In Berlin-Schöneberg steht ein Relikt der NS-Architektur, das einst die Tragfähigkeit des Bodens für gigantische Baupläne testen sollte. Heute erinnert der Schwerbelastungskörper an den gescheiterten Größenwahn des „Welthauptstadt Germania“-Projekts – und bleibt doch für viele ein unbekanntes Denkmal.

Nach dem Krieg blieb der Schwerbelastungskörper erhalten und wurde bis 1977 für Messungen genutzt. Seit 2009 dient er als Mahnmal und Informationsort. / Foto: Wikimedia Commons, Drrcs15, CC BY-SA 4.0

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Wer in Berlin-Schöneberg unterwegs ist, hat sich vielleicht schon einmal gefragt, was es mit dem riesigen Betonklotz in der General-Pape-Straße auf sich hat. Unspektakulär und doch monumental, verborgen hinter Bäumen und kaum erschlossen, steht hier ein Relikt aus einer Zeit, in der Berlin zur „Welthauptstadt Germania“ werden sollte.

Der sogenannte Schwerbelastungskörper ist ein Zeugnis nationalsozialistischer Stadtplanung – ein Bauwerk, das einst technische Fragen klären sollte, heute aber vor allem als Mahnmal des gescheiterten Größenwahns dient.

Vision „Germania“: Die Idee einer radikale Umgestaltung Berlins unter den Nationalsozialisten

Bereits in den 1930er Jahren begannen die Nationalsozialisten mit der Planung einer radikalen Umgestaltung Berlins. Adolf Hitler träumte von einer Hauptstadt, die alle bisherigen architektonischen Errungenschaften übertreffen sollte. Zwei monumentale Achsen sollten das Stadtbild dominieren: die Ost-West-Achse, die weitgehend auf bestehenden Straßen basierte, und die Nord-Süd-Achse, die eine vollständige Neuanlage erforderte.

Das Herzstück dieser neuen Architektur war die geplante „Große Halle“, ein gewaltiger Kuppelbau mit einer Höhe von 320 Metern, der bis zu 180.000 Menschen fassen sollte. Ergänzt wurde diese Vision durch einen monumentalen Triumphbogen, den Hitler bereits in den 1920er Jahren skizziert hatte. Mit einer Höhe von 117 Metern und einer Breite von 170 Metern wäre dieser etwa dreimal so groß wie der Arc de Triomphe in Paris gewesen. Seine Wände sollten die Namen von mehr als zwei Millionen im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten tragen.

Ein technisches Experiment: Der Schwerbelastungskörper entsteht

Die gewaltigen Dimensionen des Bauwerks stellten jedoch eine erhebliche technische Herausforderung dar. Der Berliner Boden, geprägt von Sand- und Geschiebemergelschichten, galt als wenig tragfähig für eine derartige Konstruktion. Um herauszufinden, ob der Berliner Untergrund den enormen Belastungen eines solchen Bauwerks standhalten könnte, ordnete Albert Speer eine geotechnische Testreihe an.

Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Bodenmechanik (Degebo) wurde zwischen 1941 und 1942 der Schwerbelastungskörper errichtet. Das Bauunternehmen Dyckerhoff & Widmann setzte die Pläne um.

Betonblock mit enormer Drucklast: Technische Dimensionen und herausfordernde Bauphase

Das Bauwerk besteht aus einem unbewehrten Betonblock, der insgesamt 32,2 Meter hoch ist, wovon jedoch 18,2 Meter im Erdreich verschwinden. Mit einem Durchmesser von 21 Metern und einem Gesamtgewicht von 12.650 Tonnen wurde eine enorme Drucklast auf den Untergrund ausgeübt. Diese Belastung entsprach in etwa der des geplanten Triumphbogens. Bereits während der Bauphase begannen Experten mit präzisen Messungen, um die Absetzungsprozesse des Bodens zu dokumentieren.

Die Bauarbeiten fanden unter schwierigen Bedingungen statt. Französische Kriegsgefangene wurden gezwungen, am Projekt zu arbeiten, und viele von ihnen litten unter den harten und entbehrungsreichen Arbeitsbedingungen. Trotz der sich verschärfenden Kriegslage wurde das Experiment bis 1944 weitergeführt.

Gescheiterte Visionen: Der Schwerbelastungskörper und das Ende von „Germania“

Die Messergebnisse, die aufgrund des Kriegsverlaufs erst 1948 vollständig ausgewertet werden konnten, ergaben, dass der Schwerbelastungskörper innerhalb von zweieinhalb Jahren um 19,3 Zentimeter eingesunken war. Zudem war das Bauwerk aufgrund von Betonierfehlern um 3,5 Zentimeter geneigt. Diese Werte machten deutlich, dass der Triumphbogen unter den damaligen Bedingungen nicht ohne erhebliche Bodenverstärkungen hätte gebaut werden können.

Die Nationalsozialisten selbst konnten jedoch keine Konsequenzen mehr aus diesen Erkenntnissen ziehen, da der Zweite Weltkrieg 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete. Die Vision der „Welthauptstadt Germania“ blieb somit eine größenwahnsinnige Fantasie, von der letztlich nur einzelne Relikte übrig blieben – unter anderem der Flughafen Tempelhof, der Hochbunker Pallasstraße sowie der besagte Schwerbelastungskörper.

Geteilte Stadt, vergessener Koloss: Der Schwerbelastungskörper während des Kalten Kriegs

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb der Schwerbelastungskörper erhalten, doch seine Umgebung veränderte sich grundlegend. Durch die politische Teilung Berlins lag der Betonkoloss fortan im Westteil der Stadt, während der Ostsektor ab 1961 durch den Bau der Berliner Mauer zunehmend isoliert wurde.

Der Schwerbelastungskörper blieb also bestehen – nicht zuletzt, weil er sich auf West-Berliner Gebiet befand. Eine Sprengung wurde auch in West-Berlin nicht in Betracht gezogen, da die Erschütterungen angrenzende Wohngebiete erheblich hätten gefährden können. Stattdessen wurde das Bauwerk weiterhin für wissenschaftliche Zwecke genutzt.

Von der wissenschaftlichen Nutzung zur Vergessenheit: Gelände blieb sich lange selbst überlassen

Die Deutsche Gesellschaft für Bodenmechanik (Degebo) führte bis 1977 Messungen durch, um die langfristigen Setzungen des Bauwerks zu dokumentieren. Dabei standen nicht mehr die ursprünglichen NS-Baupläne im Mittelpunkt, sondern vielmehr allgemeine Erkenntnisse zur Bodenmechanik, die auch für spätere Bauprojekte von Bedeutung waren.

Nach Abschluss der Messreihen wurde das Gelände zunehmend sich selbst überlassen, wucherte zu und geriet für viele Jahre weitgehend in Vergessenheit. Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Bauwerk erneut in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt.

Betonkoloss wird Erinnerungsort: Die Wiederentdeckung des Schwerbelastungskörpers

Mit der wachsenden Anerkennung des Schwerbelastungskörpers als Geschichtszeugnis begannen ab 2007 umfassende Sanierungs- und Umgestaltungsmaßnahmen. Ziel war es, das Gelände als öffentlich zugänglichen Informations- und Erinnerungsort zu gestalten. Neben der Sicherung des Bauwerks entstand ein Informationspavillon mit einer Dauerausstellung zur nationalsozialistischen Stadtplanung und zum Bau des Schwerbelastungskörpers. Eine Aussichtsplattform ermöglicht es Besucherinnen und Besuchern, die Dimensionen der geplanten Nord-Süd-Achse nachzuvollziehen.

Die offizielle Eröffnung des Informationsorts erfolgte am 12. September 2009. Allerdings wurden die ursprünglichen Baukosten um ein Vielfaches überschritten, sodass der Berliner Rechnungshof das Projekt später prüfte und kritisierte. Ungeachtet der finanziellen Kontroversen entwickelte sich der Standort zu einem wichtigen Bestandteil der Berliner Erinnerungskultur.

„Naziklotz“: Der Schwerbelastungskörper als Mahnmal und Geschichtszeugnis

Die Wahrnehmung des Schwerbelastungskörpers hat sich über die Jahrzehnte stark gewandelt. Während er lange Zeit als überflüssiges Relikt der NS-Zeit betrachtet wurde, ist er heute ein anerkanntes Mahnmal gegen architektonischen Größenwahn und Diktatur. Dennoch ist der Erhalt des Bauwerks weiterhin umstritten. Der umgangssprachliche Name „Naziklotz“ verdeutlicht, dass die Einschätzungen seines historischen Werts nach wie vor stark auseinandergehen.

Im Vergleich zu anderen erhaltenen NS-Bauten wie dem Flughafen Tempelhof oder dem Hochbunker in der Pallasstraße zeichnet sich der Schwerbelastungskörper dadurch aus, dass er nie eine tatsächliche Nutzung erfahren hat. Sein Zweck war rein experimenteller Natur, wodurch er heute als einzigartiges technisches Relikt jener Zeit gilt.

Stummer Zeuge gescheiterter Größenfantasien: Der Schwerbelastungskörper als Mahnmal der nationalsozialistischen Architekturvisionen

Der Schwerbelastungskörper ist eines der wenigen noch existierenden Zeugnisse nationalsozialistischer Stadtplanung in Berlin. Ursprünglich als technischer Belastungstest errichtet, ist er heute ein Mahnmal für die unrealistischen Planungen und ideologischen Ambitionen des NS-Regimes.

Seine Erhaltung spiegelt den Wandel im Umgang mit NS-Architektur wider: Während viele Bauwerke nach dem Krieg beseitigt wurden, steht heute die bewusste Auseinandersetzung mit der Geschichte im Vordergrund. Als stiller Zeuge eines gescheiterten Größenwahns bleibt der Schwerbelastungskörper ein bedeutendes Denkmal, das nicht nur die bautechnischen Herausforderungen der damaligen Zeit aufzeigt, sondern auch zur kritischen Reflexion über totalitäre Architekturvisionen anregt.

Quellen: Landesdenkmalamt Berlin, Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Berliner Unterwelten e. V., Berliner Landesdenkmalliste

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