Am Boulevard Unter den Linden in Berlin-Mitte entstehen derzeit mehrere Bauvorhaben, deren architektonische Gestaltung ausgesprochen nüchtern und funktional daherkommt. Wie fügen sich diese neuen Gebäude in die Umgebung historischer Gebäude ein?

Der Neubau der Polnischen Botschaft am Boulevard Unter den Linden steht kurz vor der Fertigstellung. Die Gestaltung der Fassade ist ausgesprochen nüchtern. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Foto Titelbild: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler

 

Am Boulevard Unter den Linden entstehen derzeit drei Bauprojekte, die sich in ihrer architektonischen Gestaltung sehr ähneln – und allesamt ausgesprochen nüchtern daherkommen.

Die Rede ist dabei vom Neubau der Polnischen Botschaft, dem geplanten und direkt angrenzenden Elisabeth-Selbert-Haus sowie einem Verwaltungsneubau des Bundes, der nur wenige Schritte weiter, an der Ecke Dorotheenstraße / Schadowstraße entsteht.

Unter den Linden: Moderne Neubauten ergänzen historische Bebauung

Der historische Boulevard Unter den Linden in Berlin-Mitte ist eigentlich überwiegend geprägt von historischen Gebäuden, vor allem im östlichen Bereich der Prachtstraße. Unweit des Brandenburger Tors jedoch wird derzeit eine gänzlich andere Formsprache gewählt.

Es ist eine der letzten großen Baulücken gegenüber der prachtvollen und überdimensionierten Russischen Botschaft, die mit dem derzeit laufenden Bau der Polnischen Botschaft geschlossen wird. Es nahm einige Zeit in Anspruch, bis dies in Angriff genommen werden konnte.

Der Entwurf für die Polnische Botschaft geht zurück auf das Jahr 2012

Der allererste Anlauf für den Bau einer neuen Polnischen Botschaft am Boulevard Unter den Linden liegt bereits rund zwanzig Jahre zurück. Dem Vernehmen nach herrschte damals jedoch Uneinigkeit zwischen dem Berliner Senat und dem verantwortlichen Architekturbüro über die Gestaltung des potenziellen Neubaus.

Die Pläne für das Gebäude, welches nun errichtet wird, stammen aus dem Jahr 2012 und sind damit ebenfalls mehr als ein Jahrzehnt alt. Die Finanzierung des Projekts soll vollständig durch den polnischen Staat übernommen werden.

Das Büro JEMS ist verantwortlich für die Architektur der neuen Botschaft

Verantwortlich für den architektonischen Entwurf ist das in Warschau ansässige, polnische Architekturbüro JEMS. Der Entwurf sieht eine streng gegliederte Sandsteinfassade mit großen Durchbrüchen vor, der ein anspruchsvolles, optisches Konzept verfolgt. Zwei “doppelte” Schichten der Süd- und Nordfassade, die sich zwischen den angrenzenden Gebäuden erstrecken, sollen die “eigentlichen”, privaten Räumlichkeiten der Botschaft trennen.

Noch ist das Projekt nicht abgeschlossen, aber gravierende Änderungen an der Fassadengestaltung sind wohl nicht mehr zu erwarten. Ob der Neubau für den Boulevard Unter den Linden zu einem optischen Gewinn avanciert, muss stark bezweifelt werden.

“Zwillingsprojekt”: Neubau des Elisabeth-Selbert-Hauses

Direkt angrenzend entsteht in den kommenden Jahren eine Art “Zwillingsprojekt”, welches sich nahtlos in die Gestaltung der Polnischen Botschaft einfügen wird, denn bis 2026 soll direkt angrenzend das Elisabeth-Selbert-Haus entstehen.

Das Gebäude wurde von der Bundesregierung geplant, das Bauvorhaben wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben koordiniert. Baulich umgesetzt wird das Projekt vom Unternehmen PORR. Das architektonische Konzept für das L-förmige Gebäude stammt aus der Feder des Büros kleyer.­koblitz.­letzel.­freivogel architekten.

Berlin-Mitte: Fassaden werden von strengen Rastermustern dominiert

Wie auch bei der Polnischen Botschaft ist die Fassadengestaltung dominiert von einem strengen Rastermuster, welches keinen Raum für kreative oder individuelle Ausbrüche lässt.

Das neue Gebäude wird an der historisch bedeutsamen Kreuzung Unter den Linden / Schadowstraße errichtet, um den städtebaulichen Block zu vervollständigen. Der Eingang zum Bundestag und zur Willy-Brandt-Stiftung wird an der Ecke des Gebäudes sein, gekennzeichnet durch einen großzügigen Unterschnitt.

Neubauten Unter den Linden: Funktionalität schlägt Form

Das Eingangsfoyer soll geräumig gestaltet werden und Zugang zu allen Bürobereichen über eine auffällige Wendeltreppe bieten. Im Hauptflügel wird es eine zentrale Kernzone mit einem durchgehenden Luftraum geben, der die “Flure in Galerien verwandeln und eine visuelle Verbindung zwischen den Etagen” schaffen soll, wie es seitens der Architekten heißt.

Mit dem Neubau des Elisabeth-Selbert-Hauses und der bereits im Bau befindlichen Polnischen Botschaft entstehen am historischen Boulevard Unter den Linden zwei moderne Gebäude, die künftig wohl nur wenig Eindruck ob ihrer gleichförmigen Fassadengestaltung machen werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Neubauten zumindest ihre funktionalen Aufgaben gut erfüllen werden.

Dorotheenstraße: Verwaltungsneubau entsteht bis 2025

Auch der nur wenige Meter entfernt entstehende Neubau an der Ecke Dorotheenstraße / Schadowstraße kommt reichlich uninspiriert daher. Der Wettbewerb für das Gebäude wurde schon vor rund acht Jahren durchgeführt, seit 2017 erfolgt die Realisierung des Bauvorhabens.

Für die Umsetzung des Projekts ist das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung verantwortlich, rund 96 Millionen Euro werden in den Neubau investiert. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für 2025 vorgesehen, insgesamt knapp 24.000 Quadratmeter Nutzfläche sollen entstehen. Im Neubau sollen unter anderem eine Kantine mit Cafeteria sowie eine betriebsärztliche Praxis untergebracht werden.

Der moderner Neubau ist eingerahmt von bedeutenden Baudenkmälern

Der moderne Neubau wird von zwei bedeutenden Baudenkmälern eingefasst. In der Dorotheenstraße 93 von dem 1933–37 von Konrad Nonn erbauten ehemaligen Reichsministerium des Innern und späteren Justizministerium der DDR sowie in der Schadowstraße 10–11 von dem ältesten erhaltenen klassizistischen Gebäude in der Dorotheenstadt, dem 1805 erbauten Schadowhaus, welches das einstige Wohn- und Atelierhaus des preußischen Hofbildhauermeisters Johann Gottfried Schadow war.

Bisher befand sich auf dem Grundstück ein Fertigteilbau aus DDR-Zeiten. Dieses wurde von 1973 bis 1974 als Verwaltungsgebäude für ausländische Vertretungen vom Architekten Roland Korn erbaut. Das sechsgeschossige Bürogebäude war unterkellert und der gesamte Innenhof mit einer eingeschossigen Tiefgarage überbaut.

Architektonische Belanglosigkeit an historisch bedeutender Stelle

Das Gebäude wurde nach der Wende als Bürogebäude für verschiedene Behörden des Bundes und des Landes Berlin genutzt und wurde ab 2017 abgerissen, um Platz für den Neubau zu schaffen.

Dieser erinnert nun jedoch schon vor seiner Fertigstellung auf fatale Weise an seinen schmucklosen Vorgänger und ignoriert gekonnt die umliegenden, anspruchsvoll gestalteten Bestandsgebäude. Sowohl am Boulevard Unter den Linden als auch an der Dorotheenstraße entsteht damit eine architektonische Belanglosigkeit, die der Bedeutung der umliegenden Gebäude nicht einmal annähernd gerecht werden kann.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

© Visualisierung: kleyer.­koblitz.­letzel.­freivogel architekten, PORR GmbH & Co. KGaA

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Open Street Map

Quellen: kleyer.­koblitz.­letzel.­freivogel architekten, PORR GmbH & Co. KGaA, JEMS, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

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5 Comments

  1. M. Hillen 21. Juli 2024 at 11:18 - Reply

    Vielleicht wäre es zielführend, die Hauptverantwortlichen für solch gebaute Hässlichkeiten zukünftig mit dem Tode zu bestrafen… Das könnte man rechtlich zum Beispiel so regeln: Von den jährlich zehn hässlichsten Neubauten einer Stadt (durch Umfrage ermittelt) werden diejenigen Verantwortlichen mit dem Tode bestraft, deren Neubau in der Umfrage auf über 75% Ablehnung stößt. Die Bevölkerung, die unter dem Anblick so viel gebauter Hässlichkeit enorm leiden muss, sollte das Recht haben, sich adäquat, abschreckend und wirksam gegen ignorante und unsensible Bauherren, Architekten und Entscheider in der Verwaltung wehren zu dürfen.

  2. Böhme 21. Juli 2024 at 12:32 - Reply

    Gut, dass hier Bauten an einer historisch so bedeutenden Straße wie Unter den Linden Belanglosigkeit attestiert wird. Nur: Fast die gesamte neue Architektur Berlins besteht doch aus diesen Schuhkartons mit quadratischen oder rechteckigen Fenstern – diese Beliebigkeit begründet deren Belanglosigkeit. Und man muss mal fragen, mit welchem Berufsideal die verantwortlichen Architekten ihren Beruf ausüben. Andererseits ist ja zum guten Teil die Stadt verantwortlich mit dem von ihr installierten Senatsbaudirektor Stimmann, der ja genau diese Einfaltslosigkeit zum Berliner Bauideal erhoben hatte – zusätzlich mit seiner absurd-kindischen Vorgabe der Traufsteinhöhe des Berliner Stadtschlosses. Von ihm kam die Vorgabe des “quadratisch, praktisch, schlecht”. Regula Lüscher hatte das ja zu Recht lange vor ihrem ersten Amtsantritt als Nachfolgerin Stimmanns kritisiert und die Befürchtung geäußert, dass Berlin damit dieselbe Gesichtslosigkeit wie Washington D.C. erleide. Leider hat sie dann mit Amtsantritt nur wenig Positives bewirkt! Es tut einem um die Stadt leid, die mit diesen Bauten Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte leben muss, und das, weil man im Bausenat wie auch unter diversen Architekten einfach nicht ohne Ideologie leben kann. Um dieser Ideologie Stimmanns frönen zu können, hat man sich darüber hinaus nach außen abgeschottet. Die Berliner Architektenlandschaft ist in weiten Teilen der gleiche “Sumpf” wie die Berliner Politik. Man kennt sich. Es sitzen immer dieselben Architekten, Stadtplaner usw. in den Entscheidergremien, die immer dieselben Architekten beauftragen und die sich dann untereinander die tolle Qualität ihrer Beliebigkeitsarchitektur bescheinigen und sich wechselseitig die Architektenpreise um den Hals hängen!

    • Dr. Vogel 22. Juli 2024 at 09:33 - Reply

      Diese verbitterten Posts mit der üblichen Pauschal-Beschimpfung von Berlin empfinde ich ermüdend. Inhaltlich gehen sie am Kern der Sache vorbei.
      Diese Null-8-15-Bauten mit öder Rasterfassade gibt es nicht nur in Berlin, sonern in nahezu jeder europäischen Groß- oder auch Mittelstadt wird so etwas gebaut. Daran kann ja nicht immer dieser Herr Stimmann von Vorvorgestern Schuld sein.
      Eher scheint es sich bei den Architekten um uninspirierte Anhänger einer längst vergangenen Moderne zu handeln, die aus beruflichr Verblenung nicht einsehen wollen, dass der Nicht-Architekt diese “großzügige” Formensprache einfach nur als öde empfindet.

      • Max 23. Juli 2024 at 00:27 - Reply

        Die meisten Architekten sehen sich in der Tradition des Bauhaus, vergessen aber dass dazu grosses Können gehört, damit eben nicht diese langweiligen Lochfassaden rauskommen. Vor allem die monotone Regelmässigkeit wirkt banal.

        Das bessere Original kann man hier sehen.
        https://bauhaus-dessau.de/orte/

  3. Nier 27. Juli 2024 at 22:25 - Reply

    Money makes the world go arround. Diese öde Bauweise verspricht den höchsten Gewinn pro qm. GFZ, GRZ – das muss alles dazu beitragen. Wen das überrascht und wer absurderweise die Todesstrafe für Architekten verlangt, ist einfach nur naiv. Und wenn dann in der Politik (Senat, Bezirk etc.) noch hinreichende Inkompetenz in Sachen Architektur und Städtebau herrscht, dann erhält Berlin eben die Gebäude, die es sich verdient hat. Die meisten Leute gehen doch sowieso ganz achtlos vorbei. Das Personal dieser selbst ernannten “Bürgervereine”, die hier immer wieder zitiert werden und welche in diesen Vereinen gleich mehrfach und mehrmals auftreten und denken, dass wir das nicht bemerken, wollen mit ihren Vorschlägen nur erreichen, dass der “Berliner Pöbel” vor die Stadt zieht und die Reichen sich in der historischen Stadtmitte ausbreiten können. Londoner Verhältnisse eben…

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