Am 7. Oktober startet der Abriss des ikonischen Cantianstadions im Jahnsportpark. Trotz Widerstands von Anwohnern und Architekten wird das alte Stadion bald einer neuen, modernen Arena weichen, die Berlins ersten Inklusionssportpark prägen soll. Der Verein Pfeffersport befürwortet den geplanten Stadion-Neubau ausdrücklich.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler
Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Pankower Stadtteil Prenzlauer Berg soll zum ersten Inklusionssportpark Berlins umgestaltet werden. Der Sportpark liegt direkt neben dem populären Mauerpark. Im Zentrum des aufwendigen Umbaus liegt seit Jahren die zukünftige Nutzung und Umgestaltung des Cantianstadions.
Zu Beginn der Woche berichteten wir darüber, dass Anwohner und Bürgerinitiativen sich für einen teilweisen Erhalt des bestehenden Stadions einsetzen. Zuvorderst steht hier die Bürgerinitiative Jahnsportpark, die am Wochenende noch einmal gegen den geplanten Stadion-Abriss demonstrierte.
Initiative wehrt sich mit Petition gegen den Abriss des Cantianstadions in Prenzlauer Berg
Die Initiative hält den Komplettneubau eines Stadions mit 20.000 Plätzen für überflüssig. Stattdessen könne das bestehende Gebäude durch die Erneuerung der Tribünen zeitgemäßer und barrierefreier gestaltet werden. Zudem würde der Erhalt des Kernstücks natürliche Ressourcen schonen. Der aktuelle Bau sei zudem gut in den Schuttwall integriert und somit platzsparender.
Unter der Leitung von Friedrich Tuczek von der Fachhochschule Erfurt hatten Architekten und Kulturhistoriker sogar noch eilig eine Petition gestartet. Tuczek kritisiert den Berliner Senat und meint, der geplante Abriss würde ein einzigartiges Denkmal der “Ostmoderne” zerstören.
“Ikone der Ostmoderne”: 14.000 Unterschriften gegen Stadion-Abriss und modernen Neubau
Er erläuterte gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Stadion 1951 von Bauhaus-Absolvent Rudolf Ortner für die III. Weltjugendfestspiele mithilfe von Trümmerschutt errichtet und 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins durch eine Tribüne nach einem Entwurf der tschechischen Architekten Fišarová und Ondrej ergänzt wurde. Diese Kombination stelle den Anfang und das Ende der DDR in baulicher Form dar.
Die Petition, die knapp 14.000 Unterschriften sammelte, sollte laut Tuczek am morgigen Donnerstag dem Finanzsenator Stefan Evers (CDU) übergeben werden. Tuczek betont, dass viele Bürger die Abrisspläne kritisch sehen und fordert eine abermalige Neuausrichtung des Projekts.
Senatsverwaltung stellt klar: Am 7. Oktober beginnt der Stadion-Abriss
Doch diese wird es nicht geben, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wissen ließ. “Es ist beabsichtigt, den Rückbau des bestehenden Stadiongebäudes in der KW 41 zu beginnen“, teilte das Stadtentwicklungsressort auf eine Anfrage des Abgeordneten Kristian Ronneburg (Die Linke) mit.
Ab dem 7. Oktober soll der Abriss der maroden Arena beginnen. Ironischerweise ist es der einstige Tag der Republik der DDR, der bis 1989 jährlich als Staatsfeiertag begangen wurde. Laut Senatsbauverwaltung sind die Firmen bereits mit dem Abriss beauftragt, der grobe Plan steht – so berichtet es jedenfalls Der Tagesspiegel. Zuerst soll der hochbauliche Rückbau erfolgen, danach der Rückbau des Stadionwalls am Mauerpark, auf dem die denkmalgeschützte Hinterlandmauer steht. Die genauen Abrisszeiträume sind allerdings noch nicht festgelegt.
Verein Pfeffersport begrüßt Stadion-Neubau: Barrierefreiheit im alten Stadion nicht umsetzbar
Das Projekt in seiner jetzigen Form hat aber natürlich auch wichtige Befürworter aus der Mitte der Gesellschaft. Der Verein Pfeffersport, Berlins größter Inklusionssportverein, unterstützt den Umbau des Geländes zum „Inklusionssportpark“ ausdrücklich und damit auch uneingeschränkt den Stadion-Neubau.
Eine moderne Arena sei nach Meinung des Vereins essenziell für die Zukunft der Sportmetropole, ein wichtiges sportpolitisches Vorhaben, das auch mehr als 13 Schulstandorte für den Schulsport nutzen würden. Die Arena soll zudem eine zentrale Rolle für den Para-Sport sowie American Football und Fußball spielen. Studien hätten im Zuge der jahrelangen Projektvorbereitung und Dialogwerkstätten gezeigt, dass ein Umbau die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, weshalb ein Neubau notwendig sei.
BFC Dynamo, Michael Jackson und Berlin Thunder: Blütezeit des Cantianstadions ist längst vergangen
Mit dem Abriss des Stadions wird der Kiez zwischen Mauerpark und Schönhauser Allee eine der ikonischsten Sportstätten Berlins verlieren, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von vielen Berliner Profi- und Amateurmannschaften genutzt wurde. Neben dem BFC Dynamo, Viktoria Berlin oder der VSG Altglienicke haben auch Union Berlin und Hertha BSC das Stadion als Ausweichstandort genutzt.
Doch vor allem bei Spielen und Veranstaltungen mit mehr als 10.000 Zuschauern zeigten sich sehr deutlich gravierende Sicherheitsmängel der überalterten Sportanlage, denn das Stadion kann größere Zuschauermengen kaum noch verarbeiten, da Infrastruktur, Verpflegungsmöglichkeiten oder sanitäre Anlagen völlig veraltet oder schlichtweg nicht vorhanden sind.
Jahnsportpark: An das alte Stadion sollte in angemessener Form erinnert werden
Seine – zumindest sportliche – Blütezeit erlebte die Arena wohl während der 1980er Jahre, als der DDR-Dauermeister BFC Dynamo dort zahlreiche, mitunter hochklassige Spiele im Europapokal der Landesmeister austrug. Zudem wurden zahlreiche Leichtathletik-Events und sogar Konzerte im Stadion durchgeführt. Im September 1992 gastierte etwa Michael Jackson im Jahnsportpark und spielte dort im Rahmen seiner Dangerous Welttournee ein umjubeltes Konzert – mit vielen tausend Fans, die dem Konzert auch von draußen auf dem Areal des heutigen Mauerparks lauschten.
Mit dem bevorstehenden Abriss des Stadions und dem Bau der neuen Arena wird im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark in den kommenden Jahren also ein neues Kapitel Sportgeschichte in Prenzlauer Berg aufgeschlagen werden. An die Geschichte und Geschichten des alten Stadions sollte im Rahmen des Neubaus aber in angemessener Form erinnert werden.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
Quellen: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, O+M Architekten GmbH, Berliner Morgenpost, LOR Landschaftsarchitekten, Bürgerinitiative Jahnsportpark, Fachhochschule Erfurt, Verein Pfeffersport
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