Der Berliner Senat streicht wichtige Fahrradprojekte, darunter den Bau von Radschnellwegen und Fahrradparkhäusern, aufgrund knapper finanzieller Mittel. Nach jahrelangen und kostspieligen Planungen macht diese Entscheidung auch deutlich, dass die massiven Verzögerungen und strukturellen Probleme in der Vergabe und Umsetzung nachhaltiger Verkehrsprojekte in Berlin ein enormes Manko sind.

Entlang der Oberwall-, Niederwall- und Wallstraße sowie am Märkischen Ufer hat der Bezirk Berlin-Mitte eine neue Fahrradstraße eingerichtet. Der Berliner Senat hingegen hat den Großteil seiner Vorhaben gestoppt. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

© Foto Titelbild: infravelo GmbH
Text: Björn Leffler

 

Innerhalb kürzester Zeit hat der aktuelle Berliner Senat offenbar zwei wichtige Mobilitätsprojekte der Vorgängerregierungen von der Vorhabenliste gestrichten. Das ist einerseits der Bau von Radschnellwegen und andererseits die Errichtung von Fahrradparkhäusern an mehreren Berliner Bahnhöfen.

100 Kilometer Radschnellwege sollte es in Berlin einmal geben, so waren die Pläne der rot-rot-grünen Regierung, die diese gemeinsam mit dem landeseigenen Unternehmen GB infraVelo GmbH umzusetzen gedachte. Das Ziel des Vorhabens “Radschnellwege” war von Beginn an ambitioniert.

Zehn Radschnellwege sollten in Berlin entstehen

Weite Strecken innerhalb Berlins sollten zukünftig zügig gefahren werden können, also weitgehend ohne Zwischenstopps. Diese Radschnellverbindungen sollten damit eine attraktive Alternative zum Auto bilden, da man auf diesen Strecken sicher und zügig auch längere Strecken zurücklegen kann. So war jedenfalls der Plan.

Doch die meisten Planungen für diese Radschnellwege in Berlin werden aufgrund der angespannten Haushaltslage vorerst vom schwarzroten Regierungsbündnis gestoppt. Von den zehn geplanten Strecken wird nur die Route Königsweg-Kronprinzessinnenweg im Berliner Südwesten weiterverfolgt. Für diese Verbindung soll schnellstmöglich der Antrag auf Planfeststellung gestellt werden.

Planungen für neun Radschnellwege werden vom Senat auf Eis gelegt

Die Planungen für acht weitere Verbindungen werden überwiegend eingefroren, und eine Route wurde bereits vor zwei Jahren gestrichen. Insgesamt werden vorerst nur 13,8 der ursprünglich geplanten 100 Kilometer sicher gebaut. Die Finanzierung für alle geplanten Projekte wird auf 400 Millionen Euro geschätzt, aber aktuell stehen nur 50 Millionen Euro zur Verfügung.

Ähnlich ist die Sachlage bei den geplanten Fahrradparkhäusern, die im gesamten Berliner Stadtgebiet entstehen sollten. Gesicherte Anlagen oder auch sogenannte „Doppelstockparker“ sollten an mehreren Berliner Bahnhöfen entstehen, mit 2.000 Stellplätzen sollte die größte Anlage am Bahnhof Ostkreuz errichtet werden.

Auch die Mehrzahl der geplanten Fahrradparkhäuser wird nicht gebaut

Doch auch dieser Plan ist vorerst vom Tisch. Vier der ursprünglich sechs geplanten Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen werden vorerst nicht realisiert, wie Der Tagesspiegel berichtet. Dies gehe demnach aus einer bislang unveröffentlichten Antwort der Senatsverkehrsverwaltung auf eine Anfrage des Abgeordneten Niklas Schenker (Die Linke) hervor.

Von den Sparmaßnahmen betroffen ist unter anderem das oben erwähnte, geplante Fahrradparkhaus am Bahnhof Ostkreuz. Auch die vorgesehenen Fahrradparkhäuser am U-Bahnhof Haselhorst, am S-Bahnhof Pankow und am S-Bahnhof Landsberger Allee werden vorerst nicht gebaut. Die Verkehrsverwaltung erklärt, dass diese Projekte in allen Fällen „qualifiziert beendet“ werden sollen.

Alternativen zum Autoverkehr werden nicht realisiert, Finanzmittel fehlen

Durch den Bau von Fahrradparkhäusern wollte der Senat ursprünglich Alternativen zum Autoverkehr unterstützen. Die Idee dahinter war, dass insbesondere Pendler mit dem Fahrrad zur nächstgelegenen Bahnstation fahren und dort auf den Nahverkehr umsteigen.

Immerhin sollen zwei Projekte vorerst fertiggestellt werden: Das erste Radparkhaus soll Ende 2026 eröffnet werden, am Bahnhof Schöneweide. Für Ende 2028 plant das Land die Eröffnung des Bike-and-Ride-Standorts am S-Bahnhof Mahlsdorf.

Nichts Neues: Schwarz-Rot streicht Verkehrsprojekte der Vorgängerregierung

Weder die geplanten Fahrradschnellrouten noch ein Großteil der angekündigten Fahrradhäuser wird in den kommenden Jahren also fertiggestellt, der Senat kürzt bei den von den Vorgängerregierungen begonnenen Verkehrsprojekten radikal ein. Berlins neue Verkehrssenatorin Ute Bonde macht also dort weiter, wo ihre Amtsvorgängerin, Manja Schreiner, aufgehört hatte.

Natürlich steht Bonde unter dem Druck, dass finanzielle Mittel eingespart werden müssen und wird nicht allein entschieden haben. Eine große Überraschung ist die Entscheidung, vor allem Fahrradprojekte aus dem Finanzhaushalt zu streichen, natürlich nicht.

Den Verkehrsplanern fallen die langwierigen Prozesse auf die Füße

Ob man diese Entscheidung für richtig hält oder nicht, ist erst einmal zweitrangig. Im Vordergrund steht vor allem die Tatsache, dass in die Planung der Projekte viel Zeit und Geld geflossen sind, und diese nun als lose Enden einer unschlüssigen Verkehrspolitik verbleiben.

Erste Planungen für die Umsetzung der Fahrradrouten waren bereits ab Anfang der 2010er Jahre begonnen worden, von einem damals auch schwarzroten Senat. Dieser war von 2011 bis 2016 für die Politik in der Hauptstadt verantwortlich.

Seit fast eineinhalb Jahrzehnten wurden die Fahrradschnellwege geplant

Die Umsetzung der Radschnellwege war von Beginn an ein langwieriger Prozess, der unmöglich innerhalb einer Legislaturperiode abgeschlossen werden kann. Allein für Planung und Machbarkeitsstudie für jede einzelne Route waren zwei Jahre erforderlich, gefolgt von einem Genehmigungsverfahren mit öffentlicher Beteiligung.

Erst danach konnten Bauausschreibungen gestartet und die Trasse gebaut werden, was insgesamt etwa acht Jahre pro Strecke dauert. Hinzu kommen mögliche Einwände und Proteste von Bürgerinnen und Bürgern, die zu Anpassungen der Planung führen können, was den Prozess zusätzlich erschwert.

Warum ist der Bau einfacher Fahrradparkhäuser so kompliziert?

Ähnlich mühsam gestaltete sich der Bau der Fahrradparkhäuser – baulich gesehen eigentlich kein allzu komplexes Vorhaben, möchte man meinen. Das landeseigene Unternehmen Infravelo hatte  Fahrradparkhäuser an unterschiedlichen Standorten geplant, deren Machbarkeit bereits bestätigt wurde.

Doch langwierige Abstimmungen zur Flächensicherung zwischen dem Unternehmen, der Berliner Mobilitätsverwaltung und den jeweiligen Bezirken führten dazu, dass sich Bau und Inbetriebnahme so lang verzögerten, bis die Projekte letztlich wieder vollends gestrichen wurden.

Eine katastrophale Entscheidung für Berlins Mobilitätswende

Für die nachhaltig orientierte Mobilitätsplanung der Hauptstadt, die klimaorientiert und innovativ sein sollte, ist die jetzige Entscheidung natürlich eine Katastrophe. Doch vor allem die rotgrünen Vorgängerregierungen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihre Verkehrsvisionen häufig über den Planungsstatus nicht hinaus gekommen sind.

Das Tempo zur Umsetzung sinnvoller und nachhaltiger Projekte ist, oftmals bedingt durch die hohe Komplexität zwischen den verschiedenen Institutionen der (häufig nicht digitalisierten und notorisch unterbesetzten) öffentlichen Berliner Verwaltung auf dramatische Art und Weise zu langsam.

Berlins Verwaltung ist zu langsam und zu komplex, Projekte bleiben unvollendet

Wenn Verkehrsprojekte mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen, ohne dass es dabei um den Bau von Autobahnen, sondern die Errichtung von Fahrradparkhäusern und Radwegen geht, wird deutlich, dass in Berlin insgesamt große strukturelle Probleme vorliegen, die dringend gelöst werden müssen.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte ja angekündigt, eine große Reform der öffentlichen Berliner Verwaltung auf den Weg bringen zu wollen, bislang ist davon noch nichts zu spüren. Und Radwegprojekte würden davon zumindest unter der Führung von CDU und SPD wohl als letztes profitieren.

 

Quellen: Der Tagesspiegel, infravelo GmbH, Berliner Morgenpost, RBB, Infravelo

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  1. […] tut sich vor allem der neue schwarzrote Berliner Senat genau mit diesem Thema schwer, hat kürzlich wichtige Fahrradprojekte in großem Stil aus dem Berliner Haushalt gestrichen, die Friedrichstraße wieder für den Autoverkehr freigegeben und zeigt sich bislang auch sonst […]

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