Berlins oberster Denkmalschützer Christoph Rauhut verteidigt den umstrittenen Umbau des Gendarmenmarktes als bewusste Entscheidung für die historische Identität des Platzes. Die Debatte um fehlendes Grün greife zu kurz, so Rauhut – es gehe um mehr als nur Schatten, nämlich auch um städtebauliche Funktion und Wassermanagement. Jetzt lesen mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS.

Zweieinhalb Jahre Baustelle in Berlin-Mitte: Mit 21 Millionen Euro wurde der Gendarmenmarkt modernisiert und soll nun mehr Aufenthaltsqualität bieten. Während die Stadtpolitik das Projekt feiert, gibt es auch Stimmen, die eine stärkere Begrünung und weniger denkmalpflegerische Kompromisse gefordert hätten. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Nach rund zweieinhalbjähriger Umbauzeit wurde der Gendarmenmarkt vor knapp zwei Wochen feierlich wiedereröffnet. Auf 14.000 Quadratmetern des Gendarmenmarktes wurde erstmals eine barrierefreie Gestaltung umgesetzt – mit einer Kombination aus Pflaster und Platten, die das ursprüngliche, denkmalgeschützte Raster bewahrt, wie das verantwortliche Unternehmen Grün Berlin es nennt.
Die historische Ausstattung des Platzes, darunter restaurierte Gilly-Bänke, -Leuchten, Kandelaber und Kühn-Bänke, kehrte an ihren angestammten Platz zurück. Zusätzliche Schinkelleuchten sollen die Beleuchtung bislang schlecht ausgeleuchteter Bereiche verbessern.
Gendarmenmarkt: Rund 21 Millionen Euro kostete der Umbau des historischen Stadtplatzes
Mit 21 Millionen Euro war das Projekt durchaus kostspielig – 90 Prozent der Mittel stammen aus dem Förderprogramm zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), ergänzt durch Landesmittel. Damit wurde der Gendarmenmarkt also in seinen ursprünglichen Zustand versetzt, doch das Echo ist durchaus geteilt.
Viele Bürgerinnen und Bürger als auch Architekturexperten kritisieren die „Steinwüste“, die nach dem rund zweijährigen Umbau nun zutage getreten ist. Dabei wurde das historische Platzmuster lediglich wiederhergestellt, denn der Gendarmenmarkt war auch vorher schon weitgehend frei von Bäumen und begrünten Flächen – zumindest einige Jahrzehnte lang.
Berliner und Architekten kritisieren die „Steinwüste“, die am Gendarmenmarkt rekonstruiert wurde
Doch die Geschichte des Stadtplatzes ist etwas vielschichtiger, als es vielen Bewohnern der Hauptstadt heute noch bewusst ist. Denn noch im Sommer 1935 ist auf historischen Fotografien der Gendarmenmarkt mit großen Grünflächen, Bäumen und Sträuchern zu sehen.
Dass aus dem Platz die mittlerweile kritisch gesehene „Steinwüste“ wurde, haben letztlich die Nationalsozialisten zu verantworten. Während der Zeit des Dritten Reichs wurden mehrere repräsentative Plätze im Zentrum Berlins umfassend umgestaltet, darunter der Lustgarten, der Kaiser-Franz-Joseph-Platz, der Wilhelmplatz – und eben der Gendarmenmarkt. Die DDR stellte das Areal schließlich in den 1970er Jahren unter Denkmalschutz, 2021 bestätigte das Landesdenkmalamt den Denkmalschutz.
Landeskonservator Christoph Rauhut verteidigt im Tagesspiegel-Interview den abgeschlossenen Umbau
Der Leiter des Berliner Landesdenkmalamtes, Christoph Rauhut, verteidigte kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel den abgeschlossenen Umbau des Gendarmenmarkts: „Wir haben im Verlauf der Zeit viele Varianten diskutiert. Wie gestalten wir den Belag und die Oberfläche des Platzes? Wie ist seine Topografie? Gibt es noch Stufen an den Ecken? Wie gehen wir mit historischen Elementen wie den Kandelaberleuchten um, die wir auf dem Platz haben? Will man die Rasterpflanzung aus Kugelhörnern am Deutschen Dom wieder aufgreifen? Es hätte möglicherweise an manchen Stellen auch andere Lösungen gegeben, aber eine grundsätzlich andere Variante war in meiner Erinnerung von niemandem gewollt.“
So verteidigte Rauhut auch die baumlose Gestaltung des Areals: „An der Ecksituation am Deutschen Dom stehen neue Bäume. Es ging aber auch darum, den Charakter des Platzes zu erhalten. Der Gendarmenmarkt ist ein wirklicher Stadtplatz, mit großen Funktionsgebäuden auf und um sich. Hier kann nicht das Ziel sein, einen Park zu schaffen.“
Rauhut: „Unser Problem ist nicht nur die Hitze, sondern auch der Wassermangel.“
Rauhut ist der Ansicht, dass die aktuelle Diskussion um den Umbau des Gendarmenmarktes überspitzt sei. Auf dem Platz werde es ein umfangreiches gastronomisches Angebot geben, selbstverständlich auch mit Sonnenschutz.
Dadurch solle ein attraktiver Ort zum Verweilen entstehen. Gleichzeitig unterstütze der Platz Berlin aktiv auf dem Weg zur Schwammstadt. Das Problem bestehe nicht nur in der Hitze, sondern auch im Wassermangel. Es sei daher nicht sinnvoll, den Platz auf ein einziges Thema zu reduzieren.
Quellen: Der Tagesspiegel, Landesdenkmalamt Berlin, Verein der Freunde und Förderer des Gendarmenmarkts, Bezirksamt Mitte, Berliner Morgenpost, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Architektur Urbanistik Berlin, Konzerthaus Berlin, Grün Berlin, Wikipedia