Innovative Mobilität unter historischen Gemäuern: Unter dem Bahnhofsvorplatz von Lichterfelde West soll ein modernes, automatisiertes Fahrradparksystem entstehen. Mit 240 Stellplätzen will das Projekt ein Zeichen für Nachhaltigkeit und urbanen Fortschritt setzen – und gleichzeitig ein längst vergessenes Verkehrsprojekt reaktivieren.

Zwischen Tradition und Innovation: Der Bahnhofsvorplatz in Lichterfelde West soll mit einem unterirdischen Fahrradparksystem ausgestattet werden, das Nachhaltigkeit und Funktionalität vereinen soll. / © Visualisierung: Lindner Planungsbüro

© Visualisierungen: Lindner Planungsbüro
Text: Björn Leffler

 

Der Bahnhofsvorplatz des historischen Bahnhofsgebäudes in Lichterfelde West, im Südwesten Berlins gelegen, ist derzeit Gegenstand verschiedener Planungen und Raumkonzepte, die intensiv diskutiert werden. Mehrere Ideen greifen dabei ineinander und ergänzen einander gewissermaßen. So soll der Bahnhofsvorplatz nach Wunsch viele Anwohner und Gewerbetreibender in einen modernen Marktplatz umgewandelt werden.

Im Zuge dieses Vorhabens soll der Verkehr auf den engen, mit Pflastersteinen ausgelegten Straßen reduziert und das Stadtbild insgesamt aufgewertet werden. Eine Bürgerbeteiligung unter der Leitung von Stadtrat Urban Aykal (Die Grünen) fand bereits Anfang Dezember 2024 statt und zeigte eine breite Zustimmung für das Vorhaben. Mit dem Projekt, welches auch vom im Bahnhofsgebäude ansässigen Lindner Planungsbüro unterstützt wird, soll eine innovative, nachhaltige Mobilitätslösung umgesetzt werden, die den historischen Geist des Standorts als Pionier in der Mobilität würdigen soll.

Bahnhof Lichterfelde West: Bedeutende Rolle in der Geschichte der Elektromobilität

Denn der Bahnhof Lichterfelde West spielt in der Geschichte der Elektromobilität eine wichtige Rolle. Vor rund 120 Jahren startete hier die erste elektrische Straßenbahn, die von Lichterfelde-West bis nach Giesensdorf fuhr. Diese Tradition als Vorreiter in der Mobilitätsentwicklung soll mit dem angestoßenen Projekt fortgeführt werden, bei dem mehrere hundert Fahrradstellplätze nicht auf oder neben der Straße angelegt werden sollen, sondern darunter.

Im Rahmen der Neugestaltung des Platzes ist also der Austausch der bisherigen Fahrradabstellplätze durch ein modernes, unterirdisches Fahrradparksystem geplant. Realisiert werden soll das Projekt mit dem automatisierten System der Firma GIVT, das vertikale Türme mit einem Liftmechanismus nutzt, um Fahrräder sicher und platzsparend unterhalb der Oberfläche zu verstauen. So beschreiben es jedenfalls die Projektinitiatoren, die hinter der Idee stehen.

Unterirdisches, automatisiertes Fahrradparksystem für den Bahnhofsvorplatz in Lichterfelde West

Das Unternehmen GIVT ist spezialisiert auf die Planung sowie die Beratung rund um die Themen Parken, Parkhäuser, Tiefgaragen und automatische Parksysteme. So entwickelt das in Berlin ansässige Unternehmen Parkraumkonzepte „als integraler Bestandteil von Verkehrsentwicklungsplänen und städtebaulichen Rahmenplänen„, wie es auf dem offiziellen Internetauftritt der Firma heißt.

Wie das auf bzw. unter dem Lichterfelder Bahnhofsvorplatz umgesetzt werden könnte, zeigt eine Visualisierung der beteiligten Lindner Planungsbüro GmbH. Die Stellplätze werden dabei in zwei Fahrrad-Tiefgaragen eingelagert und können über ein automatisiertes Verfahren abgestellt und flexibel wieder abgeholt werden.

Platzsparende Variante: 240 moderne Fahrradstellplätze könnten unter dem Straßenniveau entstehen

Insgesamt könnten auf diese Weise 240 Stellplätze entstehen, die sowohl eine praktische Nutzung als auch ein aufgeräumtes Erscheinungsbild des Stadtbildes ermöglichen würden, wie die Projektplaner veranschaulichen wollen. Doch das ist noch nicht alles, was den Initiatoren des nachhaltigen Mobilitätskonzepts vorschwebt.

Denn darüber hinaus soll der Bahnhofsvorplatz in Lichterfelde West in die Planungen für einen neuen Fahrradhighway integriert werden. Diese geplante Schnellverbindung soll von Lichterfelde-West bis zum Potsdamer Platz führen und dabei die Trasse ehemaliger Gleise nutzen. Die Projektplaner greifen damit eine Idee erneut wieder auf, die bereits vor knapp zehn Jahren das erste Mal formuliert worden war, bis heute aber nicht realisiert wurde.

Vision: Bahnhofsvorplatz in Lichterfelde West als Teil eines Fahrradhighways

Die Idee basiert auf der Tatsache, dass der Güterverkehr auf der Strecke entlang der S-Bahnlinie S1 von der Deutschen Bahn nur noch eingeschränkt genutzt wird. Durch die Umwandlung dieser unternutzten oder teilweise brachliegenden Gleisbette könnte eine nachhaltige und effiziente Verbindung in die Berliner Innenstadt geschaffen werden.

Die CDU-Politiker Thomas Heilmann und Karl-Georg Wellmann hatten die Idee eines Fahrradhighways damals in die Öffentlichkeit getragen, auch überregionale Medien berichteten darüber. Die geplante Fahrradverbindung sollte auf der historischen Stammbahntrasse verlaufen, die einst Berlin direkt mit Potsdam verband. Nach den Vorstellungen der Christdemokraten sollte dort eine Express-Fahrradroute entstehen, die über eine Strecke von rund 12 Kilometern Zehlendorf mit dem Potsdamer Platz verbinden könnte.

12 Kilometer Fahrradstrecke zwischen Zehlendorf und Potsdamer Platz auf ehemaligen Gleisbetten

Denn entlang der S1 Richtung Yorckstraße verläuft ein dritter, seit Jahrzehnten ungenutzter Schienenstrang. Dieser überwucherte Abschnitt diente zuletzt in den 1990er Jahren dem Transport von Baustoffen für den Potsdamer Platz. Genau hier sollte die geplante Schnellradroute verlaufen. Nördlich würde sie im Gleisdreieckpark enden, während die Trasse bis Lichterfelde nur an einer fehlenden Brücke unterbrochen wäre. Aus den Planungen ist, jedenfalls bis heute, nichts geworden.

Die nun gestartete Initiative zur Umgestaltung des Bahnhofsbereichs, einhergehend mit der Schaffung neuer Radwege und Stellmöglichkeiten, soll die Diskussion um dieses „vergessene“ Verkehrsprojekt wieder aufleben lassen – und gleichzeitig den Stadtraum rund um das geschichtsträchtige Bahnhofsgebäude aufwerten.

Am 15. Dezember 1872 wurde der heutige Bahnhof Lichterfelde West eröffnet

Der markante Bahnhof Lichterfelde West wurde am 15. Dezember 1872 eröffnet, finanziert vom Hamburger Unternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn, der die Villenkolonie Lichterfelde gründete. Ursprünglich mit zwei Seitenbahnsteigen und einem Empfangsgebäude im Stil einer toskanischen Villa ausgestattet, sollte die Station das Viertel erschließen und dessen Attraktivität steigern.

Mit dem Wachstum Lichterfeldes erfuhr der Bahnhof mehrere Namensänderungen, bevor er bereits im Jahr 1899, vor 125 Jahren, seinen heutigen Namen erhielt. Ab 1891 wurde er im Zuge der Eröffnung der Neuen Wannseebahn umfassend umgebaut, mit hochgelegtem Bahndamm, Mittelbahnsteigen und einer Kehranlage.

Zwischen 1900 und 1902 testete man hier den elektrischen Bahnbetrieb mit 750 Volt Gleichstrom, bevor das System auf weiteren Strecken eingeführt wurde. Ab 1933 hielt die Berliner S-Bahn am Bahnhof, der im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, aber 1945 provisorisch wieder in Betrieb genommen wurde. Nach einem Boykott und dem Stillstand 1980 übernahm die BVG 1984 den Betrieb, sanierte die Strecke und brachte sie wieder in das Netz der Berliner S-Bahn.

 

© Visualisierung: Lindner Planungsbüro

© Visualisierung: Lindner Planungsbüro

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Quellen: Lindner Planungsbüro GmbH, Gesellschaft für Innovative VerkehrsTechnologien mbH, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Wikipedia, Deutsche Bahn, taz

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