Ein zerstörtes Dach als Mahnmal, ein Eiskeller als Denkmal, eine Bühne für kreative Köpfe – das ist die historische Schneider-Brauerei in Prenzlauer Berg. Die in ihrer Form bewusst konservierte Ruine erinnert an die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und beherbergt heute ein modernes Musikstudio – jetzt lesen mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS.

Ein Ort zwischen Vergangenheit und Vision: Die ehemalige Schneider-Brauerei an der Greifswalder Straße in Pankow trotzt als Ruine der Zeit und öffnet ihre Tore heute für die Kultur. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT
Eine der letzten Weltkriegsruinen in Berlin steht im Prenzlauer Berg, das ehemalige Gebäude der Schneider-Brauerei. Bewegt man sich heute in der Greifswalder Straße (Haus-Nr. 23a), erkennt man das Gebäude nicht sofort, denn es liegt verborgen hinter einer Häuserzeile. Es ist zwar denkmalgeschützt und zur Nutzung bautechnisch wieder hergerichtet, hat aber – ähnlich wie bei der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz – ein zerstörtes Dach als nachhaltigen Hinweis auf den Mahnmalstatus.
Auch auf der Denkmalliste Berlins ist es zu finden, als eines von insgesamt 8.000 gelisteten Denkmalen der Stadt. Seine Historie geht zurück in die Zeit der Gründerjahre Berlins, Mitte der 1870er-Jahre. Nach der Proklamation Berlins im Jahr 1871 zur Reichshauptstadt begann der große Aufbruch in der neuen Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches – wirtschaftlich, baulich, kulturell und auch, was den Bevölkerungszuwachs betraf.
Ende des 19. Jahrhunderts: Berlin war größter Bierproduzent Europas
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Berlin zum größten Bierhersteller Europas und verzeichnete eine Bierproduktion in der Stadt von circa 250 Brauereien. In den Jahren 1887/1888 kaufte die Familie Schneider ein ehemaliges Ackergrundstück, direkt gegenüber dem Volkspark Friedrichshain gelegen, auf dem sich der „Schweizer Garten“ befand, ein Ausflugslokal mit Kaffee- und Biergarten, Restaurants und einem Konzertgarten, in dem Tanz- und Musikveranstaltungen stattfanden.
Fünf Jahre später beauftragte man den Architekten Friedrich Arthur Rohmer mit dem Entwurf und der Bauausführung einer Brauerei. Der Rathsbaumeister Rohmer, der sich schon bei vorherigen Brauerei-Projekten in Berlin einen guten Namen erworben hatte, entwarf eine kompakte Brauanlage mit bis zu 1,20 Meter starken Wänden und mit Luftkanälen und Kaminzügen, die ein Ausfrieren des Lager- und Gärkellers verhinderten. Dies war umso notwendiger, da in der Brauerei ein technisch anspruchsvolles untergäriges Bier gebraut werden sollte – Weißbier!
Jahrhundertwende: Herstellung von Weißbier auf dem Areal des „Schweizer Gartens“
Die dabei zur Anwendung gelangende untergärige Hefe erforderte für den Gärprozess eine niedrige Temperatur zwischen vier und neun Grad. Diese Braumethode war eigentlich in den kühlen Bergregionen Süddeutschlands üblich, aber der Standort in Prenzlauer Berg lieferte dafür die idealen Voraussetzungen, denn er verfügte über eine hervorragende Wasserqualität. Auch aufgrund der Geographie des Areals war es dem Architekten bei seinem Entwurf möglich, tiefe Keller zur Kühlung des Biers zu konzipieren.
Über dem Kellergeschoss sah der Architekt zwei Obergeschosse vor, die unverputzt blieben und die typischen Streifen der Berliner beigen und roten Backstein-Industriearchitektur zeigten. Auf dieses architektonisch-künstlerische Detail hat auch der heutige Eigentümer bei der Restaurierung des Gebäudes großen Wert gelegt. Architekt Rohmer plante zur Kühlung des Weißbieres im Baukörper einen Eiskeller, der als letzter erhaltener Natureiskeller in der Berliner Innenstadt gilt und daher auch denkmalgeschützt ist. Im Untergeschoss befinden sich insgesamt vier Kellergewölbe, die sich 15 Meter unter dem Straßenniveau im natürlichen Baugrund befinden.
Historische Schneider-Brauerei in Pankow: Zerstörtes Dachelement als Mahnmal
Das ruinenartige Dachelement ist das Ergebnis eines Granateinschlages aus den letzten Tagen des Häuserkampfes im April 1945 um die ehemalige Reichshauptstadt. Nach dem Willen des Eigentümers sollte das beschädigte Dach in genau dieser Form erhalten bleiben, wurde aber dementsprechend bautechnisch stabilisiert. Im Erdgeschoss befinden sich zwei große nebeneinanderliegende Hallen mit einer Deckenhöhe von acht Metern und einer Nutzfläche von 180 bzw. 270 Quadratmetern.
Neben diesen beiden Hallen liegt noch die 120 Quadratmeter große ehemalige sogenannte „Schwankhalle“, in der früher, bei noch laufendem Betrieb, die Anlieferung und der Versand der Bierfässer ablief. Allerdings wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 die Weißbierproduktion eingestellt und nur 22 Jahre nach Eröffnung der Brauerei letztendlich beendet. Das Lokal im Schweizer Garten war beliebt und wurde vorerst weitergeführt. Später wurde es vom neuen Pächter als Boxarena, für Kinovorführungen sowie Ball- und Tanzveranstaltungen genutzt.
NSDAP im „Schweizer Garten“: Die Brauerei als Bühne für Politik
Aber auch von den politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik blieb der Schweizer Garten und das Lokal nicht verschont. Ab 1938 nutzte dann die NSDAP den Schweizer Garten als Bühne für ihre Propagandaveranstaltungen. Die Gebäude des Schweizer Gartens wurden im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges weitgehend zerstört, nur die ehemalige Schneider-Brauerei hatte als Ruine auf dem Areal noch Bestand.
Nach Kriegsende wurden Teile der Brauereiruine von unterschiedlichstem Kleingewerbe wie Autowerkstatt, Kohlehandlung und als Heizzentrale genutzt. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden auf dem Gelände Büros und ein Kindergarten errichtet. Des Weiteren sollen Teile des Gebäudes als Lager für Militärmaterial und die gekühlten Keller als Champignonzuchtanlage genutzt worden sein.
Nach dem Mauerfall: Nutzung als Musikbrauerei und für neue Immobilien
Nach dem Mauerfall befand sich der denkmalgeschützte Gebäudekomplex bautechnisch in einem sehr kritischen Zustand. Dann aber kaufte der Toningenieur Jens Reule Dantas mit seinem Unternehmen Ufo Sound die ehemalige Schneider-Brauerei und gestaltete sie zu einer Musikbrauerei um. Nach der unumgänglichen Sanierung sieht das Gebäude – von außen betrachtet mit dem eingestürzten Giebel – vom Eigentümer so beabsichtigt nach wie vor wie eine Ruine aus. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen, denn in den ehemaligen Industriehallen ist jetzt die „Musikbrauerei“ installiert.
Und auch zu Wohnzwecken wurden Teile der ehemaligen Schneider-Brauerei umgenutzt. So wurden im südlichen Teil des Gebäudekomplexes fünf Luxus-Apartments implementiert und die ehemalige Fläche des Schweizer Gartens wurde mit Stadtvillen und Townhouses bebaut. Zum Glück hat der Denkmalschutz nach wie vor seine Hände im Spiel, sodass im Jahr 2012 eine weitere Bebauung des Geländes gestoppt werden konnte. Für das neue, zwanzig Meter hohe Gebäude hätte der historische und auf Berliner Stadtgebiet einmalige Natureiskeller abgerissen werden müssen.

Neues Wohnen auf historischem Grund: Auch zu Wohnzwecken wurden Teile der ehemaligen Schneider-Brauerei umgenutzt. So wurden im südlichen Teil des Gebäudekomplexes fünf Luxus-Apartments implementiert und die ehemalige Fläche des Schweizer Gartens wurde mit Stadtvillen und Townhouses bebaut, die bis hinunter zum Volkspark Friedrichshain führen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Quellen: Wikipedia, UFO Sound Studios, berlin.de, Prenzlauer Berg Nachrichten