißt.
Neuer Standort „Havel Labs“ mit Raum für Produktion 4.0, Forschung und Entwicklung
Der Standort soll nach seiner Modernisierung und Erweiterung also vielfältige Möglichkeiten für Produktion 4.0, Prototyping, Forschung und Entwicklung sowie für digitale und analoge Manufakturen bieten – so der Plan. Auch Konzepte des modernen Arbeitens – etwa flexible Arbeitsumgebungen für Meetings und Veranstaltungen – sind fester Bestandteil der Planung.
Ein besonderer Baustein des Projekts soll das geplante Boardinghouse innerhalb der Manufaktur werden, für das nun die Baufreigabe erteilt worden ist; dort sollen die oben eingangs erwähnten Serviced Apartments eingerichtet werden. Mit 120 Einheiten soll es Unterkünfte für neue Mitarbeitende und auswärtige Gäste bereitstellen.
Geschichte des Areals am Havelufer reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück
Die Geschichte des Geländes reicht ins 18. Jahrhundert zurück: 1772 wurde es unter Friedrich Wilhelm I. zum Standort der „Königlichen Preußischen Gewehrfabrique“, der ältesten Gewehrmanufaktur Preußens. Unter der Leitung der Deutschen Heereswerkstätten entstanden Werkstätten, Produktionsstätten sowie Wohn- und Wirtschaftsgebäude.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Rüstungsproduktion gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags eingestellt und entsprechende Bauten abgerissen. Ab Dezember 1919 folgte die zivile Nutzung unter der Deutschen Werke AG, die Güter wie Fenster, Haushaltsgeräte und Baufahrzeuge produzierte.
1931 wurde das Gelände teilweise verkauft: Ein Hersteller von Briefmarkenautomaten und Stempelmaschinen zog ein, weitere Flächen gingen an einen Wäschereiunternehmer, der bis 1992 eine Großwäscherei und Wäschemanufaktur betrieb. Seit Mitte der 1990er Jahre schließlich lag das Gelände brach – und soll nun neu reaktiviert werden.
Quellen: ARE Austrian Real Estate, CG Elementum, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Architektur Urbanistik Berlin, ESCON GmbH, Industriekultur Berlin, Immobilien Zeitung