Die Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss, wie sie in Potsdam seit dem Mauerfall an vielen Stellen der Stadt vorgenommen wurde, eröffnet durchaus Chancen, bringt aber auch Kontroversen mit sich. Ein spannender Einblick in die Entwicklung einer traditionsreichen Metropole, die zwischen barocken Fassaden und moderner Lebenswelt ihr städtebauliches Gleichgewicht sucht.

Die Entwicklung Potsdams spiegelt eindrucksvoll wider, wie sich Geschichte und Moderne miteinander verweben lassen. Die Stadt hat es geschafft, durch gezielte Maßnahmen ihre historische Substanz zu bewahren und gleichzeitig zukunftsorientiert zu handeln. Dieses Zusammenspiel macht Potsdam zu einem spannenden Beispiel für moderne Stadtplanung in Europa. / © Foto: Envato

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Text: Karin Schütte

 

Mit der deutschen Wiedervereinigung und der Wiedergründung des Landes Brandenburg im Jahr 1990 wurde Potsdam dessen Landeshauptstadt. Einst bekannt als Residenzstadt der preußischen Könige, stand die Stadt nach der Wende vor der Herausforderung, das historische Erbe zu bewahren und gleichzeitig mit den Anforderungen der modernen Zeit zu wachsen.

Noch im selben Jahr wurden weite Teile der Potsdamer Kulturlandschaft zum UNESCO-Welterbe ernannt. Drei Jahre später, 1993, fand die 1.000-Jahr-Feier statt und unterstrich damit seine geschichtliche Bedeutung. Heute spiegelt Potsdams Entwicklung die Auseinandersetzungen zwischen Erhalt und Wandel wider, die es auch in vielen anderen deutschen und europäischen Metropolen gibt.

Städtebau in Potsdam: Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss

Seit der Wende verfolgt die Landeshauptstadt eine zielgerichtete Rückkehr zum historischen Stadtbild von vor 1945. In den Jahren 1999, 2006 und 2021 wurden wichtige Entscheidungen getroffen, um die Potsdamer Mitte als Sanierungsgebiet auszuweisen. Hauptanliegen ist es seither, das Zentrum als einen lebendigen Raum für urbanes und kulturelles Leben neu zu gestalten.

Zahlreiche Maßnahmen, wie die Erneuerung des Lustgartens als öffentlichen Veranstaltungsplatz oder das fertiggestellte Fortunaportal, tragen bereits dazu bei. Der Stadtkanal spielte dabei eine besondere Rolle. Zur Bundesgartenschau 2001 wurde in der Yorckstraße ein erstes, etwa 300 Meter langes Teilstück des in den 1960er Jahren zugeschütteten Kanals wieder freigelegt.

Landeshauptstadt Potsdam: Stadtschloss und Fortunaportal im neuen alten Glanz

Ein weiterer bedeutender Meilenstein der Umgestaltung ist der Wiederaufbau des Fortunaportals und des ehemaligen Stadtschlosses Friedrichs des Großen. Nach Plänen des Dresdner Architekten Peter Kulka kombiniert das Stadtschloss, das heute als Brandenburger Landtag genutzt wird, moderne Büroarchitektur mit barocken Fassaden. Spolien aus dem zerstörten Schloss wurden dank engagierter Bürger und Museen in den Originalbau integriert.

Mit dem Aufstellen der letzten Figurengruppen in die Ringerkolonnade endeten im Sommer dieses Jahres die Restaurierungsarbeiten des Sandsteinbaus. Die Verbindung von Alt und Neu sollte dem Gebäude eine besondere historische Authentizität verleihen und stellt einen wichtigen Schritt in der städtebaulichen Entwicklung dar.

Als Zentrum für Potsdam: Markante Umgestaltungen des Alten Markts

Seit Beginn der Planungen hat vor allem der Alte Markt in Potsdam eine markante Umgestaltung erfahren und dient nun als zentraler Vorplatz des neuen Landtags. Durch die Absenkung des Platzes auf das historische Niveau und umfassende Pflasterarbeiten konnte man den Platz weitgehend in seiner historischen Form wiederherstellen. Er verbindet nun die Nikolaikirche, das Alte Rathaus und die Bebauung entlang des Havelufers und spielt eine zentrale Rolle im Stadtbild. Bis 2029 arbeitet die Stadt zudem am Wiederaufbau der Gebäudeensembles rund um die Nikolaikirche am Alten Markt.

Auch die angrenzenden Bauvorhaben orientieren sich am historischen Stadtgrundriss. Im Bereich der Verkehrsplanung wurden bereits zwischen 2007 und 2008 umfassende Maßnahmen zur Neuordnung der Friedrich-Ebert-Straße, der Breiten Straße und der Straßenbahn durchgeführt. Diese Maßnahmen schafften Platz für neue Gebäude und verbesserten gleichzeitig die Erreichbarkeit der Innenstadt. In dem Zuge errichteten Haberland Architekten im Juli dieses Jahres westlich der Friedrich-Ebert-Straße die neue Synagoge. Die Ruinen der alten Synagoge hatte man dort in den 1950er Jahren abgerissen.

Verschiedene Lebenswelten im Stadtzentrum: Sozialer Wohnraum trifft auf luxuriöse Architektur

Nördlich der Nikolaikirche entstand auf einem historischen Baufeld ein Karree mit einer Mischung aus Wohn- und Gewerbenutzung. Diese Maßnahme möchte zu einer lebendigen Quartiersstruktur beitragen und den urbanen Raum weiter aufwerten. Auch entlang des Havelufers initiierte man eine geschlossene Bebauung, die sich an der historischen Situation orientiert. Die Promenade entlang der Alten Fahrt bleibt hingegen als öffentliche Flaniermeile erhalten und ist so gestaltet, dass sie den Charakter eines urbanen Erholungsraums bewahrt.

Die Nutzungsmischung spielte hierbei eine wichtige Rolle, wie Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) versichert: Während einerseits luxuriöse Wohnungen entstehen, schaffen die lokalen Genossenschaften auf der anderen Seite weitgehend erschwinglichen Wohnraum, sodass die soziale Durchmischung der Innenstadt erhalten bleibt.

2021 plante man, dass rund zwei Drittel der Wohnungen im neuen Karree am Alten Markt mit Mietpreisbindungen versehen werden. Laut Bodo Jablonowski, Vorstandschef der Wohnungsgenossenschaft Karl Marx, soll dieses Karree mit seiner Mischung aus historischen Fassaden und moderner Architektur wesentlich zur Belebung des Alten Markts beitragen. Mietpreise zwischen 5,50 und zehn Euro wurden als Zielrahmen genannt. Die ersten Karl Marx-Mitglieder bezogen im Spätsommer 2024 ihr neues Zuhause in der Potsdamer Mitte.

Herstellung der historischen Stadtstruktur stößt in der Landeshauptstadt auf unterschiedliche Reaktionen

Mit der konsequenten Wiederannäherung an ihren historischen Stadtgrundriss hat Potsdam einen Weg eingeschlagen, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander versöhnen soll. Die baulichen Maßnahmen sind Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels, der die Stadt nicht nur schöner, sondern auch lebenswerter machen möchte.

Die Entscheidung, Potsdams historische Stadtstruktur wiederherzustellen, stößt jedoch auf unterschiedliche Reaktionen. Während einige die Rekonstruktion als Möglichkeit sehen, das kulturelle Erbe der Stadt zu bewahren, äußern andere Bedenken. Insbesondere der Wiederaufbau der Garnisonkirche wird oft als problematisch betrachtet, da sie stark mit der preußischen Militärgeschichte verknüpft ist.

Urbane Stadtentwicklung: Moderne Architekturkonzepte oder Rekonstruktion historischer Strukturen?

Kritiker werfen zudem immer wieder die Frage auf, ob es nicht besser wäre, moderne architektonische Konzepte zu entwickeln. Diese könnten besser auf die aktuellen Bedürfnisse der Stadt eingehen, anstatt eine „neue Stadt im alten Stil“ zu erschaffen. Das Beispiel Potsdam zeigt jedenfalls, wie eine Stadt ihre Identität aus Vergangenheit und Gegenwart formen kann.

Der Balanceakt zwischen der Bewahrung historischer Strukturen und modernen Anforderungen verdeutlicht dabei die Vielschichtigkeit urbaner Entwicklung. Die bewusste Wiederannäherung an die historische Stadtstruktur Potsdams hat in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur einen kulturellen Mehrwert geschaffen, sondern auch das städtische Leben gefördert. Dies müssen selbst Kritiker der historischen Rekonstruktion wohl einräumen. Ob dies auch mit zeitgenössischer Architektur gelungen wäre, ist schwer zu beantworten.

Blick über die Breite Straße mit der Baustelle für den Wiederaufbau des Turms der historischen Garnisonkirche in Potsdam. Am 22. August 2024 wurde der Neubau eröffnet. / © Foto: IMAGO / Martin Müller

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Abrissarbeiten am Staudenhof: Hier wird Platz gemacht für einen Neubau, der das historische Ensemble im Herzen der Landeshauptstadt ergänzen soll. / © Foto: IMAGO / Martin Müller

Quellen: IZ, Landeshauptstadt Potsdam, Tagesspiegel, Potsdamer Neuste Nachrichten, StadtSpuren, Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, rbb24, Wikipedia

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One Comment

  1. anda tirpitz 18. Dezember 2024 at 10:20 - Reply

    MIr zeige einer eine einzige deutsche Stadt, die mit einer mordernen Stadtzentrumsarchitektur durch die Decke geht! Moderne Architektur hat hunderttausendmal landesdeckend aufgeschlagen und hat bis auf wenige Ausnahmen nichts, aber auch gar nichts gerissen. Sie hat über 70 Jahre total freie Hand gehabt und stattdessen nur geldgeilen Investoren mit seelenlosem Primitivismus und tumben Architekten das Feld bereitet…. Ein deutsches modernes Stadtzentrum, das von Touristen überrannt wird wie Dresden und ich halte meine Klappe.

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