Kaum ein anderer Ort in Berlin spiegelt die bewegte Geschichte der Stadt so eindrucksvoll wider wie der Flughafen Tempelhof. Wo einst Soldaten exerzierten und Luftfahrtpioniere ihre ersten Rekordflüge wagten, entwickelte sich später eines der bedeutendsten Drehkreuze Europas. Von den Anfängen als Militärgelände über die dramatische Zeit der Luftbrücke bis hin zur Schließung im Jahr 2008 prägte Tempelhof die Hauptstadt und ihre Entwicklung wie kaum ein zweiter Ort.

Warte- und Abfertigungshalle im ersten Abfertigungsgebäude des Flughafens Tempelhof, fotografiert im Jahr 1928. / © Foto: Wikimedia Commons

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons, USAF – National Museum of the U.S. Air Force photo 050421-F-1234P-016

 

Der Tempelhofer Flughafen zählt zu den bedeutendsten Bauwerken Berlins und verkörpert wie kaum ein anderer Ort die wechselvolle Geschichte der Stadt. Auf dem Gelände des heutigen Parks vollzogen sich technische Innovationen, politische Umbrüche und soziale Bewegungen, die weit über die Grenzen Berlins hinaus Bedeutung erlangten.

Heute dient das Tempelhofer Feld als innerstädtische Grünfläche für Erholung und Freizeit, doch seine historische Bedeutung reicht weit darüber hinaus. Mit dem Aufstieg der Luftfahrt wandelte sich das Areal zur internationalen Drehscheibe des Luftverkehrs – und schließlich zu einem Symbol für Freiheit und Widerstandsfähigkeit.

Die Anfänge des Tempelhofer Feldes als Luftfahrtstandort

Bereits im 18. Jahrhundert nutzte das preußische Militär das weitläufige Tempelhofer Feld als Exerzier- und Paradeplatz. Über viele Jahrzehnte hinweg diente das Gelände der Ausbildung von Soldaten und war immer wieder Schauplatz aufwendiger Militärmanöver. Dennoch blieb es zugleich ein beliebter Naherholungsraum für die Berliner Bevölkerung – ein Ort, an dem sich das städtische Leben zwischen Drill und Freizeit mischte.

Mit dem Aufkommen der modernen Luftfahrt gewann das Tempelhofer Feld schließlich eine neue Bedeutung. Schon Ende des 19. Jahrhunderts fanden hier erste Gasballonfahrten statt, bevor es im Jahr 1909 zu einem der bedeutendsten Ereignisse der frühen Luftfahrtgeschichte kam: Der amerikanische Flugpionier Orville Wright demonstrierte seine Flugmaschine und absolvierte eine Reihe von Rekordflügen, die Tausende von Zuschauenden in Staunen versetzten. Mit diesen Auftritten legte er den Grundstein für Tempelhofs Rolle als festen Standort der Luftfahrt – und ebnete damit den Weg für die spätere Entwicklung des Flughafens.

Tempelhof: Aufstieg zum internationalen Flughafen in den 1920er Jahren

Mit der offiziellen Eröffnung des Flughafens am 8. Oktober 1923 begann ein neues Kapitel für das Tempelhofer Feld. Zunächst noch mit bescheidenem Linienflugangebot ausgestattet, entwickelte sich der Standort in den folgenden Jahren rasch weiter. Bereits Mitte der 1920er Jahre entstanden größere Flugzeughallen und Abfertigungsgebäude, die den steigenden Anforderungen des internationalen Luftverkehrs gerecht wurden.

1926 machte die neu gegründete Deutsche Lufthansa Tempelhof zu ihrem Heimatflughafen. Von hier aus nahmen zahlreiche internationale Verbindungen ihren Ausgang, und in den 1930er Jahren avancierte Tempelhof schließlich zum führenden Flughafen Europas – noch vor Metropolen wie London und Paris. Zehntausende Fluggäste passierten jährlich die Hallen des Flughafens, der sich damit endgültig als bedeutendes Drehkreuz etabliert hatte.

Architektur als Machtdemonstration: Der NS-Großflughafen

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten erhielt der Tempelhofer Flughafen ab 1936 eine neue, monumental inszenierte Architektur. Unter der Leitung von Ernst Sagebiel entstand bis 1941 das größte zusammenhängende Flughafengebäude der Welt – ein Bauwerk, dessen Ausmaße und Formen bis heute beeindrucken.

Charakteristisch für die Anlage waren neoklassizistische Elemente, verbunden mit moderner Stahl- und Betontechnik. Der imposante Hallenbogen von 1,2 Kilometern Länge, die markanten Treppentürme und das als Tribüne für bis zu 65.000 Zuschauende geplante Dach sollten die Macht und Größe des Regimes symbolisieren. Darüber hinaus setzte das Gebäude auch in technischer Hinsicht neue Maßstäbe im Flughafenbau und gilt in vielerlei Hinsicht als Vorbild moderner Flughafentechnik.

Zweiter Weltkrieg: Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion im Flughafen Tempelhof

Während des Zweiten Weltkriegs verlor der Tempelhofer Flughafen seine zivile Funktion nahezu vollständig. Statt Passagierflügen prägten nun militärische Produktion und Kriegslogistik den Alltag. In den Hallen des Flughafens montierten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter Flugzeuge und andere Rüstungsgüter für die Wehrmacht.

Direkt neben dem Flughafengelände befand sich zudem das Konzentrationslager Columbia, das bis zu seinem Abriss 1938 in Betrieb war. Heute erinnert ein Mahnmal an die Opfer der Zwangsarbeit und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die mit der Geschichte des Flughafens untrennbar verbunden sind.

Tempelhof als Symbol der Freiheit: Die Berliner Luftbrücke

Nach Kriegsende übernahmen 1945 die US-Streitkräfte den Flughafen und richteten die „Tempelhof Air Base“ ein. Weltweite Berühmtheit erlangte der Tempelhofer Flughafen nur wenige Jahre später während der Berliner Blockade von 1948.

Während die Sowjetunion sämtliche Land- und Wasserwege nach West-Berlin kappte, wurde Tempelhof zum wichtigsten Versorgungsflughafen der Stadt. Im Rahmen der Berliner Luftbrücke landeten hier von Juni 1948 bis Mai 1949 täglich hunderte Maschinen. Sie brachten Lebensmittel, Kohle und lebensnotwendige Güter in die blockierte Stadt. Die sogenannten „Rosinenbomber“ machten Tempelhof zu einem Symbol der Freiheit und prägten das internationale Ansehen des Flughafens bis heute.

Vom Wiederaufbau bis zur Schließung des Flugbetriebs: Die letzten Jahrzehnte des Tempelhofer Flughafens

Auch nach dem Ende der Luftbrücke blieb Tempelhof ein strategisch bedeutender Standort. Bis zum Abzug der Alliierten im Jahr 1993 nutzten die US-Streitkräfte das Gelände als Militärbasis und logistische Drehscheibe für ihre Truppen.

Gleichzeitig wurde der Flughafen 1951 erneut für den zivilen Luftverkehr geöffnet und erlebte insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren eine Hochphase. Doch spätestens mit der Eröffnung des Flughafens Tegel verlor Tempelhof zunehmend an Bedeutung. Nach einer letzten Wiederbelebung in den 1980er und 1990er Jahren wurde der Flugbetrieb schließlich am 30. Oktober 2008 endgültig eingestellt.

Nach der Schließung: Bürgerbeteiligung, Volksentscheide und neue Nutzung des Tempelhofer Feldes

Schon kurz nach der Schließung wurde das Tempelhofer Feld im Jahr 2010 als öffentlicher Park eröffnet. Mit seiner beeindruckenden Weite entwickelte es sich rasch zu einem der beliebtesten Erholungsräume Berlins. Sport, Kultur und Freizeit finden hier ebenso ihren Platz wie politische Debatten.

2014 stimmten die Berlinerinnen und Berliner in einem Volksentscheid mehrheitlich gegen eine Randbebauung des Feldes. Seither bleibt das Areal weitgehend unberührt – und steht sinnbildlich für den Wunsch der Stadtgesellschaft nach Freiheit, Teilhabe und Erhalt urbaner Freiräume.

Zukunft des Tempelhofer Feldes: Bleibt die Freifläche unbebaut?

In den vergangenen Jahren wurde das Gelände mehrfach temporär umgenutzt – etwa als Notunterkunft für Geflüchtete oder als Corona-Impfzentrum. Im Sommer wird für geflüchtete Kinder und Jugendliche eine Willkommensschule in Tempelhof eröffnet.

Wie sich das Tempelhofer Feld in den kommenden Jahren entwickeln wird, bleibt offen. Doch eines ist sicher: Der ehemalige Flughafen ist längst zu einem festen Bestandteil der Berliner Identität geworden – als Denkmal der Geschichte und als Symbol für den ständigen Wandel der Stadt. Vermutlich ein Grund, warum der Senat für die Sanierung derzeit den Einstieg privater Investoren in Betracht zieht.

 

© Foto: Wikimedia Commons

Nicht genutzter oberer Teil der Eingangshalle des einstigen Flughafens Tempelhof, aufgenommen im Jahre 2009. / © Foto: Wikimedia Commons, Michael F. Mehnert

Leere Abfertigungshalle des Hauptgebäudes im Jahr 2017. / © Foto: Wikimedia Commons, Membeth

Mai 2020: © Foto: Wikimedia Commons, Times

Quellen: rbb24, berlin.de, thf-berlin.de, orte-der-erinnerung.de