Die Transformation des Lausitzer Platzes in Berlin-Kreuzberg steht sinnbildlich für die Spannungen zwischen moderner Stadtplanung und den Bedürfnissen von Anwohnern. Während einige den neuen Freiraum genießen, stoßen die Maßnahmen bei anderen auf heftige Kritik – doch die Umgestaltung des beliebten Quartiers geht noch weiter.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler
Als kürzlich eine Veranstaltung zur Weiterentwicklung des Projekts Reallabor Radbahn in der Immauskirche am Lausitzer Platz stattfand, musste sich der anwesende Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, plötzlich wütenden Anfeindungen einer Anwohnerin erwehren, die gar nicht über das Fahrradprojekt auf der Skalitzer Straße sprechen wollte, sondern über den Lausitzer Platz.
Nur mühsam konnte die Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Projekt gelenkt werden, doch der Zwischenfall zeigte, wie kontrovers die Umgestaltung des Stadtraums in Berlins Kiezen mitunter diskutiert wird. Die Anwohnerin kritisierte die Art und Weise der durchgeführten Umgestaltung, fehlende Mitbestimmungsrechte für die Anwohner und die aktuell mangelnde Platzpflege für den Lausitzer Platz.
Lausitzer Platz in Kreuzberg: Die anhaltende Transformation eines urbanen Quartiers
Der Lausitzer Platz, der sich, durch die Skalitzer Straße abgegrenzt, nordwestlich an den Görlitzer Park anschließt, ist Teil eines umfassenden Verkehrsprojekts, bei dem in den vergangenen Jahren großflächig Parkplätze und Verkehrsflächen entsiegelt und in Grünflächen und Fußgängerzonen umgewandelt worden sind. Auch im Graefekiez ist dies vorgenommen worden und wird weiter umgesetzt.
Die beliebten Quartiere im Osten Kreuzbergs sind vor allem geprägt von Gründerzeit-Häusern, Kleingewerben und – bereits heute – entschleunigtem Verkehr. Hier wurde sogar die erste Spielstraße Berlins eröffnet. Doch viele Unternehmer und Gewerbetreibende fürchten sowohl im Graefekiez als auch am Lausitzer Platz um ihre Liefermöglichkeiten und auch private Anwohnerinnen und Anwohner kritisierten den Umbau, während es auf der anderen Seite zahlreiche Befürworter gibt.
Klimagerechter Umbau: Befürworter und Gegner ringen um die Gestaltung des Verkehrsraums
Am Lausitzer Platz rund um die historische Immauskirche ist der Autoverkehr mittlerweile (fast vollständig) “ausgesperrt” worden. Hier lässt sich in der Praxis beobachten, wie ein Verkehrsraum vollkommen neu bespielt und genutzt wird, der zuvor vor allem für den Autoverkehr reserviert war – und welche Auswirkungen dies haben kann.
Neben einer Grundschule befinden sich am Lausitzer Platz auch zwei Bolzplätze, eine Kita sowie ein Spielplatz. Bezirksstadträtin Annika Gerold (Die Grünen), äußerte sich gegenüber der Berliner Woche vor rund zwei Jahren wie folgt zum Projekt: “Ein solches Projekt bietet viel Potenzial, muss aber auch gleichzeitig viele Interessen berücksichtigen.” In diesem Statement war also schon herauszuhöre, wie unterschiedlich die mittlerweile in großen Teilen umgesetzte Umgestaltung im Quartier wahrgenommen wird.
Kreuzberg: Fehlende Parkplätze und Liefermöglichkeiten führten zu großem Unmut
Vor allem bei Autofahrern hatten die Pläne für großen Unmut gesorgt. Vor allem fehlende Parkplätze und das Problem, Einkäufe nicht bis zur Wohnung transportieren zu können, wurden heftig kritisiert. Daher wurden auf dem Platz schließlich versenkbare Bodenpoller installiert, die an bestimmten Tageszeiten eine Zufahrt auf den Platz ermöglichen. Gleichzeitig wurden Flächen, die vormals als Parkplätze genutzt wurden, entsiegelt.
Diese entsiegelten Flächen wurden neu bepflanzt und sollen vor allem die Aufenthaltsqualität am Lausitzer Platz steigern. Wer den Platz heute besucht, sieht vor allem, dass sich auf den engen Straßen Fußgänger mit kleinen Kindern und Fahrradfahrer ohne Verkehrskonflikte über den Platz bewegen können, Durchfahrtsverkehr von Autos oder größeren Fahrzeugen gibt es hier nicht. Während die laute Skalitzer Straße direkt am Lausitzer Platz entlang führt, ist es rund um die Kirche, die heute auch als Veranstaltungs- und Kulturzentrum dient, auffällig still.
Lausitzer Platz: Entsiegelte Flächen, Spielstraßen, mehr Platz für Gastronomie
So wurden einige der Straßen in Spielstraßen für Kinder umgestaltet, auch die Gastronomen haben deutlich größere Außenflächen erhalten. Die entsiegelten Parkplätze wurden bepflanzt, die von Anwohnern und Initiativen gepflegten Beete sehen im angehenden Herbst jedoch teilweise etwas verwittert aus, die Rasenflächen auf dem Platz sind stark übernutzt.
Das Bezirksamt hält einen Großteil des motorisierten Individualverkehrs durch sogenannte “Modalsperren”, also Poller an neuralgischen Verkehrspunkten, vom Lausitzer Platz fern. Kürzlich haben allerdings Berliner Polizei und Feuerwehr in einem öffentlichen Statement die Berliner Bezirke angemahnt, die klimagerechte Verkehrsplanung in den Kiezen nicht zu Lasten von Einsatz- und Rettungswegen durchzuführen.
Polizei und Feuerwehr ermahnen Bezirke, sie in Verkehrsprojekte früher zu involvieren
Per Kleist, der stellvertretende Leiter der Berliner Feuerwehr, kritisierte das Fehlen einheitlicher Regelungen, um die Feuerwehr bei solchen Projekten einzubeziehen, wie kürzlich Der Tagesspiegel berichtete. Oft werde sie bei der Entwicklung von Verkehrs- oder Freiraumkonzepten nur um eine Stellungnahme gebeten, informiert oder gar nicht beteiligt.
Kleist forderte, die Feuerwehr schon bei den ersten Planungsschritten sowie bei Umplanungen einzubinden, da sonst teure Nachbesserungen nötig seien. Ein Problem liege in der Gesetzeslage: Bundesgesetze sehen derzeit nur die Beteiligung der Polizei vor. Die Umgestaltung von Verkehrsflächen könnte jedoch auch die Arbeit der Feuerwehr beeinträchtigen, insbesondere wenn Poller oder andere Hindernisse überwunden werden müssen.
Umbau am Lausitzer Platz noch nicht abgeschlossen – nächster Bauabschnitt ab Sommer 2025
Am Lausitzer Platz ist indes die Transformation des öffentlichen Raums noch nicht abgeschlossen, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg möchte die Aufenthaltsqualität noch weiter verbessern und trieb dazu im vergangenen Jahr die Umgestaltung der Freiflächen, Sitzmöglichkeiten und Grünflächen im Zentrum des Stadtplatzes voran.
Diese Flächen sollen moderner und klimaresilienter gestaltet werden. Dafür hatte der Bezirk 2023 einen landschaftsplanerischen Realisierungswettbewerb ausgelobt. Landschaftsarchitekten waren also eingeladen, ihre Ideen zur Gestaltung des Lausitzer Platzes an der Skalitzer Straße einzureichen.
Vorgaben im Wettbewerb waren unter anderem die Gestaltung von Erholungsflächen, Spielbereichen und eine Begrünung des Platzes. Der europaweite Wettbewerb wurde in zwei Phasen durchgeführt und Ende April 2024 letztlich entschieden. Durchsetzen konnte sich letztlich das Büro WES LandschaftsArchitekten.
Drei Millionen Euro soll der Umbau der Freiflächen auf dem Lausitzer Platz kosten
Im kommenden Jahr sollen die Umbauarbeiten auf dem Lausitzer Platz starten. Nach aktuellem Planungsstand ist der Baubeginn für den Sommer 2025 angesetzt. Rund drei Millionen Euro wird das Bauvorhaben nach Angaben des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg kosten, die Finanzierung erfolgt über das Berliner Plätzeprogramm.
Annika Gerold zeigte sich im Frühjahr vom Siegerentwurf angetan: “Nach einem intensiven Beteiligungsprozess und einer interessanten Diskussion der eingereichten Arbeiten haben wir einen Gewinner gekürt, der die unterschiedlichen Ansprüche an den Platz bestmöglich berücksichtigt und einen robusten Rahmen für vielfältige Nutzungen bildet. Ich freue mich, dass es nun eine neue Vision für den Lausitzer Platz gibt“. Eine moderne Umgestaltung und Weiterentwicklung des Lausitzer Platzes kann womöglich auch die Kontroversen über den Zustand des Platzes zwischen Anwohnern und Bezirksamt etwas abmildern. Das Verkehrskonzept jedoch soll vom Umbau vorerst nicht betroffen sein.
In Kreuzberg wurden neue Zonen zur Parkraumbewirtschaftung eingerichtet, auch am Lausitzer Platz
Hinzu kommt, dass das Bezirksamt erst vor wenigen Wochen kommuniziert hat, dass es im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg seit dem 1. September vier neue Zonen zur Parkraumbewirtschaftung gibt, eine davon wurde rund um den Lausitzer Platz eingerichtet. Von Montag bis Samstag kostet das Parken dort zwischen 9 und 22 Uhr vier Euro pro Stunde.
Die Parktickets können an neu installierten Automaten erworben oder bequem über eine Handy-App abgewickelt werden. Es bleibt im Graefekiez und am Lausitzer Platz also auch zukünftig so: die Anreise mit dem Auto sollte wohl überlegt und gut geplant werden, denn der Stadtraum im Osten Kreuzbergs ist vorwiegend für Fußgänger, Radfahrer und den ÖPNV ausgelegt.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Berliner Feuerwehr, Der Tagesspiegel, B.Z., WES GmbH, Berliner Woche, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen