Das Bauprojekt „Stadt.Land.Havel“ in Berlin-Spandau versprach hochwertige Wohnungen auf historischem Boden, doch steigende Zinsen und eine schwächelnde Nachfrage haben das ambitionierte Vorhaben ausgebremst, seit Frühjahr 2023 ruht die Baustelle. Und nun?

© Foto Titelbild: IMAGO / Metodi Popow
Text: Björn Leffler

 

Unweit der Insel Eiswerder in Berlin-Spandau hat vor einigen Jahren der Bau für ein ambitioniertes Wohnungsbauprojekt mit dem Titel „Stadt.Land.Havel“ begonnen. Was die Projektinitiatoren dort vorhatten, las sich erst einmal sehr spannend: „Direkt am Ufer der Havel in ruhiger Lage wird die alte Pulverfabrik mit dem Projekt STADT.LAND.HAVEL zu neuem Leben erweckt. Altbauteile werden revitalisiert und mit Neubauteilen erweitert.

Aus einem lange Jahre brach liegenden Areal sollte also ein hochwertiges Wohnungsareal mit 204 Eigentumswohnungen werden. CG Elementum und ESCON GmbH, die für Realisierung und Vertrieb des Projekts zuständig sind, versprachen ein einzigartiges Wohnensemble: „Nachhaltigkeit wird bei diesem Projekt ganz groß geschrieben. Photovoltaikanlagen, Ladestationen zur Unterstützung der Elektromobilität oder spezielle Wohnraumbelüftung durch Wärmerückgewinnung sind nur einige Punkte die hierbei Berücksichtigung finden. Einziehen und Wohlfühlen mitten in Berlin und doch umgeben von Natur.

An der Insel Eiswerder sollte das Wohnprojekt „Stadt. Land. Havel“ entstehen

Tatsächlich sollte das Projekt „Stadt. Land. Havel“ auf einem historisch außerordentlich spannende Gelände entstehen. Die Königliche Pulverfabrik, errichtet in den 1830er-Jahren an der Havel, nutzte die Wasserkraft des Flusses für ihre Produktion und den Transport des Schießpulvers.

Die Nähe zur Havel ermöglichte den reibungslosen Transport des Pulvers zu den preußischen Artilleriedepots. Aufgrund der hohen Explosionsgefahr wurden die weitläufigen Anlagen durch Erdwälle, Baumreihen und einen schützenden Wassergraben im Osten gesichert. Die steigende Nachfrage nach Schießpulver durch die Deutschen Einigungskriege führte ab den 1870er-Jahren zu Erweiterungen der Fabrik.

Die Königliche Pulverfabrik produzierte bis 1919 Schießbaumwolle und Schwarzpulver

Ab 1890 produzierte die „Neue Pulverfabrik“ das innovative, rauchschwache Pulver „Schießbaumwolle“, das das herkömmliche Schwarzpulver ablöste. Während des Ersten Weltkriegs erreichte die Produktion ihren Höhepunkt, mit bis zu 5.600 Beschäftigten und einer monatlichen Herstellung von 1.900 Tonnen Pulver im Jahr 1915. Ein Lageplan aus dieser Zeit zeigt 500 Gebäude auf dem Fabrikgelände, von denen jedoch nur wenige erhalten geblieben sind. Die Pulverproduktion in Spandau endete schließlich 1919 nach dem Krieg.

Heute steht das älteste erhaltene Gebäude, eine Werkhalle von 1887, im Zentrum des Gewerbeparks „Havelwerke“. Weitere Überbleibsel sind in der Daumstraße und nahe der Insel Eiswerder zu finden, darunter ein ehemaliger Speisesaal und ein Wasserturm aus den 1890er-Jahren – und genau an diesem Standort direkt am Havelufer sollte das aufwendige Wohnprojekt umgesetzt werden.

Im September 2022 wurde die Grundsteinlegung für das Projekt mit 204 Eigentumswohnungen gelegt

Im September 2022 berichtete die Immobilien Zeitung über den Baustart für das Projekt. Die CG Elementum legte feierlich den Grundstein auf dem rund 15.000 Quadratmeter großen Gelände. Die geplanten 204 Eigentumswohnungen sollten teils in sanierten historischen Klinkergebäuden, teils in Neubauten entstehen.

Vorgesehen waren Ein- bis Fünfzimmerwohnungen mit einer Größe von 36 bis 147 Quadratmetern. Die Einheiten sollten zu Preisen zwischen knapp 260.000 und knapp 1,4 Millionen Euro angeboten werden. Beim Bau des neuen Wohnquartiers sollten ausschließlich umweltfreundliche Baumaterialien und regenerative Energien zum Einsatz kommen.

Baustopp: Schon seit Frühjahr 2023 ruht die Baustelle in Berlin-Spandau

Doch bereits seit dem Frühjahr 2023 ruht die Baustelle am Eiswerder, wie der RBB und die Berliner Morgenpost berichteten. Was zuerst wie ein zwischenzeitlicher Baustopp aussah, hat sich mittlerweile zum Dauerzustand entwickelt, und so ist die Realisierung des ambitionierten Bauvorhabens fraglicher denn je. Die offizielle Internetpräsenz hat CG Elementum mittlerweile offline genommen.

Eva Mommsen, Pressesprecherin der CG Elementum, erklärte gegenüber der Berliner Morgenpost den Baustopp wie folgt: „Wir haben das Bauvorhaben unserer Projektentwicklung STADT.LAND.HAVEL im Frühjahr 2023 stillgelegt, nachdem der Eigentumswohnungsmarkt zusammengebrochen ist und keine Wohnungen mehr aufgrund der wirtschaftlichen Lage und des gestiegenen Zinses platziert werden konnten.

Verkaufsstand von unter 30 Prozent: Fortführung des Projekts „Stadt. Land. Havel“ ungewiss

Der Verkaufsstand von unter 30 Prozent habe laut Mommsen eine Fortführung des Projekts unter den gegebenen Umständen nicht erlaubt. Dies sei auf dem derzeitigen Immobilienmarkt nicht ungewöhnlich und sei den Investoren transparent erläutert worden.

Der Baustopp steht im Grunde sinnbildlich für die Herausforderungen in der Immobilienbranche, die unter steigenden Zinsen und der daraus resultierenden Kaufzurückhaltung leidet – und steht in Berlin damit nicht allein da. Die CG Elementum sucht daher nach eigener Aussage aktuell nach einer neuen Finanzierung, um das Projekt fortsetzen zu können – Ausgang offen.

 

Quellen: CG Elementum, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Architektur Urbanistik Berlin, ESCON GmbH, Industriekultur Berlin, Immobilien Zeitung

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One Comment

  1. BerlinArch 1. November 2024 at 15:56 - Reply

    Auf der einen Seite gibt es ein Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen und hier soll es sich nicht mehr lohnen. Es muß doch etwas geben wie man mehr Wohnraum schafft und die Kosten stemmt. Auch wäre interessant zu wissen wie groß die Differenz ist die nach den Angaben das Unterfangen nun verhindert.

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