Alles war schwierig auf dem Weg zur Modernisierung des Berliner Olympiastadions: Jahrelange Debatten um die künftige Nutzung, die Sicherstellung der Finanzierung und letztlich der komplexe Umbau selbst. Schließlich jedoch gelang das Vorhaben – und blieb im Zeit- und Kostenrahmen.
© Foto Titelbild: IMAGO / Contrast
Text: Björn Leffler
Sanierung oder Neubau, diese Frage stand für mehrere Jahre im Raum, als es um die kontrovers diskutierte Modernisierung des historischen Berliner Olympiastadions im Ortsteil Westend ging. Ein neues Fußballstadion neben der altehrwürdigen Arena? Diese Idee verfolgt derzeit Zweitligist Hertha BSC, doch die Idee ist nicht neu. Bereits ab Anfang der 1990er Jahre wurde darüber diskutiert, ob Hertha weiterhin in der altehrwürdigen Arena spielen sollte, oder einen tiefergelegten Neubau auf der Fläche des heutigen Hockeystadions beziehen würde.
Das Olympiastadion wäre mit dieser Entscheidung (zumindest vorerst) zu einer denkmalgeschützten Erinnerungsstätte geworden. Doch die Berliner sowie die Bundespolitik entschieden es anders. Deutschland bewarb sich Ende der 1990er Jahre um die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft und brauchte eine moderne Arena, die würdig genug war, das Finale des größten Fußballspektakels der Welt auszutragen. Doch so einfach war die Entscheidungsfindung in der Stadionfrage mitnichten, viele Faktoren waren miteinander verwoben.
Diskussion um die Zukunft des Olympiapark-Areals zwischen 1991 und 1998
Zwischen 1991 und 1998 gab es intensive Diskussionen um die Zukunft des Berliner Olympiastadions und des 131 Hektar großen Areals des ehemaligen Reichssportfelds. Die Konzepte reichten von minimalen Sanierungen ohne langfristige Perspektive bis hin zu radikalen Neubauten, die das historische Umfeld massiv verändert hätten.
Ein zentrales Thema war der Konflikt zwischen multifunktionaler Nutzung und einem reinen Fußballstadion. Letztlich wurde klar, dass die Zukunft des gesamten Areals eng mit der Nutzung des Stadions als Kernstück verbunden war. Denkmalverträgliche Nutzungen und die wirtschaftliche Verwertung des Geländes waren nur im Kontext einer erfolgreichen Stadionmodernisierung möglich.
Kampf der Konzepte: Multifunktionalität oder Monofunktionalität?
Die Denkmalbehörden unterstützten die Umrüstung des bestehenden Stadions. Sie erkannten, dass eine langfristige Erhaltung nur durch eine attraktive, moderne Nutzung möglich war, die den Anforderungen an Sportveranstaltungen gerecht wird.
Die öffentliche Debatte zeigte dann auch, dass die Entscheidung für die Sanierung des Olympiastadions breite Zustimmung fand. Das Stadion hatte sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg zu einem wichtigen Identifikationsort für Berlin entwickelt, trotz seiner geschichtlichen Vorbelastung. Die erfolgreiche Modernisierung sollte daher den Anstoß für die Erneuerung weiterer Bestandsgebäude auf dem Gelände geben.
Gutachten bestätigten Sanierungsfähigkeit: Breite Zustimmung für die Sanierung
Gutachten in den 1990er Jahren bestätigten die Sanierungsfähigkeit des Stadions und eine denkmalverträgliche Modernisierung nach zeitgemäßen sportlichen Standards. Eine Überdachung der Zuschauerränge wurde im Übrigen bereits im Zuge der gescheiterten Olympia-Bewerbung Berlins für die Spiele 2000 beschlossen.
Am 26. Mai 1998 entschied der Berliner Senat letztlich, das Olympiastadion bei weitgehender Bewahrung des historischen Erscheinungsbildes zu sanieren und zu modernisieren, um es fit für internationale Wettbewerbe zu machen.
Olympiastadion: Berlin entschied sich für Modernisierung statt Neubau
Mit dem Zuschlag der Fußball-WM war diese geplante Modernisierung dann auch finanziell in Reichweite: Das Finale der WM 2006 sollte in Berlin stattfinden, und da war es schwer vorstellbar, das Endspiel in einer modernen, kleinen Fußballarena durchzuführen, die selbst 1999 noch von einigen Gazetten diskutiert wurde. In München gab es ähnliche Diskussionen und bereits sehr konkrete Pläne für eine Erweiterung des Olympiastadions, welche letztlich am Veto des Architekten scheiterten.
In München wurde also eine neue Arena gebaut, draußen vor den Toren der Stadt direkt neben der Autobahn. In Berlin hingegen entschied man sich für eine aufwendige Rekonstruktion und Erweiterung der geschichtsträchtigen Arena. Mit dem Zuschlag der WM 2006 endete dann schlussendlich die jahrelange Debatte über die Zukunft der Arena im Olympiapark.
Herthas Bundesliga-Aufstieg machte die Defizite des Stadions deutlich
Spätestens seit dem Bundesliga-Aufstieg von Hertha BSC im Jahr 1997 wurde das Thema aber immer konkreter, denn die Arena war nun immer öfter ausverkauft oder sehr gut gefüllt.
Die brüchigen Traversen mussten nun also immer öfter unter Volllast arbeiten, wurden provisorisch mit Metallstreben verstärkt, damit es kein Unglück mit bröckelnden oder einstürzenden Tribünen gab. Denn das Olympiastadion war geradezu überreif, um modernisiert zu werden; mehrfach stand sogar eine Sperrung der Arena im Raum, die aber letztlich durch bauliche Anpassungen immer wieder verhindert werden konnte.
Olympiastadion Berlin: Der Startschuss für die Sanierung im Juli 2000
Im Juli 2000 dann fiel der offizielle Startschuss für die Sanierung und Modernisierung des 1936 eingeweihten Stadions. Zum symbolischen Hammerschlag kamen der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU).
Die denkmalgeschützte Arena sollte bei laufendem Betrieb bis 2004 für insgesamt 473 Millionen D-Mark saniert und umgebaut werden. Berlin musste davon 283 Millionen Mark aufbringen, 100 Millionen kamen vom Bund, 90 Millionen wurden über einen Kredit finanziert, für den das Land Berlin bürgen musste.
Der lange Weg zum Baustart: Finanzierungsprobleme und rechtliche Auseinandersetzungen
Doch auch diesem Spatenstich war ein langes Hickhack vorausgegangen. Zunächst war die Finanzierung nicht gesichert, dann blockierte der Hochtief-Konzern (bis Mitte 1999 noch Bewerber für den Umbau, dann aber bei der Auftragsvergabe unterlegen) mit einem Rechtsstreit den Vertragsabschluss mit der Firma Walter Bau.
Ursprünglich war der Baustart bereits für Mitte Mai 2000, nach Abschluss der Fußball-Bundesligasaison geplant gewesen, verzögerte sich jedoch. Die geplante Bauzeit von vier Jahren sowie das Budget wurden letztlich übrigens eingehalten, ohne größere Zwischenfälle. Aber das war Anfang der 2000er Jahre in Berlin nur eine Randnotiz; heute wäre es eine Meldung wert.
Architektonische Herausforderungen beim Umbau des Olympiastadions
Der Umbau des Stadions wurde letztlich nach den mehrfach überarbeiteten Plänen des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner realisiert. Dabei war ein sensibler Umgang mit dem geschichtsträchtigen Stadion notwendig, um eine Balance zwischen der bestehenden Struktur und der neuen Architektur zu finden.
Der Umbau des Stadions stellte zahlreiche Anforderungen an die Projektverantwortlichen: Der Oberring sollte saniert werden, während der Unterring komplett abgerissen und neu gebaut werden musste, was für viele regelmäßige Zuschauer ein geradezu schockierender Anblick war.
Schwierige Aufgabe: Denkmalschutz und Modernisierung in Einklang bringen
Die Wahrung des Denkmalschutzes und die Rekonstruktion der historischen Arena war in diesem Fall eigentlich ein (fast) kompletter Neubau, der zumindest äußerlich wieder mit den ursprünglich verwendeten Muschelkalk-Elementen versehen wurde, die während des Umbaus nummeriert und zwischengelagert wurden.
Zudem verlangte das FIFA-Reglement die Errichtung einer vollständigen Tribünenüberdachung. Die Sanierungsarbeiten wurden zusätzlich erschwert durch die Tatsache, dass sie während des laufenden Spielbetriebs durchgeführt werden mussten.
Eine quälend lange Bauphase und die Herausforderung des laufenden Spielbetriebs
Während der gesamten Bauzeit von 2000 bis 2004 musste sichergestellt sein, dass für alle Bundesligaspiele stets 55.000 Plätze zur Verfügung standen. Für das jährlich im Mai in Berlin stattfindende DFB-Pokal-Endspiel mussten sogar 70.000 Plätze bereitgestellt werden – was letztlich auch gelang. Daher mussten die Bauarbeiten präzise in zeitlich versetzte Abschnitte unterteilt und an die jeweiligen Veranstaltungen angepasst werden.
Die Wettkampffläche wurde um einige Ränge abgesenkt, um eine intensivere Atmosphäre bei Fußballspielen zu schaffen, der Unterring wurde um einige Grad steiler errichtet. Beim Umbau mussten trotzdem die strengen Vorgaben des Denkmalschutzes beachtet werden: Die alten Natursteine wurden einzeln sandgestrahlt, sodass etwa 70 Prozent der historischen Substanz erhalten blieben.
Markante Merkmale des modernisierten Olympiastadions
Markante Merkmale des umgebauten Olympiastadions sind das neue Dach, das alle Ränge überspannt, und die durchgängige Flutlichtbeleuchtung (“Feuerring”), die keine Schatten wirft. Eine blaue Tartanbahn wurde auf Wunsch und Kosten von Hertha BSC in den Vereinsfarben aufgetragen, was jedoch vom Denkmalschutz kritisiert wurde. Die Sorge, dass Wasservögel darauf landen könnten, erwies sich allerdings als unbegründet – und lässt rückblickend etwas schmunzeln.
Alle Ein- und Umbauten wie zusätzliche Decken und Wandverkleidungen wurden so gestaltet, dass sie wieder entfernt werden können, um den Zustand vor 2000 theoretisch wiederherstellen zu können. Außerdem wurden im Säulenrundgang neue Feuerhalter angebracht, die auf Fotos von 1936 eigentlich fehlen. Seit 2004 gibt es im Erdgeschoss eine christliche Kapelle mit Blattgold an den Wänden; das Glockengeläut wird durch eine Tonbandaufnahme aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wiedergegeben.
Technische Meisterleistungen beim Dach des Olympiastadions
Das Dach wurde als leichte Kragarmkonstruktion in Stahlbauweise mit einer Membran als oberer und unterer Dachhaut entworfen. Die Gesamtlänge der Stahlrohrfachwerkkonstruktion, die als Haupttragstruktur durch die transluzente Membran hindurch sichtbar blieb, beträgt rund 68 Meter.
Im Inneren ruht das Dach auf 20 Stahlstützen, die mit einem Durchmesser von etwa 25 Zentimetern verhältnismäßig schlank ausgeführt wurden, um die Sichtbehinderung für die Zuschauer zu minimieren. Eine spezielle Lichtgestaltung integrierte sowohl die Spielfeldbeleuchtung als auch die Stadionbeschallung in den inneren Dachrand.
Zukunftsvision on hold: Ein reines Fußballstadion für Berlin?
Spätere Pläne, das Olympiastadion in ein reines Fußballstadion umzubauen und die Leichtathletikanlage zu entfernen, wie von Hertha BSC und der SPD zwischenzeitlich ins Spiel gebracht, stießen im Mai 2017 auf Kritik aus der Leichtathletikszene. Funktionäre, deutsche Spitzensportler und auch Usain Bolt sprachen sich gegen die Entfernung der Leichtathletik aus dem Stadion aus, um „seine Weltrekordbahn“ zu erhalten.
Es wurde zudem ein Bürgerbegehren in Betracht gezogen, um unnötige Ausgaben zu vermeiden, da bereits 2004 erhebliche Mittel in das Stadion geflossen waren. Im Mai 2018 kündigten die Verantwortlichen von Hertha schließlich an, kein Interesse am Umbau des Olympiastadions zu haben und einen Neubau auf dem Olympiagelände anzustreben. Dieses Vorhaben gibt es bis heute, doch die Realisierung steht wohl mehr denn je in den Sternen.
Olympiastadion Berlin: Komplexe Transformation zwischen Historie und Moderne
Der enorm aufwendige und letztlich erfolgreiche Umbau des Olympiastadions war in der durchgeführten Form fast einzigartig, am ehesten noch vergleichbar mit der komplizierten Transformation des Reichstagsgebäudes (1995 – 1999). Beide Projekte kombinierten Alt und Neu, respektierten den Denkmalschutz und integrierten moderne Architekturelemente.
Das Olympiastadion wurde durch die umfassende Modernisierung vor allem auf die funktionalen Anforderungen für moderne Sport- und Großveranstaltungen angepasst und hat wiederholt bewiesen, dass das Stadion für die verschiedensten Events nutzbar ist, seien es Konzerte, Festivals, Pabst-Messen oder Sportveranstaltungen. Auch Hertha BSC wird nach aktueller Sachlage weiterhin im Berliner Olympiastadion seine Heimspiele austragen – es gibt wohl schlimmeres.
Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier:
Quellen: gmp Architekten, Berliner Kurier, Wikipedia, Olympiastadion Berlin GmbH, RBB, nextroom.at, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Landesdenkmalamt Berlin
Newsletter
Abo-Modell
Neue Artikel
2. November 2024