In der Friedrichshainer Marchlewskistraße soll eine Drei-Religionen-Kita für 135 Kinder errichtet werden. Entstehen soll das Gebäude auf dem Grundstück der evangelischen Kirchengemeinde St. Markus-Lazarus, es ist das bundesweit erste Projekt dieser Art. Die Initiatoren streben erste Bautätigkeiten zum Ende des Jahres an, doch es gibt auch Diskussionen mit der Anwohnerschaft.
© Visualisierungen: Förderverein Drei-Religionen-Kita-Haus
Text: Björn Leffler
Das Zusammenspiel dreier großer Weltreligionen ist in einer multikulturell geprägten Stadt wie Berlin ein häufiges Thema und findet offenbar mehr und mehr auch Eingang in die institutionelle Stadtentwicklung der Metropole.
Dies zeigt sich bereits durch das ambitionierte “House of One”-Projekt, welches seit mehr als zehn Jahren am Petriplatz in Berlin-Mitte geplant wird. Das „House of One“ soll der erste Sakralbau sein, in dem Juden, Christen und Muslime vereint unter einem Dach ihre Religion ausüben können.
Drei-Religionen-Kita soll in Friedrichshain entstehen
In Friedrichshain soll in den kommenden Jahren ein Projekt realisiert werden, welches dem “House of One”-Vorhaben in gewisser Weise ähnlich ist: Eine Drei-Religionen-Kita für insgesamt 135 Kinder. Es ist das bundesweit erste Projekt dieser Art.
Ab dem kommenden Jahr soll die religionsübergreifende Kindertagesstätte auf einem Grundstück der evangelischen Kirchengemeinde St. Markus-Lazarus in der Marchlewskistraße 40 entstehen. Das Grundstück liegt zentral im Comeniuskiez, etwa mittig zwischen S-Bahnhof Warschauer Straße, U-Bahnhof Frankfurter Tor, U-Bahnhof Weberwiese und Ostbahnhof.
11 Millionen Euro soll das ungewöhnliche Kita-Projekt kosten
Um das Kita-Projekt zu realisieren gab und gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Verein zur Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens e.V. „Masorti“, dem evangelischen Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord sowie dem muslimischen Zentrum Berlin.
Der Bau soll nach der derzeitigen Planung etwa 11 Millionen Euro kosten. Die Finanzierung soll durch Mittel aus dem Kitaausbauprogramm, durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, durch die Aktion Mensch sowie durch Eigenmittel der Trägerorganisationen erfolgen. Die Projektinitiatoren wollen bis Ende des Jahres mit ersten bauvorbereitenden Maßnahmen beginnen.
Multireligiöser Kita-Neubau soll vier Etagen umfassen
Der Entwurf für das Drei-Religionen-Kita-Haus kommt von dem Berliner Architekturbüro Stark&Stilb. Das neue, viergeschossige Gebäude sieht jeweils eine muslimische, eine jüdische und eine christliche Kita auf drei Etagen sowie Begegnungsflächen im Erdgeschoss vor. Hier können auch größere Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen stattfinden, wie z.B. Vortragsveranstaltungen, Kinovorführungen und kulturelle Angebote im Kiez.
Ergänzt werden soll das Drei-Religionen-Kita-Haus durch eine Bibliothek mit Seminarräumen im Untergeschoss. Darüber hinaus soll ein „Raum der Stille“ eingerichtet werden, der allen Mitarbeitern und Gästen für Momente der Ruhe und des Gebetes zur Verfügung stehen wird.
Bäume müssen weichen: Kritik von einer Bürgerinitiative
Doch es gibt auch Kritik am Bauvorhaben: die Bürger:innenInitiative 10243 Baum-&Artenschutz bemängelt vor allem die geplante Fällung von rund 20 Bäumen, “die für das lokale Ökosystem von großer Bedeutung” seien. Zudem soll ein erstelltes Artenschutzgutachten erhebliche Mängel aufweisen.
Die Projektverantwortlichen argumentieren, dass aufgrund der kleinen Grundstücksgröße die Fällung der Bäume nicht zu vermeiden sei. Derzeit werde aber untersucht, wie und wo neue Nistmöglichkeiten für ansässige Tiere, Umsiedlungsmaßnahmen auf dem Gelände und im unmittelbaren Umfeld realisierbar wären.
Suche nach einem geeigneten Grundstück begann bereits vor rund zehn Jahren
Dass ein solches Projekt im dicht besiedelten Friedrichshain zu Konflikten mit der Anwohnerschaft führt, ist nicht verwunderlich, denn die Flächen sind rar gesät. Die ersten Ideen für das Drei-Religionen-Kita-Haus stammen aus dem Jahr 2014. Bereits 2015 begann die Suche nach einem geeigneten Standort.
Dabei wurden sowohl Grundstücke als auch mögliche Bestandsgebäude in Betracht gezogen. Da es in Berlin mittlerweile sehr schwierig ist, eine für gemeinwohlorientierte Projekte wie dieses bezahlbare Immobilie in einer innerstädtischen Lage zu finden, waren die Verantwortlichen erfreut, mit der Evangelischen Kirchengemeinde St. Markus in der Marchlewskistraße eine passende Partnerin für die Realisierung gefunden zu haben.
Marchlewskistraße: Geplanter Standort ist gut mit dem ÖPNV erreichbar
Der Standort ist sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Aufgrund der günstigen innerstädtischen Lage wird davon ausgegangen, dass viele Kinder die Kitas zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem ÖPNV erreichen werden. Der Autoverkehr vor Ort wird durch die Parkraumbewirtschaftung geregelt.
In einem aktuelle Statement betonen die Initiatoren die aktuelle Relevanz des Projekts: “Die aktuelle dramatische Konfliktlage im Nahen Osten, die die politische Landschaft in Berlin erschüttert, zeigt, dass dieses Projekt dringend nötig ist. Das Kitahaus bietet Familien aller Gemeinschaften einen sicheren Ort, wo sie geschützt über ihre spezifische Sicht reden und mit anderen debattieren können. Hier sollen Kinder von Anfang an lernen, dass Unterschiedlichkeit nicht zu Feindseligkeit führen muss. Gerade in einer Welt, in der das Auseinanderfallen der Gesellschaft immer mehr zu nimmt, ist dieses Kitahaus ein Hoffnungsträger.”
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Aktion Mensch, Förderverein Drei-Religionen-Kita-Haus, Bürger:innenInitiative 10243 Baum-&Artenschutz, Stark&Stilb Architekten
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2. November 2024