Die Wiedereröffnung des Gendarmenmarkts wirft eine brisante Frage auf: Warum steht die Pflastergestaltung aus der NS-Zeit heute unter Denkmalschutz, während die einst grüne Platzgestaltung nicht mehr berücksichtigt wird? Ein Blick in die wechselvolle Geschichte eines der bedeutendsten Plätze Berlins offenbart überraschende Wahrheiten.

Mit 21 Millionen Euro wurde der Gendarmenmarkt modernisiert und soll nun mehr Aufenthaltsqualität bieten. Während die Stadtpolitik das Projekt feiert, gibt es auch Stimmen, die eine stärkere Begrünung und weniger denkmalpflegerische Kompromisse gefordert hätten. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Am Donnerstagmorgen der vergangenen Woche hatte sich die Politprominenz in der Berliner Friedrichstadt versammelt, um einem wichtigen Ereignis beizuwohnen. Denn nach rund zweieinhalbjähriger Umbauzeit wurde der Gendarmenmarkt feierlich wiedereröffnet. Neben dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner waren auch Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Verkehrssenatorin Ute Bonde vor Ort, gemeinsam mit Christoph Schmidt, seines Zeichens Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH.

Nicht nur auf dem Platz selbst, sondern auch am westlichen Rand, an der Charlottenstraße, wurden neue Pflastersteine verlegt. Der Gehweg auf der Platzseite wurden mit modernen Steinplatten ausgelegt, die Straße – derzeit noch gesperrt – wird in eine Einbahnstraße umgewandelt, lediglich Radfahrende dürfen die Straße künftig noch in beide Richtungen durchqueren.

Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte: Neugestaltung nach zweijähriger Umbauzeit

Auf 14.000 Quadratmetern des Gendarmenmarktes wurde erstmals eine barrierefreie Gestaltung umgesetzt – mit einer Kombination aus Pflaster und Platten, die das ursprüngliche, denkmalgeschützte Raster bewahrt, wie das verantwortliche Unternehmen Grün Berlin es nennt. Die historische Ausstattung des Platzes, darunter restaurierte Gilly-Bänke, -Leuchten, Kandelaber und Kühn-Bänke, kehrte an ihren angestammten Platz zurück. Zusätzliche Schinkelleuchten sollen die Beleuchtung bislang schlecht ausgeleuchteter Bereiche verbessern.

Mit 21 Millionen Euro war das Projekt durchaus kostspielig – 90 Prozent der Mittel stammen aus dem Förderprogramm zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), ergänzt durch Landesmittel. Damit wurde der Gendarmenmarkt also in seinen ursprünglichen Zustand versetzt, doch das Echo ist durchaus geteilt. Viele Bürgerinnen und Bürger als auch Architekturexperten kritisieren die „Steinwüste“, die nach dem rund zweijährigen Umbau nun zutage getreten ist.

Berliner und Architekten kritisieren die „Steinwüste“, die am Gendarmenmarkt rekonstruiert wurde

Dabei wurde das historische Platzmuster lediglich wiederhergestellt, denn der Gendarmenmarkt war auch vorher schon weitgehend frei von Bäumen und begrünten Flächen – zumindest einige Jahrzehnte lang. Doch die Geschichte des Stadtplatzes ist etwas vielschichtiger, als es vielen Bewohnern der Hauptstadt heute noch bewusst ist. Denn noch im Sommer 1935 ist auf historischen Fotografien der Gendarmenmarkt mit großen Grünflächen, Bäumen und Sträuchern zu sehen.

Dass aus dem Platz die mittlerweile kritisch gesehene „Steinwüste“ wurde, haben letztlich die Nationalsozialisten zu verantworten. Während der Zeit des Dritten Reichs wurden mehrere repräsentative Plätze im Zentrum Berlins umfassend umgestaltet, darunter der Lustgarten, der Kaiser-Franz-Joseph-Platz, der Wilhelmplatz – und eben der Gendarmenmarkt.

Ab 1936 wurde der Gendarmenmarkt zur Aufmarschfläche der Nationalsozialisten

Diese Plätze dienten fortan vorrangig als Aufmarschflächen für propagandistische Großveranstaltungen. Mit Ausnahme des Lustgartens wurden sie zudem als Parkplätze für Kraftfahrzeuge genutzt – auch der Gendarmenmarkt. Auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1938 sind dutzende Autos zu sehen, die auf dem Stadtplatz parken.

Auf dem Gendarmenmarkt führte diese Neugestaltung im Jahr 1936 zur Entfernung des Schillerdenkmals sowie der gärtnerischen Schmuckanlagen. An ihrer Stelle entstand eine weitläufige Pflasterung mit einem Muster aus quadratischen Platten, das in seinen Grundzügen bis zum Jahr 2020 erhalten geblieben ist – und welches nun im Zuge des Umbaus originalgetreu rekonstruiert wurde.

Im Dritten Reich verlor der Gendarmenmarkt gärtnerische Schmuckanlagen und das Schillerdenkmal

Die Nationalsozialisten ließen den Gendarmenmarkt aber nicht nur als Parkplatz verwenden. Darüber hinaus wurde der Platz regelmäßig für ideologische Veranstaltungen genutzt: So fand hier alljährlich die feierliche Aufnahme der Jahrgangsgruppen des Deutschen Jungvolks in die Hitlerjugend statt.

Es ist genau jene Gestaltung der Nationalsozialisten, die heute unter Denkmalschutz steht – und die daher laut Berliner Landesdenkmalamt in seiner grundsätzlichen Gestaltung nicht verändert werden darf. Die deutlich grünere und aufgelockerte Platzgestaltung, die bis Mitte der 1930er Jahre Bestand hatte, stand bzw. steht nicht unter Denkmalschutz.

Der Gendarmenmarkt entstand ab 1688 als Teil der Friedrichstadt

Die Geschichte des Gendarmenmarktes reicht allerdings noch deutlich weiter zurück. Der im Zentrum Berlins entstand ab 1688 als Teil der Friedrichstadt nach Plänen von Johann Arnold Nering. In diesem Viertel siedelten sich zahlreiche Hugenotten an, die mit dem Edikt von Potsdam von 1685 Schutz und Bürgerrechte erhielten.

König Friedrich I. wies den lutherischen und französisch-reformierten Gemeinden jeweils einen Bauplatz für Kirchen zu, die zunächst ohne Türme errichtet wurden. Unter Friedrich II. erhielt der Platz dann seine charakteristische Gestalt mit den beiden Kuppeltürmen, die zwischen 1780 und 1785 nach Plänen von Carl von Gontard entstanden.

Bereits 1799 erhielt der historische Stadtplatz seinen heutigen Namen

Die angrenzende Bebauung bestand aus Wohnhäusern hoher Beamter, staatlichen Behörden und bedeutenden Hotels. Ursprünglich als Markt genutzt, erhielt der Platz 1799 seinen heutigen Namen in Erinnerung an die Stallungen des Kürassierregiments der Gens d’armes, die hier 1736 errichtet worden waren.

Zwischen den beiden Kirchen entstand ein französisches Theater, das 1800–1802 durch ein größeres Nationaltheater ersetzt wurde. Nach einem Brand 1817 errichtete Karl Friedrich Schinkel an gleicher Stelle das klassizistische Schauspielhaus, das auf dem Platz bis heute steht.

Bis zur Umgestaltung 1936 hieß ein Teil des Gendarmenmarktes Schillerplatz

Der Gendarmenmarkt war Schauplatz historischer Ereignisse. Während der Revolution von 1848/49 wurden hier gefallene Aufständische aufgebahrt, und ab September 1848 tagte die Preußische Nationalversammlung im Schauspielhaus. 1859 wurde das Schillerdenkmal aufgestellt, und bis 1936 hieß ein Teil des Platzes Schillerplatz.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Platz schwere Schäden, doch blieben Fassaden und Figurenschmuck weitgehend erhalten. 1950 wurde der Gendarmenmarkt in „Platz der Akademie“ umbenannt. Der Wiederaufbau begann jedoch erst in den 1970er Jahren mit dem Ziel, den Platz als kulturelles Zentrum Berlins neu zu beleben.

Erst 1984 wurde das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt wiedereröffnet

Im Jahr 1984 wurde das Schauspielhaus wiedereröffnet, 1987 der Französische Dom und 1996 schließlich der Deutsche Dom. Am 2. Oktober 1990, am Vorabend der deutschen Wiedervereinigung, fand hier der letzte Staatsakt der DDR-Regierung mit Beethovens 9. Sinfonie unter der Leitung von Kurt Masur statt.

Etwa ein Jahr danach erhielt der Platz wieder seinen historischen Namen zurück. Erstaunlicherweise wurden Platzgestaltung und Randbebauung (als Zeugnisse der DDR-Postmoderne) erst im Jahr 2021 unter Denkmalschutz gestellt.

Förderverein Gendarmenmarkt kritisiert fehlende Sanierung des nördlichen Teils des Platzes

Der Förderverein Gendarmenmarkt kritisiert in einem offiziellen Statement hingegen die Tatsache, dass im Rahmen der Umgestaltung der nördliche Teil des Stadtplatzes mit dem Schatten spendenden Kugelahorn-Hain nicht berücksichtigt wurde und hier viele Bäume, Bänke und Platzelemente stark sanierungsbedürftig seien.

In der Pressemitteilung heißt es wie folgt: „Wir fordern das Land Berlin auf, nunmehr endlich auch für diesen Platzbereich seinen Pflichten durch sofortige Instandsetzung und Aufnahme der regelmäßigen Pflege nach zu kommen und behalten uns bei fortdauernder Verweigerung die Prüfung rechtlicher Schritte vor.

Vorbild Humboldt Forum? Nachträgliche Begrünung des Schloßplatzes

Die Neugestaltung des Gendarmenmarktes beschäftigt die Stadtgesellschaft also weiter. Viele Kommentatoren bedauern die baumlose Gestaltung und verweisen auf Fehler, die schon beim Bau des Humboldt Forums gemacht worden seien – und die nun nachträglich korrigiert werden.

Denn der südlich des rekonstruierten Stadtschlosses verortete Schloßplatz soll in den kommenden Jahren mit nachträglich gepflanzten Bauminseln klimatauglicher gemacht werden, auch ein Brunnen soll entstehen. Derartige Planungen gibt es – Stand heute – für den Gendarmenmarkt allerdings nicht.

Neuer Gendarmenmarkt: Japanische Bäume und Sonnensegel sollen Schatten spenden

Dort soll Sonnenschutz aber auf andere Art und Weise realisiert werden.  Am Rand des Platzes wurden nach Angaben von Verkehrssenatorin Ute Bonde nämlich immerhin hitzebeständige japanische Bäume gepflanzt, deren breite Kronen künftig Schatten spenden sollen.

Ergänzend sollen Sonnensegel und weitere Schattenspender an den umliegenden Restaurants für mehr Aufenthaltsqualität sorgen. Auf dem Platz selbst hingegen wird auch zukünftig das in den 1930er Jahren installierte, baumlose Steinmuster dominieren.

 

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Ein Jahr vor Beseitigung der Grünanlagen: Der Gendarmenmarkt im Sommer 1935. / © Foto: IMAGO, Arkivi

© Foto: IMAGO, Arkivi

Quellen: Verein der Freunde und Förderer des Gendarmenmarkts, Bezirksamt Mitte, Berliner Morgenpost, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, Architektur Urbanistik Berlin, Konzerthaus Berlin, Grün Berlin, Wikipedia

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4 Kommentare

  1. Jürgen Thiede 18. März 2025 at 11:46 - Reply

    Die Aussage »Es ist genau jene Gestaltung der Nationalsozialisten, die heute unter Denkmalschutz steht« ist falsch. 2021 wurde der Gendarmenmarkt in der Form unter Denkmalschutz gestellt, die er ab 1976 in der DDR erhalten hatte.
    https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/_assets/pdf-und-zip/aktuelles/kurzmeldungen/eplatz_der_akademie_ensembleteil_2020-10-21.pdf?ts=1666861221

  2. Ansgar S 18. März 2025 at 16:49 - Reply

    Die kaiserzeitliche Gestaltung mit den vielen Grünflächen empfinde ich als unübersichtlich und die Großzügigkeit des Platzes verunklärend. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie denn der Platzraum vorher, z.B. um 1830 (also nach Errichtung des Schauspielhauses als letztem wesentlich platzprägenden Gebäudes), gestaltet war. Die Entscheidung, die Platzgestaltung der DDR unter Schutz zu stellen, finde ich absolut nachvollziehbar.

  3. schleckerfrau 18. März 2025 at 23:10 - Reply

    für 21mio so eine aufenthaltsqualität zu bieten ist schlichtweg kriminell! typisch berlin, die kriegen aber auch gar nichts gebacken

  4. Wurstmaxe 19. März 2025 at 06:23 - Reply

    Der Platz ist ein klimapolitisches Vorzeigeprojekt, das Geld wurde unter dem Pflaster verbaut. Jeder ist begeistert vom neuen Platz, nur die grünen Meckerköppe ziehen eine Fresse. Gester morgen um 8:45 war der Platz bereits voll von Besuchern, toll.

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