Mit umfangreichen Umbauplänen und neuen Mietern beginnt für das Warenhaus Galeria Kaufhof am Berliner Alexanderplatz bald eine neue Ära. Das ehemalige, ikonische Centrum Warenhaus, einst Herzstück der DDR-Handelskultur, galt als sozialistisches Vorzeigeprojekt im modernen Stadtzentrum Ost-Berlins.
© Foto Titelbild: IMAGO / Marco Bertram
Text: Björn Leffler
Bereits im September hatten wir darüber berichtet, dass im heutigen Galeria Kaufhof am Alexanderplatz in Berlin-Mitte zukünftig neue Mieter einziehen könnten – im Gespräch war unter anderem der Einzug der Zentral- und Landesbibliothek. Commerz Real hatte die Immobilien am Alexanderplatz kurz vor der Signa-Pleite teuer gekauft und will das Hochhausprojekt, welches direkt am Kaufhof-Gebäude realisiert wird, nun wie geplant zu Ende bringen.
Ursprünglich sollte der Kaufhaus-Betrieb auch nach dem Bau des derzeit wachsenden Hochhauses fortgeführt werden, trotz der anhaltenden Krise klassischer Warenhäuser und des Einzelhandels insgesamt. Doch bereits im Juni war eine Variante öffentlich geworden, nach der die Bibliothek und ein verkleinertes Kaufhaus im Gebäude untergebracht werden könnte.
Galeria Kaufhof am Berliner Alexanderplatz: Wie geht es nach 2025 weiter?
Mit dem Umbau des Gebäudes – es wäre nicht der erste – würde die Nutzung als Warenhaus nach über 50 Jahren enden, zumindest in der heutigen Form. Damit würde am Alexanderplatz nicht nur einer der größten, sondern auch einer der bekanntesten Einzelhandelsstandorte der deutschen Hauptstadt schließen – es wäre das Ende einer Ära, die ein halbes Jahrhundert andauerte und den Charakter des Platzes maßgeblich geprägt hat.
Am 25. November 1970 wurde das damalige Centrum Warenhaus am Alexanderplatz in Ost-Berlin eröffnet. Das Warenhaus war Teil des Bebauungsplans, der 1964 als Siegerentwurf aus einem Architekturwettbewerb zur Neugestaltung des Platzes hervorging. Die Planung übernahm das Architektenkollektiv um Josef Kaiser und Günter Kunert. Der Bau begann schließlich im Jahr 1967.
Die DDR-Presse bezeichnete es als ein „großes Gemeinschaftswerk des sozialistischen Handels, der Bauarbeiter und vieler Helfer“, das nun vollendet sei. Im Buch “Kaufrausch – die Geschichte der ostdeutschen Versandhäuser” von Autorin Dr. Anna Kaminsky wurde das Kaufhaus wie folgt beschrieben: “In der Kinderabteilung war ein Fernsehturm aufgebaut worden. Es gab eine Eisenbahnanlage, die die ganze Zeit in Betrieb war und die die Kleinen angucken konnten. Es war ein Riesenrad aufgebaut worden, in dem Plüschtiere und Puppen Karussell gefahren sind. Es gab eine sehr ansprechende Warenpräsentation. Die Kunden konnten sich auch alles auf diesen Kleiderkarussells selber anschauen.”
Alexanderplatz: Eröffnung des Centrum Warenhaus am 25. November 1970
Das bei DDR-Bürgern beliebte Kaufhaus zeichnete sich durch große Verkaufsstände, eine helle, offene Atmosphäre und künstlerische Ausstattungen wie Keramiken aus. Es verfügte über Rolltreppen und war technisch auf dem neuesten Stand. Das Sortiment umfasste Kleidung, technische Geräte, Haushaltswaren, Heimwerkerbedarf, Stoffe, Kinderartikel und Schreibwaren – alles unter einem Dach.
Zudem gab es verschiedene Dienstleistungsangebote und ein Kundenrestaurant in der obersten Etage. Mit einer 2.000 Quadratmeter großen Lebensmittelabteilung bot es die größte Auswahl in der DDR. Das Warenhaus verkörperte zum Zeitpunkt der Eröffnung den modernen Standard an Verkaufs- und Dienstleistungskultur und unterschied sich in seiner optischen Gestaltung deutlich von älteren Kaufhäusern.
Das Centrum Warenhaus am Alexanderplatz sollte “Welthöchststand” verkörpern
Das Kaufhaus mit der charakteristischen Wabenfassade war bis zum Mauerfall einer der größten Publikumsmagneten für Gäste und Touristen in der damaligen Hauptstadt der DDR. Denn das, was die Verantwortlichen mit dem Centrum Warenhaus anbieten wollten, sollte “Welthöchsstand” verkörpern.
In einer Parteiversammlung des Centrum Warenhauses, gesendet in einer Reportage des DDR-Rundfunks, wurde der Anspruch an das Kaufhaus formuliert: “Und von der Wichtigkeit spielen wir als Warenhaus von der Konzentration her zwar eine wichtige Rolle und werden also auch Welthöchststand verkörpern, aber die anderen Handelseinrichtungen um uns herum werden sich genauso vorbereiten.”
Nach dem Mauerfall übernahm die Metro AG das Gebäude – Umbau ab 2004
Nach der politischen Wende übernahm die Metro AG das Gebäude, modernisierte es leicht und eröffnete eine Galeria-Kaufhof-Filiale mit 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Zwischen 2004 und 2006 wurde das Warenhaus nach Plänen von Josef Paul Kleihues umfangreich modernisiert und erweitert.
Die Verkaufsfläche wuchs auf 35.000 Quadratmeter, indem die Fassade zum Platz um etwa 25 Meter nach vorne versetzt und die oberen Etagen für Verkaufsräume genutzt wurden. Die ursprüngliche Metallfassade wurde durch eine Natursteinfassade mit großen Glasflächen ersetzt, und ein zentraler Lichthof mit Glaskuppel und 20 Rolltreppen entstand.
Alexanderplatz: Derzeit entsteht der Büroturm “Mynd”, der nächste Umbau soll 2026 starten
Die Gesamtkosten für den Umbau betrugen 110 Millionen Euro, davon 85 Millionen für Grundstückskäufe. Die Kaufhof AG investierte zusätzlich 27 Millionen Euro in Ausstattung und Technik. Derzeit läuft der nächste Umbau: Bis 2025 soll das Gebäude um etwa 20 Meter in Richtung Nordwesten zur Karl-Liebknecht-Straße erweitert werden.
Seit Oktober 2021 wird an der Ecke Dircksenstraße/Karl-Liebknecht-Straße der 134 Meter hohe Büroturm mit 33 Etagen, der sogenannte “Mynd-Tower”, in den Bestandsbau integriert. Doch damit nicht genug: Die Commerz Real, heutige Eigentümerin, soll ab Januar 2026 umfangreiche Sanierungen planen, die mindestens zwei Jahre dauern sollen. Ziel ist, das Gebäude architektonisch zu öffnen und es energetisch zu modernisieren, wie es heißt.
Galeria soll nach dem Umbau die Möglichkeit erhalten, als Mieter zurückzukehren – allerdings auf einer deutlich reduzierten Fläche. Ob das Kaufhaus nach dem Umbau in das Gebäude zurückkehren wird, ist derzeit offen – und damit die Frage, ob die Geschichte des Einzelhandels im einstigen Centrum Warenhaus im kommenden Jahr enden wird, oder zukünftig in veränderter, reduzierter Form weitergeführt werden kann.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Tishman Speyer Properties, Galeries Lafayette, Immobilien Zeitung, B.Z., Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, X (ehem. Twitter), Wikipedia, IMAGO, Deutschlandfunk Kultur, Buch Kaufrausch – die Geschichte der ostdeutschen Versandhäuser
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